Werbung ist zu einem fixen Bestandteil unseres Lebens geworden: Kaum ein Bereich unseres Lebens ist mehr frei von den mehr oder weniger subtilen Botschaften, welche unsere Entscheidungen in eine vom jeweils die dahintersteckende Agentur bezahlenden Unternehmen gewünschte Richtung beeinflussen sollen: dieses Waschmittel wäscht weißer als weiß - welche Farbe das auch immer dann sein soll, welche unsere Hemden haben wenn wir sie aus der Waschmaschine nehmen; jenes Deo lässt uns unwiderstehlich auf andere Menschen wirken - was eigentlich nachdenklich stimmen sollte, wenn man den Stellenwert eines mit dem beworbenen Duft eingesprühten Plüschtiers anstrebt durch den Kauf. Diese oder zahlreiche andere eigentlich eher plumpen Manipulationsversuche sind zwar leicht zu durchschauen, und dennoch schaffen es die sehr gut durchdachten bunten Bilder immer wieder, sich ihren Weg in unser Unterbewusstsein zu bahnen

Wenn wir mal einen kurzen Moment lang nicht achtsam genug waren, uns dagegen abzugrenzen, lenken sie auch schon unseren Willen. Schaffen im extremsten Fall sogar Bedürfnisse, die eigentlich gar nicht die unseren sind. Und schon ist es passiert: man steht in einem Supermarkt, der dafür bekannt ist, dass man mit Hausverstand dorthin gehe; die auf den Takt unseres Herzens abgestimmte Hintergrundmusik suggeriert entgegen dem eigentlichen Zeitdruck, in welchem wir gerade stehen, eine angenehme entschleunigte Atmosphäre. In einem Regal betrachtet man schnell - immerhin hat man es ja eigentlich eilig - die ganze Pracht der Auswahl an feilgebotenen Süßigkeiten und schon lenkt die Nachwirkung zum letzten Werbespot unsere Hand im Zweifel hin zu jener Schokolade, zu welcher wir doch erst vor kurzen davon überzeugt werden sollten, dass es sich bei ihr um die zarteste Versuchung handle, seit es Schokolade gibt.

Wie gesagt. Werbung hat sich in unser Leben integriert. Und wir empfinden das gar nicht einmal so sehr als Einschränkung in unserer freien Entscheidungsgewalt. Nein, wir unterhalten uns sogar über die gelungendsten Spots der letzten Zeit, teilen diese in den sozialen Netzwerken und verhelfen ihnen somit zu einer noch breieteren Wirkung. Es gibt sogar beliebte Prämierungen der besten Werke der Werbebranche und ganze Fernsehsendungen, welche die für uns skuril anmutenden Werbungen von verschiedensten Kulturen in unsere Wohnzimmer tragen. Nicht ohne Wirkung selbstverständlich. Was wir aber zulassen. Nicht ohne einen Restzweifel: wollen wir Werbung wirklich diesen Einfluss auf unser Leben zulassen?

Es ist dieser Restzweifel, welcher uns in von Kaufentscheidungen losgelösten Lebenssituationen sehr skeptisch werden lässt. Besonders, wenn es um Bereiche geht, in welchen die öffentliche Hand eingebunden ist. Es somit um Politik im weitesten Sinne geht: um Lebensbereiche, in welchen Regeln in Form von gesetzlichen Zwang Auswirkungen auf uns nehmen. Transparenz wünschen wir da. Informationen über Begründungen für diese Einschränkungen unserer individuellen Freiheit. Die Darstellung von einem diesem Eingriff in unsere Entscheidungsmacht gegenüberstehenden Mehrwert für uns fordern wir ein: was genau ist nun der Mehrwert, den wir erhalten für unsere Hinnahme von Zwang? An sich etwas, das doch Werbung bewerkstelligen kann: die Darstellung von Vorzügen eines Produktes oder einer Leistung. Wenn da nicht diese Skepsis gegen Politik wie auch gegen Werbung wäre; diese Angst, hier manipuliert zu werden in Bereichen, in denen einem der freie Wille besonders viel wert ist.

Zu einem Beispiel dafür ist dieser Tage eine heftige Diskussion in einem sozialen Netzwerk, facebook (in der Gruppe "Amici delle SVA";), ausgebrochen: Die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) hat einer großen Werbeagentur, nämlich Demner, Merlicek und Bergmann, einen Auftrag erteilt. Jener Agentur, welche zuletzt von der Vzebürgermeisterin der Stadt Wien als durchführende Agentur der 900.000 Euro schweren einmonatigen Kampagne "Deppert, wenns scheppert" (www.deppert-wenns-scheppert.at, OTS-Aussendung der MA 46 vom 7.4.2015, OTS0075) genannt wurde. Sofort ist eine Entrüstungswelle darüber losgetreten worden, ob denn das sein darf, dass die aus Mitgliedsbeiträgen der rund 750.000 zwangsversicherten Unternehmerinnen und Unternehmer in Österreich finanzierte SVA eine große Werbeagentur beauftragt damit, die Kommunikationsleistungen neu zu ordnen. Mutmaßungen über den Leistungsinhalt und den Auftragswert machen die Runde und es wird der Befürchtung Ausdruck verliehen, dass auf diesem Wege nur alles schön geredet werden solle. Auch wenn in einer vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger 2013 in Auftrag gegebenen Kundenzufriedenheitsanalyse deutlich wurde, dass 82 Prozent der Befragten einen Bedarf sehen, die Informationsarbeit zu verbessern, überwiegen nun, wo daran professionell gearbeitet werden soll, Befürchtungen: sollen durch verbesserte Kommunikationsleistungen vielleicht nur organisatorische Defizite oder verbesserungswürdige Rahmenbedingungen, welche an Härtfeällen sichtbar werden, zugedeckt werden? Professionell schöngeredet also wie ein Waschmittel oder ein Stück Schokolade? Als dann ein sich mit dem klingenden Namen eines der betroffenen Werbeagentur weitläufig zugeschriebenen Kommunikationsprofis schmückender User in die Diskussion einstieg und sich dabei eines provokativen Stils bediente war es fast nicht mehr möglich, die sachlichen Aspekte der Hintergründe zu diesem Auftrag zu sehen. Schade. Ob diese Eskalation statt der eines Kommunikationsprofis würdigen Deeskalation durch sachliche Darlegung der verfolgten Interessen im Interesse des Auftragsverhältnisses liegt wollte keine der beiden betroffenen Seiten kommentieren.

Es sind hier alle Beteiligten aufgerufen, durch Offenlegung der verfolgten Interessen und den dazu gewählten Instrumenten der bestehenden Skepsis zu begegnen. Statt nachzuvollziehender persönlicher Befindlichkeit sollte hier Sachlichkeit angeboten werden. Samt Einladung der Mitgestaltung, was ja eigentlich auch dem Wesen der SVA als Selbstverwaltungskörper entspräche. So gelingt es, jene, um die es geht, nämlich die Versicherten und somit eigentlichen Finanziers des Auftrages wie auch der besser darzustellenden Leistungen, ins Boot zu holen. Dann gelingt es vielleicht auch - nein, nicht mit dem Nachbarn wie in der Geschirrspülmittelwerbung, sondern mit der dargestellten Zielsetzung: der verbesserten Kommunikation und der optimierten Darstellung der Leistungspalette der SVA.

Informationen zum gegenständlichen Auftrag:

Demner, Merlicek und Bergmann (www.dmb.at/de) ist nach Mitteilung der SVA als Bestbieter in einem dreistufigen EU-weiten Ausschreibungsverfahren hervorgegangen. Es gehe darum, neue Kommunikationskanäle zu den Versicherten zu finden und das Informationsmaterial zu den zahlreichen ständig weiterentwickelten Leistungen zu optimieren. 21 Prozent der Befragten hatten immerhin mitgeteilt, die Informationstätigkeit rund um die Leistungen zur Gesundheitsförderung ausdrücklich als negativ zu beurteilen - ein Auftrag, etwas zu verbessern. Und zwar an der Aufbereitung der Informationen: es soll gelingen, die Menschen, welche durch ihre Beitragszahlungen Ansprüche erwerben, zu erreichen mit den sie betreffenden Informationen über das Leistungsangebot.

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