Als ich gestern in Youtube „zappte“ sah ich einen Film, eine Doku über Leni Riefenstahl. In diesem Moment musste ich an das Jahr 1996 denken als ich die damals schon 94-jährige persönlich kennengelernt hatte.

September 1996

Ich war mit meiner Handelsagentur für Tauchsport auf der Messe im Modezentrum München, als plötzlich eine alte Dame in den Raum kam und sich meine Ware ansah die ich ausstellte. Ich fragte mich schon, was eine alte Frau auf einer Tauchsport-Händler-Einkaufsmesse macht aber ich hinterfragte dies nicht weiter.

Ein Kollege kam auf mich zu und fragte: „Weißt du wer das ist?“

„Nein! - Eine alte Frau?“ antwortete ich ihm lächelnd.

„Es ist die Riefenstahl, die Leni Riefenstahl!“ sagte er fast ehrfürchtig und ließ sie nicht mehr aus den Augen.

„Das ist ja mal ein Ding“ dachte ich mir. Im Laufe meines Lebens habe ich so einige A-B-C Promis kennengelernt, aber eine Berühmtheit aus dieser Zeit ... "Und die lebt noch?" dachte ich mir!

Jetzt wusste ich zwar, wer die alte Frau war, aber ich verspürte keinen besonderen Drang, mich der alten Frau zu nähern und mit ihr zu sprechen. Ich ließ sie einfach unbeobachtet hinter mir. Für mich zählte zwar schon damals „Der Mensch im Jetzt“ mehr als dessen Vergangenheit, aber in diesem Falle hatte ich doch etwas Hemmungen, vielleicht auch Angst, dass sie mich in ihren "satanischen Bann" ziehen könnte. SIE eine Freundin von Hitler, von Göring, von den Nazis ... Nein Danke!

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Nur kurze Zeit drauf, tippte mir jemand von hinten auf meine Schulter. Als ich mich umdrehte, stand sie vor mir, sah mir in die Augen und lächelte. Besonders groß war sie nicht. Aber man konnte sehen, dass sie wirklich einmal eine Schönheit war. Zugegeben, ich war sehr nervös und musste so tun als wüsste ich nicht, wer sie war, aber ich hatte mich sofort wieder unter Kontrolle.

Leni

Sie hatte einige Fragen zu meinen Tauchanzügen die ich ihr beantworten konnte, was ich allerdings in diesem Alter etwas seltsam fand. Ich habe ihr dann einen Café angeboten und wir beide setzten uns in die Ecke an den Cafétisch und plauderten etwas.

Je länger ich mich mit ihr unterhalten hatte, desto sympathischer wurde sie mir und ich anscheinend ihr. Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie so war wie sie von den Medien beschrieben wurde. Wir sprachen hauptsächlich nur über die Taucherei, die verschiedenen Produkte und die besten Tauchgebiete.

Schon nach ein paar Minuten waren wir „per Du“ und lachten über mache Wichtigtuer im Sporttauchen.

Sie war eine wirklich liebe, nette, freundliche alte Frau, die in ihren Bewegungen aber immer einen gewissen Stolz hatte und mich an meine Großmutter erinnerte. Egal, ob sie an der Tasse nippte oder den Kuchen mit der Gabel zerteilte, ich hatte das Gefühl es sitzt eine Königin vor mir.

Nach ca. 1/2 Stunde fasste ich allen Mut zusammen und fragte mich langsam in Richtung ihrer Vergangenheit. Zuerst hatte ich den Eindruck, sie war etwas genervt dadurch, aber schön langsam begann sie zu erzählen. Sie sagte mir, dass sie "danach" auch immer wieder sehr aktiv war, aber sie nur auf "diese Zeit" reduziert werde.

„Keiner fragt was ich später alles gemacht habe! Jeder will nur über die Nazis etwas wissen! Andere Schauspielkollegen warfen sich dem Göring vor die Füße und taten alles was er ihnen befohlen hatte. Sie biederten sich bei ihm und diesen Menschen regelrecht an, - diese Schleimer. Später, in den 50er Jahren wurden sie gefeiert und kein Mensch redete mehr über ihre Vergangenheit! Da waren echte Nazis dabei die auch später kein Hehl aus ihrer Meinung machten!“

Sie sagte mir damals um welche Schauspieler es sich handelte, aber die sind heute alle längst gestorben und es ist jetzt im Nachhinein auch vollkommen egal wer dies alles war. Ausserdem kenne ich die meisten nicht einmal :).

Auf meine Frage warum sie glaubt, dass sie noch immer auf die Vergangenheit reduziert wurde sagte sie mir folgendes:

„Ich war eine junge und zielstrebige Frau die etwas erreichen wollte. Natürlich nahm ich sofort das Angebot an, Filme für das Ministerium und die Partei zu drehen. Ich hatte damals so viele Ideen die ich unbedingt umsetzen wollte. Ich war einfach nur ehrgeizig und wollte mich verwirklichen! Das war die Chance für mich! Die Ideologie war mir damals egal! Aber sie brauchten einen Schuldigen und den haben sie gefunden! Die Kollegen die mich damals, nach dem Krieg sofort verurteilt hatten, waren vorher die grössten Speichellecker. Auch heute würde gerade die Personen die mich verurteilen sofort ohne zu Überlegen diese Filme produzieren!“

In dem weiteren Gespräch erzählte sie mir, dass sie ihre Filme und ihre Szenen drehte so wie sie wollte und nicht wie es ihr befohlen wurde. Es war ihr auch egal wie diese vom Ministerium bewertet wurden. Sie wollte einfach etwas Neues machen, etwas anderes. Sie erzählte mir auch, dass ihre Aufnahmetechnik und Schnitte von „Olympia“ noch heute ein Standard in der Filmbranche sind und sie die erste war die diese Filmtechnik einsetze. Sie hat sie quasi erfunden!

Wir hatten uns insgesamt ca. 1 Stunde unterhalten und sie war in diesem hohen Alter immer noch eine Mischung aus Madame und Femme Fatale. Sie hatte einen ganz besonderen Esprit! Heute denke ich sehr gerne an dieses Gespräch zurück. Damals hatte ich mit der „Schreiberei“ noch nicht so viel am Hut, aber im nach hinein denke ich mir, da hätte ein Buch daraus werden können, da wir uns beide gegenseitig sehr sympathisch waren.

Als ich dies meiner Urgroßmutter erzählte, legte sie ihre Stirn in Falten, sah mich damals an und sagte nur: „Sie war eine Hitler Schicks´n!“ mehr nicht! Für mich war es interessant, da ich einen ganz anderen Menschen kennenlernte als in den Medien transportiert wird. Vielleicht war sie so wie sie beschrieben wird, vielleicht war sie auch noch schlimmer oder sie war vielleicht eine der Freundinen von Göring ... das wusste nur sie was wirklich war. Ich für meinen Teil habe 1 Stunde mit ihr gesprochen und kann nicht sagen, dass ich sie dadurch kenne, aber ich kann sagen, dass ich diese 1 Stunde niemals vergessen werden, da Leni eine sehr herzliche, liebe alte Frau war.

Ich denke sie war auch eine der ersten Emanzen, denn sie hat sich in der Männerwelt durchgesetzt. Wäre sie ein Mann gewesen, dann hätten die ehemaligen Kollegen sie vielleicht nicht "verdammt"!

Eine Doku über Leni zu ihrem 1oo.sten Geburtstag so wie ich sie in dieser 1 Stunde in Erinnerung behalten habe!

In diesem Sinne

„Bleibt´s Spannend!“

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