Sage und schreibe neun Fischundfleisch-Artikel haben "Hitler" im Titel -- nur der Papst hat mit dreizehn Erwähnungen in Titeln einen besseren Highscore.

Ist Fischundfleisch verhitlert? Ist Fischundfleisch ein Tummelplatz der Hitleristen? Natürlich nicht. Es ist vielmehr so, dass Hitler am Internet generell sehr gut vertreten ist. Im Gegensatz zum Papst gehört Hitler zum Internet wie Katzenvideos, Porno und Hater-Sperrungen [1].

Wie konnte es soweit kommen?

Hitler bietet seit der Stunde Null für alle Milieus und eine gigantische Bandbreite an Genres viel Möglichkeit zur kulturellen Verwertung. Nicht nur Nationalsozialisten und der Ku Klux Klan können ihren Hitler brauchen. Volksschüler erzählen einander Baby-Witze wie "[Hitler] brachte sich um, weil er die Gasrechnung nicht bezahlen konnte". Stammtischler können sich im Streit wenigstens darauf einigen, dass uns nur mehr ein Mann wie Hitler retten kann. Kabarettisten imitieren Hitler und unterhalten damit Ehepaare. Hubsi Kramar kann als Hitler einem weißen Rolls Royce entsteigen und damit Aneurismen auslösen [2]. Konrad Kujau kann Hitlers Tagebücher fälschen und damit den Stern froh machen. Weiters ist Hitler eine sehr mächtige und schneidige historische Figur, was männlichen Verschwörungsfreunden und Amateurmilitärhistorikern sehr entgegenkommt.

Alle diese Hitler-Anwendungen beschränkten sich nie auf die Heimat Hitlers, unser geliebtes Österreich. Die Hitler-Verwerter waren rund um den Erdball sehr fleißig, darunter in Hollywood [3]. In der Politik wurde der vielseitige Herr Hitler auf der ganzen Welt zum beliebten Ausgrenzungs- und Anschwärzungsinstrument.

Missbrauch Hitler-Keule

Nach Hillary Clinton ist beispielsweise Vladimir Putin so wie Hitler, was ihr viele Amerikaner gerne glauben. Google offenbart allerdings, dass Hillary Clinton ("Herr Hillary", "Hitlery" ) ihre eigenen Hitler-Probleme mit der Öffentlichkeit hat:

Google-Suche: "Hillary Clinton" Hitler

Bei Zimbabwes Afrikaner-Präsident Robert Mugabe funktionierte ein ähnlicher Hitler-Trick nicht, weil er sich auf den Vergleich mit seinem politischen Vorbild sogar etwas einbildete. "Ich bin noch immer der Hitler unserer Tage. Ein Hitler, der nur das beste für sein Volk will [...] Wenn das ein Hitler ist, dann bin ich zehnmal der Hitler [4]."

Wikipedia

Abbildung 1: Afro-Hitler Robert Mugabe

Mit dem Hitler-Trick belebte der Führer schon in der Nachkriegszeit jede politische Debatte. Der deutsch-amerikanische Philosoph Leo Strauss diagnositizierte unter seinen Dichter- und Denker-Kollegen eine "Reductio ad Hitlerum", eine Hitler-Besessenheit in der Rhetorik, vor allem in der schlechten Rhetorik. Diese Methode in der Debatte - dem rhetorischen Gegner unterstellen, er sei wie Hitler - feiert am Internet als "Godwins Gesetz" seine fröhliche Auferstehung. Vermutlich war in den Online-Debatten des Planeten jeder der Milliarden Internet-Nutzer schon einmal wie Hitler.

Das Hitler-Tabu und der ständige Gebrauch des Hitlerismus online und offline machen die Hitler-Figur natürlich zu einer ergiebigen Witzfigur. Hitler ereifert und empört die Menschen, über die man sich dann weiter lustig machen kann. Hitler ist makaber, seine Kostüme und Gestalt sind von alleine lächerlich, Hitler steht allem entgegen, was die moderne Konsumgesellschaft (vor allem der amerikanischen) ausmacht. Das lässt sich vorzüglich in Kontrast setzen: Hitler und Popmusik, Hitler und Mode, Hitler und Pin-ups, Hitler und Online-Spiele, Hitler und Gender, usw. usf. [5]

Durch Hitler-Verarbeitung am Internet wird aus dem rhetorischen Angriff "ist ein Demagoge und Massenmörder wie Hitler" nach und nach der rhetorische Angriff "ist ein Clown wie Hitler", was die Praxis nach und nach abschaffen wird, weil eine Witzfigur eben nicht gleichzeitig Tabu sein kann.

Ist das nicht Verhöhnung der Opfer?

Mag sein, aber verhöhnt werden am Internet alles und alle, warum also nicht? Weiters ist die Entwicklung Hitlers zur Witzfigur ein wichtiger Baustein für die aufgeklärte Debatte um den Nationalsozialismus. Die Welt wurde im 20. Jahrhundert nicht richtig enthitlert, weil die Lehrer und Massenmedien dabei versagt haben. Vor lauter Hitler kamen die Lehrer und Massenmedien nicht dazu, die Subtilitäten und Finessen von Faschismus allgemein zu erklären.

Antifaschisten sollten Hitlers hohe Präsenz am Internet begrüßen, denn am Internet wird sich Hitler zur reinen Witzfigur abnutzen und nach und nach die Sicht freimachen für wichtigere und lehrreiche Merkmale des Nationalsozialismus, wie z.B.

  • Massenmanipulation durch Massenmedien
  • Schleichende Aushöhlung der Bürgerrechte
  • Militarisierung und Hartherzifizierung der Kultur
  • Gewalt und organisiertes Verbrechen in Politik und Wirtschaft

Anders gesagt: noch lenken die Figur Adolf Hitlers und seine Tabus vom wichtigen Thema Nationalsozialismus ab. Erst wenn Hitler zu einer Figur aus dem Welt-Folklore geworden ist, wird es eine vernünftige Debatte um Nationalsozialismus geben. Am Internet, besonders im Internet-Humor, verarbeitet die Welt zum ersten Mal nach eigenen Vorstellungen und nach eigenem Vermögen den Hitler-Schock. Am Ende steht in Aussicht, dass Hitler zu einer historischen Figur wie Cäsar oder Dschingis Khan wird. Danke, Internet!

[1]

Warum nicht Katzen UND Hitler? Das Internet erfüllt alle Wünsche:

http://catsthatlooklikehitler.com/cgi-bin/seigmiaow.pl

[2]

Die Videos sind leider von Youtube verschwunden. Wikipedia weiß mehr:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_Kramar#Politischer_Aktionismus

[3]

Hitler im Film:

https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Filmen_zu_Adolf_Hitler

[4]

Steht nur in der englischen Wikipedia; Übersetzung durch den Autor. Hyperlink:

https://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Mugabe#Accusations_of_racism

[5]

Besonders auf Youtube findet man ohne Probleme Hitler-Humor aller Art. Hier sind drei von Millionen Links:

Action-Hitler in Danger Five

Techno-Hitler

Dolan-Hitler gegen Stalin

Hitler in Encyclopedia Dramatica

Die Encyclopedia Dramatica begann ihr Leben als Wikipedia-Alternative für die Internet-Freiheitskämpfer von Anonymous. Wir stiften hier keinen Link zu dieser aufschlussreichen Website, denn die E.D. ist extrem geschmacklos und pornographisch und enthält brutale Angriffe auf Takt und Anstand. Die E.D. ist für empfindsame Menschen eine Mutprobe, weil sie einen riesigen, liebevoll ausgeschmückten Katalog der menschlichen Vorurteile verkörpert -- als Satire und Realsatire der Internet-Kultur mit ihren Fetischen, Tabus und ihrer Hass-Kultur. Die E.D. ist mutwillig reaktionär, mutwillig kindisch und unterstellt ein sehr tendenziöses Männer- und Frauenbild -- wie eben die lebhaftesten Teile des Internet. Nicht am Arbeitsplatz aufsuchen, weil es oft Popup-Reklamen mit Audio gibt. Leider nur auf Englisch erhältlich, aber mit zahlreichen, teilweise farbigen Abbildungen. Von Kindern unter 18 fernhalten.

Der Artikel über Hitler in der Encyclopedia Dramatica ist für alle Hitler- und Internet-Freunde der Königsweg zur Figur Adolf Hitlers AM Internet, besonders die weiterführenden Links. Dieser Artikel zeigt schon heute was die Welt von Hitler in Erinnerung behalten wird.

Hubsi Kramar ist gern wie Hitler

Hubsi Kramar ist kein Internet-Aktivist, aber das macht seinen Erfolg als Hitler-Troll so ehrenwert und vorbildlich für alle Internet-Hitlers, weil Hubsi offline trollt, was mehr Courage erfordert, als am Internet zu machen, dass sich Leute giften. Youtube hat dazu einen kurzen Video-Kommentar zu Hubsis Offline-Trolling:

Hubsi Kramar kassierte ordentlich Flak für seinen Hitlerismus und wurde in Österreich ziemlich heftig gesperrt für seine Vorstellungen von gepflegter Hate Speech. Im freien Amerika hatte Mel Brooks nicht den leisesten Anklang von Problem mit seinem Hitler-Rap. Im Video-Interview (oben) erklärt Hubsi Kramar: "Der Hitler hat nicht selber mit 'Heil Hitler' gegrüßt; so deppert und krank war er auch wieder nicht." Dieses Problem löst Mel Brooks mit "Hail myself!" Echt geschmacklos: Mel Brooks als Hitler mit NSDAP-Ballet und Stechschritt.

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Pommes

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dohle

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