Glückliches Europa, klage!

Für jeden Sergey Brin und Mark Zuckerberg, den Amerika hervorbringt, hat Europa einen Mathias Döpfner und einen Max Schrems. Die einen erfinden etwas, das Abermillionen Menschen in aller Welt cool und nützlich finden und das in der Folge ihre Erfinder erfolgreich und reich macht. Die anderen finden einen Weg, die Unsicherheit von Usern und Politik zu instrumentalisieren, um erstere zu klagen und für sich selbst ein Stück vom Kuchen zu bekommen.

Das ist, mit bloggerischem Leichtsinn formuliert, das aktuelle Verhältnis zwischen Neuer Welt und Altem Europa. Wer die Akteure nicht kennt: Es sind die Gründer von Google und Facebook sowie der CEO des Springer-Verlags und der (inzwischen fertig studierte) Salzburger Jus-Student, der Europe-vs-Facebook gründete. Wobei letztere in völlig unterschiedlichen Ligen spielen: Hier der Chef des einst gefürchtetsten deutschen Medienimperiums, dem Internet die Schneid abgekauft hat. Dort ein charmanter, gescheiter Jurist, der das Match mit Facebook justament an einer US-Uni lernte und als "juristisches Wuzeln" sportlich sieht.

Aber so verschieden Motive und Persönlichkeiten, zusammen stehen sie für ein Grunddilemma Europas: Die rapide Digitalisierung wird hier einerseits von "Usern" und "Konsumenten" ebenso rasch und begeistert wie in den USA übernommen, aber Europas Unternehmen werden davon überrollt und die intellektuellen Eliten wollen dagegen mauern. Wer in Europa hingegen am schöpferischen Ende der Technologie steht geht nach Amerika, um Raum für sein Talent zu finden: Wie Tim Berners-Lee, der das Web 1989 am CERN in Genf entwickelte, heute am MIT in Boston. Oder die dänisch-schwedischen Skype-Gründer Janus Friis und Niklas Zennström, heute als Risikoinvestoren in den USA.

Nun gibt es viele Gründe, Kritik an den global Playern der digitalen Wirtschaft einzubringen und zu klagen. Das ist auch in den USA nicht anders und Google, Facebook, Amazon und Apple stehen hier laufend vor Gericht (auch als Kläger).

Europa entwickelt dabei jedoch einen Hang zum Fundamentalismus. Da reicht es nicht, auf satte Millionenbeträge zu klagen (und am Ende einen lukrativen Vergleich zu finden). Der digitale Minderwertigkeitskomplex mündet gern in Beherrschungsfantasien, wie im jüngsten Antrag des (völlig unzuständigen) EU-Parlaments zur Zerschlagung Googles. Nebenbei: Diesen brachte ein CDU-Abgeordneter ein, der als Rechtsberater der Kanzlei des Springer-Verlags fungiert. Springer hat noch eine Rechnung mit Google offen: Nachdem der Verlag Google verbot seine Artikel zu listen brachen die Zugriffszahlen bei Welt und Bild ein, Springer machte einen Rückzieher.

Leicht wird Europa aus seinem Kulturkampf alte gegen neue Welt nicht herausfinden. Europas Industrie hat digital quasi k.o. gegeben, wie zuletzt Nokia, oder schon vor Jahren Siemens, das einst zum digitalen Vorzeigekonzern werden wollte aber inzwischen wieder gerne mit Turbinen, Eisenbahnen und Ampeln gutes Geld macht und alle digitalen Ambitionen begraben hat. Startup-Gründer von Wien und Budapest bis Berlin treibt ein geheimer Wunsch: Von Investoren im Valley entdeckt zu werden.

Dabei hat es erst angefangen, und die nächsten Gespenster stehen schon mitten in Europas Wohnzimmer. Wie Uber: als Idee vor 6 Jahren bei LeWeb in Paris geboren, heute der Schrecken aller Taxiunternehmen von Brüssel bis Berlin und Wien, inzwischen mit einer wachsenden Zahl an Prozessen und Verboten belegt. Aber glückliches Europa, du kannst ja immer noch klagen.

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fischundfleisch

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