Über Provokation, Gutmenschentum und angestaubte Schubladen

Als "Erd- und Höhlenmenschen" bezeichnet der geschäftsführende Landesparteichef der FPÖ Niederösterreich Christian Höbart, Asylwerber auf Facebook. Darauf folgen Medienaufmerksamkeit, haufenweise Stellungnahmen und vor kurzem auch eine durch Heinz-Christian Strache, der die Wortwahl "überspitzt" findet, im gleichen Zug aber auch die "heuchlerische Empörungsmaschinerie" nennt. Liest man nun Kommentare unter Online-Artikeln diverser Medien oder zu Bildern auf der Facebook Seite von Herrn Höbart, so findet sich auch ähnliches. Berechtigte Empörung über diese unsoziale Entgleisung im sozialen Netzwerk, aber genauso schnell taucht der Gutmenschen-Begriff wieder auf.

Warum ich dieses aktuelle Beispiel hier herausgreife und zum Thema mache? Weil es Muster aufzeigt die in der Tagespolitik und deren Rezeption schon länger Program sind. Man erzeugt durch grenzwertige Aktionen Medienpräsenz, distanziert sich dann ein wenig damit man keine so gute Zielscheibe mehr abgibt, aber doch auch nicht zu klar, schließlich will man ja nicht die radikaleren Kollegen als Unterstützer verlieren. Was dann folgt ist der Gegenangriff mit einem ausformulierten etablierten Wortschatz. Der Kritiker ist ein Gutmensch, ein Heuchler, Vertreter des Rotfunks, Anhänger der westlichen Propagandamedien und natürlich ein Zerstörer der heimischen Kultur. Im trauten Heim sind Schubladen sehr praktisch. Nazikeule versus Gutmenschentum eben.

Aber ich will hier ja nicht nur über die FPÖ schimpfen, Aufmerksamkeit wollen schließlich auch andere. Suchtmittel direkt vor Schulen zu bewerben, wie die jungen Grünen das taten, reiht sich ebenso in solche Aktionen ein. Man fragt sich, ob "Dummheit" oder der Wunsch nach etwas Provokantem im Vordergrund steht. Vermutlich etwas von Beidem. Wirklich reflektiert wird das aber von den Verantwortlichen augenscheinlich nicht, zumindest waren so gut wie keine selbstkritischen Wort zu vernehmen und auf fremde Kritik folgte die Rechtfertigung das man ja genau so Leute erreicht. Im letzten Punkt hat man vermutlich recht, das macht die Kampagne aber auch nicht intelligenter oder sozialer...

Ich möchte mich aber noch einmal den Schubladen zuwenden, denn diesen entkommt man beim Möbelkaufen mittlerweile leichter als bei Diskussionen in sozialen Netzwerken oder in den Kommentarsektionen vieler Online Medienauftritte. Derjenige der rassistische Ausdrucksweisen von politischen Funktionären ankreidet schwingt die Nazikeule und ist ein Gutmensch, negative Kritik an möglichen Auswüchsen feministischer Politik oder gendergerechter Sprache wird gerne als Frauenfeindlichkeit interpretiert und der Kritiker einer Cannabis-Legalisierung muss ja ein Alkoholproblem haben. Über die Homolobby von Gudenus möchte ich mich gar nicht mehr echauffieren, man wird mir schließlich noch früh genug weiteres Potenzial zum Fremdschämen bieten. Die Bewerbe zum Unwort des Jahres haben dann weiterhin genug Material, Gutmensch war ja schon 2011 dran.

Es wäre an der Zeit Konstruktives in den Vordergrund zu stellen, sowohl in der Tagespolitik als auch in Diskussionen des braven Bürgers. Aber so funktioniert es eben nicht, in der Politik bringt Populismus Punkte beim Wähler. Und manche dieser Stimmen wollen ihre Freizeit nicht mit Sachthemen "verschwenden", es lebt sich ja leichter wenn man sein Weltbild nicht in Frage stellen muss. Der Sündenbock wird schon rechtzeitig präsentiert, nicht einmal den muss man sich selbst suchen.

Vielleicht hat die goldene Mitte ausgedient.

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Alex Nowak

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Silvia Jelincic

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irmi

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fischundfleisch

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