Österreich und seine Rechten oder, warum ich lieber Deutscher wär

Seit der Wahl letzten Sonntag denke ich mir, nach all dem anfänglichen Schock, vor allem eines: was macht denn Deutschland im Vergleich zu uns so anders, so richtig, dass sie sich, im Unterschied zu uns, nicht permanent mit dieser rechtspopulistischen, hetzerischen Brut abgeben müssen?

Deutschland hat ja bis heute keine "große" rechte Partei. Die paar Ewiggestrigen, die sich dort noch tummeln, laufen meist alle zur NPD, und die kann man bei Gott ja wirklich nicht ernst nehmen. Wer denn sonst wirbt mit einem Pornostar, nur um diesen dann aus der Partei zu schmeißen, weil sie mal Sex mit einem Schwarzen hatte? Aber damit war es das auch schon. Im Gegensatz zu hier hat sich in Deutschland schon sehr früh eine ordentliche liberale Bewegung mit der FDP gebildet, das gibt es ja bis heute nicht wirklich in Österreich. Die NEOS versuchen es, im Unterschied zum LIF auch mit etwas mehr Erfolg, aber in meinen Augen wird es die wohl auch nicht mehr lange geben. Zwei Protestparteien werden auf Dauer zu viel sein, auch die werden ja selten aus Überzeugung gewählt. Aber Deutschland zeigt, dass es auch anders geht.

Das liegt vor allem auch viel daran, dass sich unsere Nachbarn von Anfang an und mit aller Konsequenz zu ihrer Kriegsschuld bekannt haben. Deutschland steht zu seiner Schuld, zu den Millionen Toten, zu all den unsagbar unmenschlichen Gräueltaten, zur größten Sünde des 20. Jahrhunderts. In diesem Geist der Verantwortung für die Verbrechen der Vergangenheit sind dort die nachfolgenden Generationen aufgewachsen. Niemand zweifelt daran, niemand probiert eine Verantwortung abzuwälzen. Das reicht so weit, dass sich viele nicht mal zu jubeln trauen, wenn Deutschland Fussballweltmeister wird.

Deutschland hat es geschafft, diese "Nie wieder" Mentalität in den Köpfen und Herzen seiner Menschen festzusetzen. Deutschland hat einen Neuanfang gemacht, einen glaubhaften, und gehört heut nicht umsonst in vielen Bereichen wieder zur Weltspitze. Und das 70 Jahre, nachdem sie plündernd, mordend und vergewaltigend durch die halbe Welt spaziert sind. Deutschland will es besser machen. Und das haben sie auch ihren Bürgern erfolgreich beigebracht. Wieviele alte Großväter, Urgroßväter haben wir wohl noch hier, die am Sonntag im Wirtshaus sitzen und den Führer nicht immer noch für seine Autobahnen loben? (Den Schwindel kann man hier übrigens toll nachlesen: http://www.zeit.de/…/…/autobahnen-hitler-nationalsozialismus )

Aber Deutschland hat uns noch so viel mehr voraus. Man sehe sich nur mal unsere Politiker im Vergleich an. Wie viele davon gibt es dort, die mit Nazigrüssen fotografiert werden (und nein, du hast keine drei Bier bestellt, das ist einfach eine dreiste Lüge), an Wehrsportübungen teilnehmen, Küssel als einen Freund betrachten, ihre Kinder Thor, Tristan oder sonst wie nennen? Die die ordentliche Beschäftigungspolitik des dritten Reiches loben? (Na gut, zumindest da hat´s mal Konsequenzen gegeben). Keinen einzigen halbwegs wichtigen deutschen Politiker kann ich mit solchen Aussetzern nennen. Denn was passiert dort stattdessen? Da tritt der Bundespräsident ab, weil er als Privatmann einen Privatkredit eines Freundes angenommen hat? Dieser faule Nachgeschmack führte letztendlich zum Rücktritt von Christian Wulff. Bei aller Kritik, Charakterschwäche kann man ihm in diesem Moment kaum nachsagen.Deutschland hat das so wunderbar vorgelebt wie es gehen kann. Hier sind sich die Politiker ihrer Verantwortung bewusst und ziehen notfalls die richtige Konsequenz.

Na, na, sieht´s irgendwer? Konsequenzen! Charakterstärke! Strache kann tun und lassen was er will! Hetzen, schreien, pöbeln, lügen, und nichts passiert! Nichts! Weil wir es alle hinnehmen. Aber warum? Wir suchen uns die Politiker doch selbst aus, wir haben es letztendlich in der Hand ob so jemand Erfolg hat oder nicht. Wir geben ehemaligen Zahnarzttechnikern ohne Matura Macht, ohne uns wären sie nie dort, wo sie sich befinden.

Und das ist dann auch der letzte Punkt. Eine neue Politik muss in Österreich her, und die funktioniert nur über eine Verjüngung. Das wäre mal ein ganz wichtiger Schritt. Weil das folgenden Effekt haben könnte: Stellt euch mal vor, Faymann wäre weg. Aber man ersetzt ihn nicht sofort durch einen anderen alten Parteibonzen, sondern lässt sich mal auf etwas neues ein. Stellt einen Arbeiter an die Parteispitze, am besten sowas wie einen Maurer, Mechaniker, oder ähnliches. Nehmt jemanden, mit dem sich die breite Masse identifizieren kann. Und schlagt damit Starkes stärkste Waffe, den billigen Populismus. Schickt diesen dann in die Wirtshäuser, in die Diskotheken, lasst so jemanden mit den Jungen reden. Überzeugt Menschen, die stolz darauf sind, am Wochenende mit sechs Bier im Gesicht ein Bild mit Sprache machen zu dürfen. Denn die spielen im zu. Tut was gegen die Nichtwähler, denn auch ohne dieses Problem hätten wir wohl weit weniger Sorgen wegen rechts.

Wer von den Österreicher interessiert sich denn noch groß für die Politik? Auch das zeigt sich ja schön in der Steiermark. Nehmen wir nur mal die Reformpartnerschaft. Die wenigsten SPÖ bzw. ÖVP Wähler haben sich deshalb dazu entschlossen, der Partei ihre Stimme zu geben, hier waren es vor allem die Stammwähler. Da hapert es gewaltig. Aber hier darf man nicht vorrangig den Parteien die Schuld geben. Was kann ein Voves schon dafür, wenn die Jugend lieber in die Großraumdiscos zum saufen fährt, statt sich für die Politik zu interessieren? Nur werden sie dort halt schon erwartungsvoll von einem HC abgeholt und begrüßt. Der zahlt eine Runde, und zack, fünf neue begeisterte Wähler. Auch so funktioniert Politik hier nur allzu oft.

Aber verdammt nochmal, tut was dagegen! Ich schäme mich für die Art, wie heute Politik gemacht wird. Ich schäme mich für die Steiermark und die Dummheit ihrer Menschen. Hier wird endlich einmal probiert, das richtige zu machen. Unpopuläre Reformen durchgesetzt. Es wird etwas verändert, der Proporz abgeschafft und vieles mehr bewegt sich in eine gute Richtung. Und was kommt dabei am Ende raus? Die Hetzer profitieren, die falschen bekommen den Zuspruch.

Vielleicht lahmt unsere Politik. Vielleicht haben wir weder besonders charismatische, noch junge, oder sonst irgendwie ansteckende Personen in der Führungsspitze. Aber ist das denn wirklich ein Grund, deshalb Ewiggestrigen ihre Stimmen zu schenken? Menschen, die teils bis heute den Holocaust verleugnen, plakativ alles Fremde schlecht reden, Lügen verbreiten.

Denn das allerwichtigste: niemand kann etwas für seine Herkunft. Welches Recht hast du, stolz auf Österreich zu sein? Was war dein Beitrag dazu? In den meisten Fällen lautet die Antwort: Nichts. Du bist kein besserer Österreicher als jeder andere, egal woher. Jeder Mensch, egal woher, sollte das Recht haben, ein guter Österreicher zu werden. Denn die meisten unserer eigenen Leute schafft das nicht mal, da bin ich wenigstens froh dass die "Fremden" sich immerhin deutlich mehr bemühen.

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Bernhard Juranek

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