Die Stadt der Blinden, ob sie die Innenministerin kennt?

José Saramago, Träger des Literatur-Nobelpreises, erzählt in seinem Roman die Geschichte einer Blindenepidemie. Zunächst ist es ein Autofahrer, der plötzlich und ohne ersichtlichen Grund erblindet. Ihm wird von einem anderen Mann geholfen, der ihn nach Hause bringt, ihm das Auto stielt, um später auch zu erblinden. Die Epidemie breitet sich aus.

Die namenlosen Blinden, sie sind nur „der Arzt“, „die Frau des ersten Blinden“, „der Alte mit der schwarzen Augenklappe“, „die junge Frau mit der dunklen Brille“, …, sie werden in einer ehemaligen Irrenanstalt zusammengepfercht. Saramago schont weder seine Figuren, noch seine LeserInnen. Man wünscht sich, er würde nicht beschreiben, was sich alles an unmenschlichen Tiefen auftut, aber er tut es.

Die Regierung befugt das Militär bei Überschreiten einer bestimmten Linie auf die Blinden zu schießen und sie tun es auch. Die Nahrungsmittel werden nur spärlich angeliefert und dann noch von den "niederträchtigen Blinden"als Erpressungsware gegen Wertsachen und „freiwillige“ Vergewaltigungsopfer der anderen eingesetzt.

Was bleibt übrig, wenn dem Menschen mit dem Sehen und der Hoffnung die Hüllen weggerissen werden? Selbst die Liebesgeschichte zwischen dem alten Mann und der "jungen Frau mit der dunklen Brille", stellt diese Frage. Beide gestehen sich ihre Liebe zueinander zwar ein, der alte Mann wirft aber die Frage auf, ob dies denn auch so bliebe, falls sie wieder sehen könnte, schließlich sei er ja nur ein alter Mann. Sind es die Gefühle oder siegt die Oberflächlichkeit?

Jose Saramago stellt in seiner gleichnishaften Erzählung die Urängste der Menschen dar - ähnlich wie einst Camus in "Die Pest". Weder die Stadt, noch die Figuren besitzen einen Namen, sie sind entbehrlich.

„Die Frau des Arztes“ ist die eigentliche Heldin der Geschichte (die einzig Sehende). Im Dialog mit einem Schriftsteller, der ebenfalls erblindet ist , lässt sie ihrem Schmerz freien Lauf, denn als der Schriftsteller sie fragt, ob wir, die Menschen, zu viele Wörter haben, antwortet sie ihm:"Ich wollte damit sagen, dass wir zu wenig Gefühle haben. Oder wir haben sie, aber wir benutzen die Wörter nicht, die sie ausdrücken, und deshalb verlieren wir sie."

Sie will mehr Gefühle in dieser kalten und egoistischen Welt, Gefühle, vor denen wir uns schon längst verschlossen haben, weil der Egoismus und der Selbstschutz-Mechanismus so wichtig geworden sind.

Spätestens hier musste ich an die österreichische Asyldebatte denken und ich frage mich: Hat die Innenministerin „Die Stadt der Blinden“ je gelesen?

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irmi

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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