In Österreich gilt Meinungsfreiheit. Sie beinhaltet das Recht darauf, zu jedem Thema eine eigene Ansicht zu entwickeln. Darüber hinaus schließt sie auch das Recht auf freie Meinungsäußerung mit ein. Sieht man von den durch das Verbotsgesetz und den Verhetzungsparagraphen definierten Ausnahmen ab, dürfen alle zu jeder Zeit ihre Gedanken zu jenen Diskussionen beitragen, die sie beschäftigen. Wir haben diese Rechte zu schätzen gelernt und sind uns darüber im Klaren, dass sie eine tragende Säule der Demokratie und leider nicht überall auf der Welt eine Selbstverständlichkeit sind. Rechte zu haben aber ist eine Sache; von ihnen Gebrauch zu machen, ist eine andere. Auch wenn jeder seine Meinung zum Ausdruck bringen darf, sind nicht alle Meinungen gleich viel wert. Könnten wir überhaupt keine qualitativen Unterschiede zwischen verschiedenen Ansichten feststellen, wären Diskussionen darüber absolut überflüssig. In diesem Artikel möchte ich objektive Maßstäbe zur Bewertung unterschiedlicher Standpunkte besprechen.

Der häufigste Irrglaube im Bezug auf die Rechtfertigung von Meinungen ist jener, dass es irgendeine Rolle spielen würde, wer sie vertritt. Eine darauf aufbauende Argumentationsstrategie wird gebildete Menschen ebenso in die Falle locken wie ungebildete. Deshalb möchte ich diesen Sachverhalt hier fettgedruckt festhalten: Die Güte einer Meinung hängt nicht davon ab, wer sie teilt.Ob es sich um die eigene Meinung handelt oder die des allerbesten Freundes, ob das persönliche Umfeld beipflichtet oder jemand, der seit 40 Jahren auf dem Gebiet arbeitet, ob es im Gesetz irgendeines Staates oder in irgendeinem religiösen Text geschrieben steht, ob es nur einen Menschen mit dieser Ansicht gibt oder Milliarden: es ist völlig irrelevant, solange man nicht weiß, warum. Ein logischer Fehlschluss wird nicht widerspruchsfrei, wenn Nahestehende ihn für plausibel halten, oder irgendwelche Autoritäten oder andere Leute, denen man ein gutes Urteilsvermögen zutraut. Eine Lüge bleibt eine Lüge, auch wenn Milliarden Menschen sie für die Wahrheit halten. Die Steinigung von Vergewaltigungsopfern ist ein barbarisches Verbrechen, auch wenn sie in einigen Staaten durchgeführt wird und dort gesetzeskonform ist.

In der Theorie wird hier keiner widersprechen. In der Praxis sieht es freilich anders aus. Unsere Meinungen sind fast zur Gänze davon abhängig, in welchen Kreisen wir uns bewegen und wie wir sozialisiert werden. Ich will das am Beispiel einer zurzeit häufig diskutierten Minderheitenansicht demonstrieren. Falls Sie Fleisch konsumieren, stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Von einem Tag auf den anderen sind Vegetarier in Ihrem Umfeld in der Überzahl. Ihre Familie, Ihre Arbeitskollegen, Ihre Freunde, alle essen kein Fleisch mehr. Sie möchten nach wie vor nicht darauf verzichten. Bei Tisch aber werden Sie jedes Mal schief angeschaut. Sie müssen sich anhören, dass Sie für die Leiden und den Tod hochempfindsamer Lebewesen verantwortlich sind und dass das nunmal absolut nicht notwendig sei, dass Sie zur Zerstörung der Umwelt und zum Welthunger beitragen. Sie kennen diese Argumente bereits seit Jahren, haben Sie aber nie sonderlich ernst genommen. Nun kommen diese Vorwürfe direkt von ihren Liebsten, und Sie sind der Einzige, der damit konfrontiert wird. Keiner stimmt mehr mit Ihnen überein und Sie geraten in eine Verteidigungsposition. Seien Sie ehrlich mit sich selbst: In dieser Situation würden Sie beginnen, sich intensiv Gedanken über Ihren Fleischkonsum zu machen und manche Ihrer zuvor kaum hinterfragten Ansichten zu überdenken; vielleicht zum ersten Mal in Ihrem Leben. Das wäre natürlich per se nichts Schlechtes; allein der Anlass, den es dafür brauchte, ist zweifelhaft.

Der objektive Maßstab zur Bewertung der Güte von Meinungen besteht in der Güte ihrer Argumentation. Diese wiederum sind einer rationalen Untersuchung zugänglich. Die Fragen ‘Sind alle logischen Schlüsse korrekt?’ oder ‘Ist die Argumentation widerspruchsfrei?’  oder ‘Sind alle behaupteten Fakten belegt?’ oder ‘Wurden alle Gegenargumente beantwortet?’ haben nachprüfbare Antworten, die die Qualität der Argumentation maßgeblich bestimmen. Wer sich intensiv und unvoreingenommen mit einem bestimmten Thema beschäftigt, wird zu einer fundierten Entscheidung über die Güte der damit in Verbindung stehenden Meinungen kommen. Auch wenn die Menschen sich dabei irren, wenn sie Denkfehlern oder der schlichten Unwissenheit unterliegen: die Möglichkeit zur objektiven Bewertung der Güte von Meinungen ist grundsätzlich gegeben. Die Hindernisse sind sowieso selten intellektueller Natur, sondern bestehen vielmehr aus Vorurteilen gepaart mit dem zuvor erläuterten Irrglauben. Es ist selbstverständlich nachvollziehbar, dass Menschen mit ihrem sozialen Umfeld in möglichst großem Einklang stehen wollen. Widerspruch fördert schließlich Konflikte. Die Konsequenz ist aber leider, dass in unseren Gesellschaften auch solche Ansichten zum breiten Konsens werden, für die es keine guten Argumente gibt.

Liebe Grüße

Mahiat

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fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:12

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