Der Krieg der DDR und der westdeutschen Linken gegen Israel

Zum 75. Jahrestag der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus

Fotomontage Manfred Breitenberger | Yasir Arafat mit Erich Honecker - rechts Amin al-Husseini und Alois Brunner

Heute vor 75 Jahren, am 8. Mai 1945 wurde Europa, nach 65 Millionen Toten und dem Völkermord an den europäischen Juden, durch die Alliierten vom Nationalsozialismus befreit. Neben tausenden jüdischen Partisanen und Widerstandskämpfern in Ost- und Westeuropa dienten 1.406.000 Juden in den regulären Armeen der Alliierten. Innerhalb des Deutschen Reiches gab es von Anfang an Widerstand gegen Hitler, neben Einzelkämpfern wie Georg Elser,  war vor allem die "Roten Kapelle" um den Kommunisten Leopold Trepper eine wirkungsstarke Gruppe. Mehr als die Hälfte der Mitglieder dieser Widerstandgruppe waren Juden und viele waren Kommunisten. Die meisten Mitglieder der "Roten Kapelle" wie Harro Schulze-Boysen, Arvid Harnack oder Hans Coppi bezahlten wie Georg Elser ihren Widerstand mit dem Leben.

Deutschland wurde geteilt und viele der überlebenden Juden wanderten 28 Jahre nach der San Remo Konferenz in das am 14. Mai 1948 gegründete Israel aus. Noch in der Gründungsnacht überfielen fünf arabische Staaten Israel und seither versuchen die antisemitischen Nachbarn die Juden ins Meer zu treiben. Gäbe es ein ungeschriebenes Gesetz nach dem Holocaust, so würde es lauten: Keine deutsche Regierung oder politische Gruppierung darf jemals Juden töten oder ihnen Schaden zufügen, noch darf sie jemandem dabei behilflich sein, Juden zu töten oder ihnen Schaden zuzufügen. Die Deutsche Demokratische Republik und ein Großteil der westdeutschen Linken vertraten eine gegensätzliche Sichtweise. Der US-amerikanische Historiker Jeffrey Herf untersuchte die Feindseligkeiten der DDR und der westdeutschen radikalen Linken gegenüber Israel, von der antisemitischen Propaganda über Waffenlieferungen an arabische Staaten, bis hin zum Schulterschluss mit der terroristischen PLO.

Die Gründung Israels wurde vor allem durch die Sowjetunion, auch aus geopolitischen Interessen vorangetrieben, die wichtigste militärische Hilfe kam nach dem ersten arabischen Überfall aus der CSSR. Zwei Jahre später änderte der Ostblock seine Politik grundlegend und Israel wurde als Verbündeter der westlichen Welt nun zum Feind. In der Sowjetunion kam es zu Säuberungen und Scheinprozessen gegen jüdische Kommunisten und in Prag wurde Rudolf Slánský vorgeworfen, Teil einer zionistischen Verschwörung zu sein.Der polnische kommunistische "Israelkritker" und Innenminister Mieczysław Moczar, der 1946 während des Pogroms von Kielce dort Polizeichef war, organisierte in den 1960er Jahren in Polen den "Kampf gegen den Zionismus" und legte eine Kartei aller Polen jüdischer Herkunft an um diese entsprechend verfolgen zu können. In Ost-Berlin musste Paul Merker für zwei Jahre ins Gefängnis Hohenschönhausen weil er sich vergeblich für Wiedergutmachungszahlungen an jüdische Holocaust-Überlebende und die Unterstützung Israels eingesetzt hat und Leopold Trepper verbrachte über 10 Jahre in Stalins Kerkern bevor er nach Israel auswandern durfte.

Mit dem Ausschluss Jugoslawiens aus der Komintern wurde im Ostblock verschärft jede Abweichung unterdrückt, dafür war neben dem amerikanischen Imperialismus, dem Titoismus der Zionismus der zentrale Angriffspunkt. Im "Neuen Deutschland" wurde beinahe wöchentlich von der "Dollarzinsknechtschaft", den  "zionistischen Monopolkapitalisten“ und der der "imperialistisch-zionistischen" Unterwanderung berichtet. Am 15. Juli 1967 hielt Walter Ulbricht zum Beispiel eine Rede in Leipzig in der er Israel mit Nazideutschland verglich. Israel wurde in den DDR-Medien dämonisiert und delegitimiert, der Zionismus als „faschistische Ideologie“ denunziert und in unzähligen Reden machten politische Funktionsträger der DDR kein Hehl aus ihren antiisraelischen Ansichten.  Verteidigungsminister Heinz Hoffmann besuchte beispielsweise mit seiner Delegation vom 19.-14. Oktober 1971 Syrien und versicherte den dortigen Pressevertretern: "Wir sind überzeugt, dass sie in ihrem Kampf gegen den Feind siegen werden. Wir kämpfen gegen einen gemeinsamen Feind." Wer dieser Feind war ließ Hofmann nicht im Unklaren, Israel und die USA sollten besiegt werden. Nach dem Treffen lieferte die DDR unverzüglich 2.200 im eigenen Land gefertigte Kalaschnikows für den erhofften Sieg. Nach dem Sechstagekrieg schickte die DDR Jagdflugzeuge, Panzer, Scharfschützengewehre, Panzerabwehrgeschütze, Granatwerfer, Kalaschnikows, Tretminen nach Ägypten und Syrien. Als Israel einem zweiten Holocaust so nahe war wie nie, während des Jom-Kippur-Krieg 1973, als es fast zu einer militärischen Niederlage des jüdischen Staat und damit zur Auslöschung seiner Existenz gekommen wäre, waren ostdeutsche MIG-Jagdflugzeuge auf Befehl Honeckers auf syrischer Seite im Einsatz. Die DDR-Piloten blieben in Aleppo und wurden durch sowjetisches Personal ersetzt. Nach ihrer Heimreise bekamen die DDR-Piloten eine Ehrenmedaille, verliehen wurden diese durch einen Major Biedermann (der hieß tatsächlich so) ! Die extremsten und radikalsten Feinde Israels wurden von der DDR mit Waffen und bei der Ausbildung von deren Streitkräften unterstützt.

Zwischen 1967 und 1989 lieferte die DDR "Solidaritätsgüter" zum Teil kostenfrei an die arabischen Staaten und an die militanten Palästinenserorganisationen, die sich mit Israel im Krieg befanden: 750.000 Kalaschnikow-Sturmgewehre, 120 MiG-Jagdflugzeuge, 180.000 Tretminen, 235.000 Granaten, 25.000 Panzerbüchsen (RPG) und 25 Millionen Patronen unterschiedlicher Kaliber. Darüber hinaus reparierten und warteten ostdeutsche Mechaniker in diesen Jahren 350 MiG-Jagdflugzeuge der irakischen und syrischen Luftwaffe. Von 1972 bis 1989 absolvierten über 3000 ausländische Militärkader eine Ausbildung an ostdeutschen Militärschulen, darunter mehrere hundert aus Syrien, Irak, Libyen und der PLO. Schließlich schickte Ost-Berlin weitere Ausrüstungsgegenstände für militärische Zwecke: Ferngläser, Zelte, Fallschirme, Rundfunkgeräte, Feldlazarette, Zünder und Sprengstoffe. Unzählige verletzte arabische Terroristen und Soldaten wurden in den Krankenhäusern der DDR gesund gepflegt.

Im Jom-Kippur-Krieg von 1973 trat der Gegensatz zwischen der ostdeutschen Parteinahme für die arabische Seite und der Neutralitätspolitik der Regierung Brandt eindeutig zutage. In den Wochen, als die Ostdeutschen ihre tödlichen Waffen gegen Juden in Schiffen nach Syrien schickten, bestand die Bundesrepublik darauf, dass Israels Schiffe die westdeutschen Häfen verließen und verweigerte amerikanischen Flugzeugen auf westdeutschen Militärbasen die Erlaubnis zum Nachtanken. Mitten in den Terrorkampagnen der PLO gegen israelische Dörfer und Zivilisten intensivierte die Sowjetunion und die DDR zwischen 1970 und 1982 die Waffenlieferungen und militärische Ausbildung für die Terroristen, die den Libanon als Basis für ihre Angriffe nutzten. Waffen aus Ostdeutschland gelangten genauso an die PFLP und PDFLP, Organisationen, die sich ihrer Beteiligung an den tagtäglichen grausamen Aktionen gegen israelische Zivilisten rühmten.

Der Auschwitz-Überlebende Heinz Galinski und damals Vorsitzender des Zentralrates der Juden, schrieb nach dem Jom-Kippur-Krieg einen öffentlichen Brief an Erich Honecker, in dem er diesen an seine Vergangenheit als Antifaschist erinnerte und fragte, weshalb die DDR-Berichterstattung derart infam und voller Hass klassische Motive des Antisemitismus aufnehme. Eine Antwort Honeckers blieb aus, wie von selbst ernannten Antifaschisten über ihren linken Antisemitismus bis heute nur ohrenbetäubendes Schweigen zu vernehmen ist.

Auffallend waren besonders die intensiven Bindungen der DDR zu Syrien und dem Irak. In Syrien wie im Irak regierte die Baath-Partei, eine 1940 gegründete sozialnationalistische Bewegung, die sich die NSDAP zum Vorbild nahm, und deren Anführer aus ihrer Begeisterung für Hitler und die NS-Judenvernichtung kein Hehl machten. International gesuchte NS-Kriegsverbrecher wie der wichtigste Mitarbeiter Eichmanns, der SS-Hauptsturmführer Alois Brunner fanden zu hunderten Zuflucht in Syrien oder Ägypten. Für die „antifaschistische“ SED-Führung waren Alois Brunner und Konsorten kein Hinderungsgrund, zu den syrischen Führern „brüderliche“ Beziehungen auf der Basis „antiimperialistischer Solidarität“ zu unterhalten. Der Nachfolger von Amin al-Husseini, der Top-Terrorist Jassir Arafat wurde mehrmals in Ost-Berlin wie ein Staatsgast empfangen. Am 2.8.1973 eröffnete die Terrororganisation der PLO offiziell ein Büro in Ostberlin um die Kontakte zu intensivieren und 1980 unterzeichnete die Staatsicherheit offizielle Kooperationsvereinbarungen mit Abu Ayad, dem Chef des PLO Sicherheitsdienstes. Die Akten der Behörden von Heinz  Hoffmann, Willi Stoph und Gerhard Weiß enthalten unzählige Details der Zusammenarbeit zwischen der DDR und den arabischen Staaten inklusive diverser Terrororganisationen, die alle nur das Ziel hatten Israel zu vernichten.

Für die radikale westdeutsche Linke war die DDR stets ein willkommener Rückzugsort und ihr Antizionismus stand dem der DDR in keiner Weise nach. Anders als bei der DDR, die von der Politik des Ostblocks dominiert war, waren es in Westdeutschland ideologische Überzeugungen die zu zum Hass gegen Israel führten. Dieter Kunzelmanns Appelle an seine Genossen aus dem Jahr 1969, ihren "Judenkomplex" endlich zu überwinden und die gegen Israel kämpfenden "Fedajin" zu unterstützen, sind bahnbrechende Texte des westdeutschen linksradikalen Antisemitismus und Hasses auf Israel.

Beispielgebend ist auch der Essay Ulrike Meinhofs von 1972, in dem sie sich für den Terroranschlag des "Schwarzen September" auf die israelischen Athleten bei den Olympischen Spielen in München als eine "antiimperialistische, antifaschistische und internationalistische" Aktion begeistert. Der Hass auf Israel oder die Forderung Israel auszulöschen war in radikalen linken Kreisen ab 1967 die Normalität in Westdeutschland. In einschlägigen linken Publikationen wie im "Arbeiterkampf" war 1973 zu lesen: „Der Konflikt im Nahen Osten kann nicht anders gelöst werden als durch die Zerschlagung des Zionistischen Staates.“ Der "Rote Morgen" halluzinierte im November 1974: "Israel – „die blutrünstige und machtgierige Bastion gegen die Völker“  und die "Autonome Nahostgruppe Hamburg" meinte 1989: "Der Zionismus – der Feind aller Menschen.“ Interim, 6 titelte 1992: „Sieg im Volkskrieg“; Israel muss weg!" und in Jakob Augsteins "Freitag" phantasierten Publizisten 2010 vom „israelischen Apartheidstaat“, vom „KZ Gaza“, der „viehischen Gewalttätigkeit Israels“ oder der „wohlgezielten Schlachtung von Klein- und Schulkindern.“  Die "Rebellen" der RAF von Ulrike Meinhof bis Andreas Baader ließen sich in palästinensischen Lagern mit Hitlerbildern in den Unterkünften ausbilden und die linken Terroristen Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann der „Revolutionären Zellen“ entführten ein französisches Flugzeug und selektierten in Entebbe Juden von Nichtjuden. Beispiele dieser Art liesen sich beliebig fortsetzen.

Die judenfeindliche Ideologie von Ulrike Meinhof, Wilfried Böse oder Heinz Hoffmann ist innerhalb großer Teile der Linken weiterhin präsent und nicht nur dort. Aktuell jammert die Süddeutsche Zeitung stellvertretend für das links-liberale Spektrum weil ein postkolonialer Holocaustrelativierer und antizionistischer Israelhasser, ein Achille Mbembe in der Kritik steht. Für die Verteidiger von Mbembe darf nur über den rechten Antisemitismus von Halle gesprochen werden, der linke und der islamische Judenhass muss unter der Decke bleiben, muss tabuisiert werden, denn ansonsten könnte das eigene Weltbild ins Wanken kommen. Postkoloniale, antiimperialistische Linke hatten nie einen Begriff von Antisemitismus und wie die extreme Rechte keinen von der Spezifik des Holocaust und von daher rührt vermutlich auch ihre verschwörungstheoretische Delegitimierung jüdischer Selbstverteidigung. Den ideologischen Gehalt, die Geschichte, sowie das Wesen des Antisemitismus ignorierend phantasieren postkoloniale Linke, der Rassismus sei ein Antisemitismus gegen Araber oder Muslime. Die übelsten Vertreter dieser Spezies relativieren den Holocaust in dem sie ihn mit kolonialen Massakern oder der Apartheid in Südafrika gleichsetzen. Dabei ist der Zionismus eine Reaktion auf den europäischen, arabischen und islamischen Antisemitismus, er ist die Antwort auf eine jahrhundertelange Verfolgungsgeschichte, insbesondere auf den nationalsozialistischen Völkermord.

Pseudolinke macht es fassungslos wenn einem arabischen Terroristen oder einem islamischen Gotteskrieger ein Haar gekrümmt wird, sie halluzinieren von Rassismus wenn die Zumutungen des Islam kritisiert werden, für sie ist tatsächlicher oder vermeintlicher Rassismus das größte Problem dieser Welt und von daher schauen die postkolonialen Linken verschämt zu Boden wenn in Tel Aviv, in Paris oder in Berlin ihre Kameraden Juden, Islamkritiker und Ungläubige massakrieren oder islamisch sozialisierte Flüchtlinge in Europa Juden und Frauen jagen. So verwundert es auch nicht wenn sich postkoloniale Linke nach dem alten Motto "Wehrt euch, kauft nicht bei Juden" in der judenfeindlichen BDS-Bewegung engagieren.

Der linke österreichische Schriftsteller und Auschwitzüberlebende Jean Améry beschwor bereits 1969 die linken Antisemiten, wie man heute weiß vergeblich: “Der Antizionismus ist ein von Grund auf reaktionäres Phänomen, das von den revolutionären progressistischen antikolonialistischen Phrasen über Israel verschleiert wird”, sagte neulich Robert Misrahi, ein französischer Philosoph, der, gleich dem vorhin zitierten Claude Lanzmann, zur weiteren Sartre-Familie gehört. Der Augenblick einer Revision und neuen geistigen Selbstbestreitung der Linken ist gekommen; denn sie ist es, die dem Antisemitismus eine ehrlose dialektische Ehrbarkeit zurückgibt. Die Allianz des antisemitischen Spießer-Stammtisches mit den Barrikaden ist wider die Natur, Sünde wider den Geist, um in der vom Thema erzwungenen Terminologie zu bleiben. Leute wie der polnische General Moczar können sich die Umfälschung des kruden Antisemitismus zum aktuellen Anti-Israelismus gestatten: Die Linke muss redlicher sein. Es gibt keinen ehrbaren Antisemitismus. Wie sagte Sartre vor Jahr und Tag in seinen “Überlegungen zur Judenfrage”: “Was der Antisemit wünscht und vorbereitet, ist der Tod des Juden.”

Quellen: Jeffrey Herf - Unerklärte Kriege gegen Israel: Die DDR und die westdeutsche radikale Linke, 1967-1989 | Thomas Haury - Antisemitismus von links, Kommunistische Ideologie, Nationalismus und Antizionismus in der frühen DDR

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