"Krise ist, wenn das Alte noch nicht gestorben und das Neue noch nicht geboren ist" - so sagte der große konservative Denker Nicolas Gomez Davila. Und kaum jemand wird bestreiten, dass Europa in einer schweren und existenziellen Krise ist.

Die Blutarmut der Prinzessin

Das Grundproblem und die Auslöser der großen Krise sind die europäische Anämie, die allgemeine Schwäche und die Armut an großen Ideen und Perspektiven. War der Kontinent über die Jahrtausende der dokumentierten Geschichtsschreibung die Quelle stets neuer und zündender philosophischer Gedanken sowie auch immer neuer weltanschaulicher Überlegungen und Entwicklungen, so ist Europa heute die alte, kranke Frau vor dem Ural geworden. Zwar gut geschminkt und mit Zweckoptimismus versehen, liegt die alte Prinzessin, die einst sogar den Zeus betörte, nun ohne realistische Zukunftsaussichten auf ihrem Lager, das ihr Totenbett werden könnte.

Freilich sind Europa und seine Ideengeschichte immer mit konflikthaften Situationen und großen Kriegen verbunden gewesen und viele von uns Heutigen klammern sich deswegen intuitiv am Friedensprojekt EU fest. Der Friede ist zur letzten validen Daseinsrechtfertigung der EU geworden. Man darf es auch nicht vergessen: Die Union hat uns die längste friedliche Periode aller Zeiten gebracht - wenn man vom Krieg in Ex-Jugoslawien absieht.

Phrasen statt Werte

Trotzdem oder gerade deswegen ist der Scheintod im europäischen Denken bereits eingetreten. Die europäischen Werte, auf die wir uns in Sonntagsreden so gern berufen, sind hohle Phrasen, die den Einzelnen nicht wirklich berühren und schon gar nicht faszinieren, weil wir wissen, dass kaum jemand um sie kämpft, wenn der tägliche Ernstfall eintritt. Werte gibt's nur noch im nationalen Bereich zu haben. Dort bemühen sich die Rechten, sie zu leben und zu verteidigen - und werden dafür von den Europagläubigen verfemt. Auch das beweist den desolaten Zustand der EU: Ihre eigenen politischen Ziele sind diffus und kreisen um internationalistische Vereinigungsfantasien, die blutleeren Visionen von friedhofsartigen Zuständen gleichen, weil sie den Nationen ihre letzte Identität nehmen sollen.

Toleranz? Liberalismus? Respekt?

Wir hören von Toleranz, Liberalismus und Respekt vor den verschiedenen Lebensweisen und vor allem vom Respekt vor anderen Kulturen und wissen doch im innersten genau, dass unsere eigene, im Abwind befindliche Kultur durch die innere Zersplitterung und vor allem durch die Anbiederung an die fremde dem Untergang entgegen getrieben wird. Der Zeitgeist weht flau und wird nur dann zur Brise, wenn es um Hedonismus, Selbstverwirklichung und Egomanie des europäischen Individuums geht.

Degeneration als Inhalt

Als zündende, ja heilsbringende Ideen werden der kranken Frau Europa Gedanken wie die "Ehe für Alle" oder die "Gleichstellung" vorgestellt - alles Ideensplitter, die aus genau jener intellektuellen Degeneration entspringen, die so betulich mit Eventkultur und farbenprächtigen Regenbogenparaden verdeckt werden soll. Die Medien werden regelmäßig mit diesem redundanten Getöse vollgestopft und man meint, wir hätten damit doch noch kulturelle Inhalte, die es zu entwickeln und zu verteidigen gilt. Aber hinter dem Lärm und dem täglichen Zirkus gähnt die Leere einer von gesundem und klarem Denken befreiten und in ihrer Endzeit befindlichen Zivilisation.

Das Absterben von innen

Die Krise Europas ist also eine innere und keine von außen gemachte. Die Massenimmigration, die mittlerweile die Mehrheit der Einwohner als Bedrohung empfindet, ist kein schicksalshaftes Phänomen, sondern das Kardinalsymptom der schweren Gemütskrankheit, die die einst so schöne und vitale Prinzessin Europa erfasst hat. Nur wer schwach ist und keine inneren Kräfte mehr besitzt, ist für auch für Infektionen von außen empfänglich.

Krise und Hoffnung

Aber es gibt natürlich Hoffnung. Die gegenwärtige, wie eine Endzeit wirkende Phase Europas ist wie so viele von schweren Krisen gezeichnete Epochen dieses Kontinents nur ein Zeitabschnitt - denn was ist schon wirklich ein Ende? Wenn wir nur 600 Jahre zurückschauen, sehen wir Katastrophen ungeheuren Ausmaßes, die Europa heimgesucht haben und den damaligen Zeitgenossen jeweils wie das apokalyptische Ende vorgekommen sein müssen: Das Wüten der Pest, der Dreißigjährige Krieg, die Napoleonischen Eroberungskriege, die Schreckensregimes des 20. Jahrhunderts, die Weltkriege. Europa erlebte unvorstellbare Seuchen und die absolute Gewalt - und hat doch überlebt.

Da kommt etwas

Andererseits zeigt dieser Blick in die Geschichte, dass die Krisen des europäischen Geistes, die intellektuellen Ermüdungserscheinungen, die degenerativen Momente und der Mangel an klarem und gesunden Denken stets und regelhaft die Vorboten großer Umwälzungen und Kriege waren. Wenn wir ehrlich sind und den Zeitgeist prüfen, müssen wir uns also auf etwas gefasst machen.

(Zuerst publiziert auf meinem Blog www.TheDailyFranz.at )

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