Ein Zynismus der Extraklasse: "Das Recht auf ein Kind"

Durch die neuen Möglichkeiten wie In-vitro-Fertilisation mit Fremdsamen, Eizellenspende bis hin zur Embryo-Spende und Leihmutterschaft sind in den letzten Jahrzehnten neben der klassischen Adoption neue Wege entstanden, Kinder zu bekommen. Vielerorts werden diese teils (noch) nicht erlaubten Methoden freudig begrüsst, weil sie Kinderlosen mit Kinderwunsch Befriedigung verschaffen können.

Das Recht auf ein Kind gibt es nicht

Gerne wird auch das real gar nicht existierende "Recht auf ein Kind" ins Treffen geführt, wenn es darum geht, neue Optionen für Unfruchtbare zu eröffnen. Da eine eigene und weltweit tätige Fortpflanzungsindustrie mit riesenhaften Umsätzen die Wünsche und vermeintlichen Rechte von Kinderlosen erfüllen möchte, gibt es auch entsprechende Lobbies, die sich für technologische Entwicklungen und rechtliche Änderungen stark machen.

Das "Recht auf ein Kind" wird so über die Medien und die Ethik-Räte, diverse Arbeitsgruppen und Homosexuellen-Initiativen, verschiedene Interessensverbände und politische Parteien immer mehr gestärkt, obwohl es de facto gar nicht existiert. Man hat keinerlei Skrupel, die Sehnsüchte der Kinderwunschgeplagten über die rechtlichen Belange der zukünftigen Kinder zu stellen. Was das Kind möchte, ist zunächst egal.

Her mit dem Baby!

Man mutet dem über die Technologie herbeigewünschten und herbeigezeugten oder in eine Homo-Beziehung hinein adoptierten Kind einfach zu, was die präsumptiven Eltern für sich in Anspruch nehmen wollen. Das Kindeswohl ist sekundär und wird damit völlig pervertiert: Her mit dem Baby! Das ist die Devise. Der Wunsch zählt und dann das Ergebnis. Was das Desiderat (immerhin ein Mensch!) möchte, das klären wir später.

Und man nimmt, wenn es gar nicht anders geht, auch eine Reise ins benachbarte Ausland in Kauf, besorgt sich einen Fremd-Embryo und transferiert ihn in eine willige und recht gut bezahlte ausgeborgte (Gebär-) Mutter. In Österreich und Deutschland sind diese Extremformen der Embryonen-Akquise verboten bzw. ein rechtlicher Grauraum. Es existieren deswegen informelle Netzwerke, die solche Reisen ins Ausland und Eingriffe ebendort organisieren. Das Internet macht es möglich.

Problematische Situationen

Demzufolge gibt es auch schon Kinder, die nach solchen Eingriffen geboren wurden. Nun soll nicht bezweifelt werden, dass Eltern von fremd- oder im Labor gezeugten Babies genauso liebevoll mit ihrem gekauften Nachwuchs umgehen wie "normale" Eltern mit ihren natürlichen. Aber es drohen rechtliche und ethische Fallstricke, in denen sich die Eltern und die (auf welche Weise auch immer gezeugten und geborenen) Kinder unweigerlich verheddern - sobald nämlich die Kinder erwachsen sind.

Jedes Kind hat das verbriefte Recht, seine genetische Herkunft zu kennen. Wenn diese Kenntnis einmal erlangt ist, könnte es für den Nachwuchs aber schwierig werden - es ist nicht immer leicht, die vorgeburtlichen Realitäten zu verdauen. Um diese Klippe zu umschiffen, wird immer gerne argumentiert, dass die angeblich besonders liebevolle elterliche Beziehung die Wunschkinder ihre biologische Abstammung vergessen macht. Das mag alles stimmen, es bleibt jedoch immer ein schaler Nachgeschmack, den man auch durch Regenbogen-Rhetorik nicht wegbringt.

Elternwunsch vor Kindeswohl

Grundsätzlich ist es bei all diesen Umwegen, ein Kind zu bekommen, so, dass der Elternwunsch über das Schicksal der Kinder gehoben wird und das Kindeswohl nicht die höchste Priorität erhält - das muss man immer wieder betonen. Das Kind wird zum Substrat eines Anspruchs- und Wunschdenkens gemacht und es wird zu einem Objekt der Sehnsucht stilisiert. Damit wird das Kind in den Status eines Konsumartikels gebracht, dessen Einkauf das höchste Ziel vieler Frustrierter darstellt. In der heutigen "Hier und Jetzt"-Gesellschaft können solche Wünsche sehr mächtig werden. Unfruchtbare fühlen sich gleich einmal diskriminiert und es wird ihnen von verschiedenste Seiten eingetrichtert, es gäbe so etwas wie "das Recht auf ein Kind".

Ein Zynismus der Extraklasse

Diese Situation ist, zu Ende gedacht, hochproblematisch, vielfach absurd und immer zynisch. Wenn man nämlich weiß, dass es "Zentren für reproduktive Medizin" gibt, wo auf der einen Seite die Unfruchtbaren sitzen und auf Rat und Tat warten und auf der anderen Seite die ungewollt Schwangeren, die zur Abtreibung kommen, dann wird es endgültig grotesk. Die tägliche Realität sieht dort so aus: Im Raum A berät der Arzt die unglücklichen Kinderwunsch- und Sehnsuchtsgeplagten und führt eine IVF durch, im Raum B beendet er daraufhin die ungewollte Schwangerschaft einer - wenn auch aus anderen Gründen - genauso unglücklichen Frau.

Das Recht auf Alles

Das Wohl und die Rechte des Kindes sind in beiden Fällen Angelegenheiten, die nicht wirklich interessieren und kein Thema sind. Was zählt, ist im Raum A das virtuelle "Recht auf ein Kind" und im Raum B das genauso heftig empfundene, aber ebenfalls nicht existierende "Recht auf Abtreibung". Beide Phänomene sind Ergebnisse einer gesellschaftlichen Entwicklung, die uns das Gefühl angezüchtet hat, der Mensch hätte Ansprüche und Rechte auf alles und jedes Mögliche und Machbare. Ob diese Verwerfungen der gesellschaftlichen Entwicklung zuträglich sind, darf bezweifelt werden.

(zuerst erschienen auf: www.TheDailyFranz.at )

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