Die politische Instrumentalisierung von Hanau

Wenn in der öffentlichen Debatte über „geistige Brandstiftung“ gesprochen wird, so ist zu beobachten, dass dieses Argument von einigen dazu missbraucht wird, den Meinungskorridor weiter einzuschränken. Leider geht die Instrumentalisierung von Hanau mittlerweile so weit, dass Journalisten oder Politiker, die in der Vergangenheit den Islam oder die Asylpolitik kritisiert haben, eine Mitschuld gegeben wird. Ich finde dieses Vorgehen so offensichtlich wie perfide.

Man gewinnt den Eindruck, dass in Deutschland nicht mehr Mediziner und Psychologen definieren, wer psychisch krank ist, sondern neuerdings Pressevertreter und Politiker - je nachdem, wie und ob die Tat zur politischen Instrumentalisierung taugt oder eben nicht. Nach dem Lkw-Anschlag von Limburg vom Oktober 2019 - ein Syrer war mit einem Lkw vorsätzlich in mehrere Autos gerast - konnte es nicht schnell genug gehen, das Verbrechen als Tat eines „psychisch Verwirrten“ abzutun. Ein ähnliches Muster konnte man ein Jahr zuvor beobachten, nachdem ein mehrfach vorbestrafter Syrer in einer McDonalds-Filiale am Kölner Hauptbahnhof Feuer legte und u.a. ein 14-jähriges Mädchen lebensgefährlich verletzte. Auch dort war recht schnell von einem „psychisch verwirrten Mann“ die Rede - lange bevor es irgendwelche psychologischen Gutachten gab. Es gibt zig weitere Beispiele, deren Auflistung und Erklärung jetzt den Rahmen sprengen würde.

Der Mörder von Hanau sendete bereits im November letzten Jahres dem Generalbundesanwalt zusammen mit einer Strafanzeige ein Dokument zu, dass in weiten Teilen dem 24-seitigen „Skript“ glich, das jetzt im Zusammenhang der Horrortat auftauchte. Was damals allenfalls als Beleg für die schizophren-halluzinatorische Gedankenwelt eines rassistischen und misogynen Losers taugte, der mit über 40 noch bei Mama wohnt, soll jetzt als Beleg für einen planvollen rechtsterroristischen Tatvorsatz herhalten. Man fragt sich unweigerlich: warum hatte der Typ trotz allem noch eine Waffenbesitzkarte? Wenn man sowohl die Texthinterlassenschaften als auch das Video des Mörders von Hanau sieht, lässt sich nur eines mit Sicherheit feststellen: der Typ hätte längst in einer geschlossenen Psychiatrie sitzen müssen.

Natürlich ist Rechtsterrorismus eine große Gefahr für unser Land - völlig egal, ob sich der Täter von Hanau unter diese Kategorie subsumieren lässt oder nicht. Der Kampf dagegen darf jedoch nicht dazu instrumentalsiert werden, konservative oder anderweitig kritische Stimmen zum Schweigen zum bringen, wie es die Böhmermanns und Augsteins dieser Republik bereits in Tweets gefordert haben. Was wir derzeit erleben, ist eine unwürdige und pietätlose Inszenzierung politischer Interessen auf dem Rücken der Opfer, deren perverse Auswüchse dann dazu führen, dass bspw. Vertreter der Islamverbände, in deren Moscheen nicht selten offener Rassismus und Hass auf Kurden gepredigt wird (mehrere Opfer von Hanau waren kurdischstämmig), neben Spitzenpolitikern stehen und Trauer heucheln, nur um ihre Interessen, Forderungen und ihr Gesicht medienwirksam zu platzieren.

Seriös wäre es, erstmal zu trauern und für eine weitere Einordnung psychiatrische Gutachten und Experten-Analysen abzuwarten. In einer Zeit, in der man sich bereits verdächtig macht, wenn man fordert, gegen jeden Extremismus vorzugehen, bleibt aber all das Wunschdenken. Die politischen Debatten werden sich in den Echokammern der sozialen Netzwerke weiter toxisch aufladen, wobei jeder nur noch den Hass des Anderen erkennt, aber nicht mehr den seiner eigenen Filterblase. Spätestens jetzt wäre ein guter Zeitpunkt, eine Pause einzulegen. Wenn sich die politische Debatte in eine Tragödie verwandelt, sollte man versuchen, sie als Zuschauer zu betrachten.

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