Der politisch nicht korrekte Theaterregisseur

Die kritische Kunst! Die Freiheit der Kunst! Heute immer gerne Avantgarde, Vorprescher und Innen gesellschaftlicher Veränderungen, wie ein Aufklärer im noch feindlichen Gebiet. Beeindruckend – und in Österreich verfassungsmäßig abgesichert. Die Revolte unter dem Banner des Guten also. Doch wie steht es um kritische Geister in einer kritischen Zunft?

Der lettischer Regisseur und laut „FAZ“ einer der „angesehensten Regisseuren des europäischen Theaters“, Alvis Hermanis, lernt das politisch korrekte Deutschland und die darin wohl fortschrittlichste Fraktion – die Kulturbranche – kennen. Gestern umjubelt, heute „rassistisch“ (taz + Welt), „ein Hass predigender Neo-Faschist“ (Hamburger Morgenpost), jemand, der noch paranoider als Pegida sei (Welt), mit „Flüchtlingen auf Kriegsfuß“ stehe (Welt), bei dem sich die Frage stelle, ob er „noch bei Trost“ sei (Deutschlandradio Kultur). Hermanis argumentiere wie „Pegida, Front National oder Donald Trump“: „pauschal, Angst schürend, verantwortungslos. Er sagt abstoßende Dinge, wie man sie von Politikern der ungarischen und jetzt auch der polnischen Regierung hört […]“, so der „Tagesspiegel“. – Ich bin mir sicher, Hermanis kennt jetzt den kritischen und sachlich-ausgewogenen deutschen Journalismus.

Bevor man ihn endgültig medial hängt: Was hat er eigentlich getan?

Hermanis hat seinen Vertrag mit dem Hamburger Theater aufgelöst. Er ist der Meinung, das Thalia-Theater sehe sich als „Refugees-Welcome-Zentrum“ und er wolle nicht mit dessen „humanitärem Engagement für Flüchtlinge in Verbindung gebracht werden“. „Jawohl, ich will da nicht mitmachen. Kann ich mir diese individuelle Entscheidung, kann ich mir eigene Meinungen leisten? Wie steht's mit der Demokratie?“

Er sagt weiter: „Also war der Preis, der bezahlt werden musste, bis man schließlich einen Zusammenhang von Migrationspolitik und Terrorismus einräumte, der Tod von 132 jungen Menschen in Paris. Ist dieser Zusammenhang in Deutschland immer noch ein Tabu? Nach Gesprächen mit Thalia-Leuten habe ich verstanden, dass sie nicht offen sind für abweichende Meinungen. Ich denke nicht, dass meine politische Haltung radikaler ist als diejenige einer Mehrheit von Europäern. Wir teilen den Enthusiasmus hinsichtlich offener EU-Grenzen und unkontrollierter Einwanderung nicht. Vor allem im Osten Europas verstehen wir diese Euphorie schlecht“, wie Hermanis in der NZZ zitiert wird. Und: „Die deutsche Begeisterung, die Grenzen für alle zu öffnen ist extrem gefährlich, weil unter den Flüchtlingen auch Terroristen sind. Eine gleichzeitige Unterstützung von Terroristen und den Pariser Opfern schließe sich aus. Zwar seien nicht alle Flüchtlinge Terroristen, aber alle Terroristen seien Flüchtlinge oder deren Kinder“. Für den „Tagesspiegel“ gar eine „irre Gleichung“. Irr ist in dem Zusammenhang jemand anderer: Die Intendantin der Hamburger Kulturfabrik, Amelie Deuflhard. Diese rief gar zum Boykott von Hermanis auf und appellierte an die europäischen Intendanten, nicht mehr mit ihm zu arbeiten, wie die „Junge Freiheit“ berichtet.

Hier drängen sich viele Fragen auf. Die Causa bietet einen scharfen, fokussierten Blick auf den Umgang mit nicht systemkonformen Meinungen.

Erstens die Zuschreibungen der Systemmedien: Was, bitte, ist an Hermanis Aussagen rassistisch? Wo predigt er Hass? Warum ist er ein Faschist? Weshalb ist er verantwortungslos? Wo schürt er Angst? In Wahrheit säen die Meinungsmacher in den Zeitungen Hass, und zwar ganz gezielt um den Häretiker auszuschalten. Soll hier nach Pirincci und Naido der Nächste abgeschossen werden? Will man aufgrund einer abweichenden Meinungsäußerung(!) eine Karriere eines Kollegen vernichten, wie Deuflhard fordert? Wo leben wir eigentlich?

Zweitens: Ob Hermanis sich eine eigene Meinung leisten kann, muss er selbst wissen. Im Hippie-Staat BRD wird er es schwer haben. Hier herrscht keine Meinungsfreiheit, hier existieren weder Pressefreiheit noch Demokratie. Wie schreibt Leif Randt in „Planet Magnon“? „Vielleicht müssen wir uns gar nicht befreien, um glücklich zu werden. Vielleicht reicht es ja, wenn wir uns die Unfreiheit immer nur klar vor Augen führen.“

Wie Hermanis ergänzt, ist er auch nicht grundsätzlich dagegen, dass Theater mit politischen Verlautbarungen auftreten: Es störe ihn bloß, wenn ausschließlich eine Seite zu Wort komme, wie die NZZ schreibt. Hermanis glaubt, es gebe in der „Flüchtlingsfrage“ zwei Meinungen. Hierin liegt schon die Fehlannahme. In unseren politisch-korrekten Breiten gilt die Freiheit, bei unliebsamer, systemoppositioneller Meinung einfach das Maul zu halten. Das ist die zweite Seite.

Dass – wie der Theaterintendant Lux noch behauptet - das Thalia-Theater ein „Ort des offenen gesellschaftlichen Diskurses“ sei, klingt eher nach Boshaftigkeit oder politischer Verblendung. Fragt er sich nicht gerade in diesen Tagen, wie der Diskurs aussieht? Es ist nirgendwo einer zu erkennen.

Für Lux ist nur eines festzustellen: „Der Riss in Europa ist tief und hat fast alle Länder erfasst. Dass diese Spaltung auch den Kulturbereich betrifft, ist bedrückend und schockierend.“ Wahnsinn, und ich dachte, die Kultur sei sowieso immer kritisch und lebe vom Diskurs? Alles Schall und Rauch, Lug und Trug.

Für Hermanis bleibt wohl nur zweierlei übrig: Entweder Abbitte leisten, Möglichkeiten gibt es ja oder als Geächteter durch die Kulturwelt zu laufen. Auf Schützenhilfe seiner rebellischen Post-68er-Kollegen würde ich nicht setzen.

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dohle

dohle bewertete diesen Eintrag 30.12.2015 08:16:49

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