Offenbar will Putin keinesfalls auf Selenskyi treffen. Ob er den ukrainischen Präsidenten nicht für würdig hält, ihm zu begegnen, oder ob er gar Angst vor dem Mann hat, der zum Volkshelden der Ukrainer wurde, darüber mag man unterschiedliche Ansichten haben - klar ist jedenfalls, dass damit überdeutlich wird, dass Putin kein Interesse an Waffenstillstand oder gar Frieden hat.
Seit 1999 führt er Krieg, denn ohne Krieg könnte er sich nur schwer an der Macht halten. Er braucht Krieg, im seine diktatorische Herrschaft zu rechtfertigen. Deshalb haben bisher und werden auch künftig "Verhandlungen" mit ihm entweder wie jetzt nicht stattfinden oder nur, wenn seine Feinde kapitulieren. Den Gefallen wird ihm jetzt allerdings niemand mehr tun.
"Die Hoffnungen auf einen baldigen Frieden in der Ukraine haben einen schweren Rückschlag erlitten. Die ersten direkten Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine seit rund drei Jahren finden laut russischen Angaben ohne Beteiligung von Wladimir Putin statt – und das, obwohl der Kremlchef das Treffen selbst vorgeschlagen hatte. Doch mehr noch: An diesem Donnerstag reist kein einziger hochrangiger russischer Politiker in die Türkei.
Das Treffen in Istanbul, das in den vergangenen Tagen wegen einer möglichen Zusammenkunft zwischen Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einigen Wirbel ausgelöst hatte, hat damit deutlich an Schwung verloren. Der Kremlchef zeigt mit seiner Absage, dass er sich in seinem Angriffskrieg weiterhin am längeren Hebel wähnt. Einmal mehr suggerierte er Verhandlungsbereitschaft, ohne diese mit Taten zu untermauern. Mit seiner Absage legt er nun endgültig seine Karten offen: Ein Interesse, den Krieg zu beenden, hat Putin bisher nicht. Das könnte sich für ihn rächen.
Putins eigenes Angebot für direkte Gespräche in Istanbul ab Donnerstag galt als Antwort auf Selenskyjs Forderung nach einer bedingungslosen Waffenruhe, die am Montag hätte beginnen sollen. Allerdings hatte Putin am Sonntag noch offengelassen, ob er persönlich anreisen werde. Sein Vorhaben hatte er auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan besprochen, der seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 ein für beide Seiten wichtiger Vermittler ist.
Die ukrainische Seite nahm das Angebot aus dem Kreml dankend an: Selenskyj erklärte, selbst nach Istanbul zu reisen, wenn Putin auch kommt. Nun bleibt es wohl bei einer Reise nach Ankara, wo sich dieser Tage die Nato-Außenminister treffen. Darüber hinaus aber hatte sich sogar US-Präsident Donald Trump bereit erklärt, in die türkische Metropole zu reisen, falls das für die Gespräche zuträglich wäre. Und er schickte seinen Außenminister Marco Rubio sowie die Sondergesandten Steve Witkoff und Keith Kellogg nach Istanbul.
Die russische Antwort in Form einer Teilnehmerliste für die eigene Delegation wirkt angesichts dessen fast wie ein Affront. Putin schickt nicht einmal seinen Außenminister Sergej Lawrow, sondern ausschließlich Politiker der zweiten Reihe. Die Delegation wird von Wladimir Medinski angeführt, der bereits die ersten Verhandlungen in Istanbul zu Kriegsbeginn – die ergebnislos blieben – für Russland leitete.