Wenn Männer heimlich tippen, während Frauen öffentlich kämpfen, nennt man das nicht Neutralität. Sondern Feigheit.

Prof. Dr. Ekkehart Reimer hat im Juni 2025 gezielt den Wikipedia-Artikel der Juristin Frauke Brosius-Gersdorf – kurz vor ihrer geplanten Nominierung als Richterin am Bundesverfassungsgericht – bearbeitet. Dabei ergänzte er explizit ihre juristischen Positionen zum Schwangerschaftsabbruch in den Artikel. Dies geschah zwölf Tage, bevor die Öffentlichkeit von der Nominierung erfuhr. Reimer begründete die Bearbeitung damit, dass die bisherige Darstellung in Wikipedia zur Person Brosius-Gersdorfs diese Positionen nicht ausreichend wiedergegeben habe. In der Folge kritisierte er Brosius-Gersdorf öffentlich als „Aktivistin“

Diese gezielte Bearbeitung wird als Versuch gesehen, ihre Nominierung negativ zu beeinflussen.

Dazu ein offener Brief:

Zur Wikipedia-Affäre um Ekkehart Reimer und den Versuch, eine Frau im Moment ihrer demokratischen Nominierung zu diskreditieren

„Wenn Männer heimlich tippen, während Frauen öffentlich kämpfen, nennt man das nicht Neutralität. Sondern Feigheit.“

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Ekkehart Reimer,

sehr geehrter Herr Prof. Dr. Stephan Harbarth,

sehr geehrte Damen und Herren im Umfeld des Bundesverfassungsgerichts,

sehr geehrte juristische Öffentlichkeit,

es braucht einiges, um uns bei Wemeze 2.0 fassungslos zu machen. Wir haben gelernt, mit Zynismus umzugehen, mit struktureller Ignoranz, mit der triefenden Herablassung akademischer Zirkel. Aber was sich in der Affäre um die Wikipedia-Bearbeitung zu Frauke Brosius-Gersdorf abspielt, ist eine neue Dimension – eine, die nicht nur das Vertrauen in die Unabhängigkeit rechtsstaatlicher Verfahren erschüttert, sondern tief blicken lässt in die Mechanik männlicher Machtverteidigung.

Ein Juraprofessor, Ekkehart Reimer, greift aktiv in ein laufendes Wahlverfahren zur Besetzung des Bundesverfassungsgerichts ein – nicht, indem er offen Position bezieht, nicht, indem er öffentlich diskutiert oder juristisch argumentiert, sondern indem er sich in anonymer Wikipedia-Tarnung anschleicht, um eine unbequeme Frau als „Aktivistin“ zu brandmarken. Und das wenige Tage vor der Abstimmung.

Man nennt so etwas im Volksmund eine Intrige. Und im juristischen Kontext? Eine Einflussnahme, eine Manipulation, ein Versuch der Delegitimierung. Ob nun rechtlich zulässig oder nicht: moralisch ist es erbärmlich.

Was war die Absicht? Die öffentliche Wahrnehmung zu kippen. Einen Frame zu setzen. Aus einer Verfassungsrechtlerin, die sich für reproduktive Rechte einsetzt – was nebenbei bemerkt nichts anderes ist als eine menschenrechtlich basierte Haltung –, eine Frau zu machen, der man nicht über den Weg traut. Eine Frau, die „zu politisch“ ist, „zu engagiert“, „zu parteiisch“. Anders gesagt: eine Frau, die nicht spurt.

Dass ein Mann wie Reimer glaubt, diese Form der politischen Einflussnahme sei sein gutes Recht – das sagt alles über den Zustand der deutschen Juristerei. Dass so etwas in unmittelbarer Nähe zu den höchsten Organen der Rechtsstaatlichkeit passiert – und dort nicht auf lautstarken Widerspruch, sondern auf dröhnendes Schweigen trifft –, ist nicht weniger als ein Skandal.

Herr Harbarth, wo sind Sie? Sie sind der Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Diese Institution steht – oder sollte stehen – für Integrität, Gleichbehandlung, Transparenz. Wenn aus Ihrem akademischen Dunstkreis heraus gezielt gegen Kandidatinnen gearbeitet wird, die dem konservativen Profil nicht entsprechen, dann reicht es nicht, den Kopf zu senken. Dann ist Schweigen Mitsprache. Und Duldung eine Form von Komplizenschaft.

Frauen, die sich öffentlich für die Rechte anderer Frauen einsetzen, müssen in diesem Land immer noch damit rechnen, diffamiert, reduziert, politisch entwertet zu werden. Aber dass es ausgerechnet in der Juristerei passiert – dort, wo sich Objektivität als Selbstbild wie ein Heiligenschein über alles legt –, ist ein Alarmsignal. Nicht weil wir überrascht wären. Sondern weil es endgültig reicht.

Die Idee, dass Frauen „Aktivistinnen“ sind, wenn sie ihre juristische Expertise mit gesellschaftlicher Haltung verbinden, während Männer wie Reimer offenbar immer noch als neutrale Rechtsgelehrte durchgehen, ist das Symptom eines Denkens, das längst hätte abgelöst werden müssen. Doch es lebt weiter – in Fußnoten, in Hinterzimmern, in Wikipedia-Bearbeitungen.

Wir fordern deshalb nicht weniger als das:

– Eine öffentliche Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts.

– Eine Distanzierung von Reimers Vorgehen, und zwar unmissverständlich.

– Eine Debatte über die politische Verantwortung von Wissenschaftler:innen, die Einfluss auf öffentliche Ämter nehmen.

– Und endlich eine Anerkennung dessen, was alle sehen, aber nur wenige sagen: Dass Macht in diesem Land noch immer männlich verteidigt wird – subtil, aber systematisch.

Es ist an der Zeit, mit diesem Spiel Schluss zu machen. Und mit den Männern, die es spielen.

Mit entschiedener Wut

und solidarischem Blick nach vorn,

Wemeze 2.0

0
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
0 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

1 Kommentare

Mehr von NIUS