"Das Einzige, was Österreicher und Deutsche trennt, ist die gemeinsame Sprache", so Karl Kraus. Darf man sicherlich auch auf die gemeinsamen Nachbarn, die Schweizer erweitern.

Dort heute morgen auf srf2 ein Beitrag über "Worte des Jahres" in 2016:

Für Deutschland sei dies "postfaktisch", als schweizer Entsprechung sei "Filterblase" gekürt worden.

In der folgenden Erklärung dazu: Damit würde die Befindlichkeit und Wahrnehmung dissenter Gruppen beschrieben, die qua Zugehörigkeit zu dieser oder jener newsgroup, als treue Besucher ausschliesslich dieser oder jener website(am besten mehrmals täglich) sich ihre eigene "Realität" schüfen und im Zirkelschluss in sich dieser als Endlosschleife bestätigen würden. Dieses Phänomen ist als Problem bekannt und besorgniserregend, darüber muss nicht gestritten werden. Der Knackpunkt liegt vielmehr hier, in der im schweizer Radio dann folgenden Bezeichnung für solche Leute:

"Andersdenkende Mitbürger"

Eine für deutsche Ohren eher befremdliche Diktion. Hierzulande sind das "Populisten", im Pejorativ natürlich "Rechts-Populisten". "Pack" und "Pöbel" hat man auch schonmal gehört. Davon gilt es sich (und, wer hätte es gedacht, die anderen) abzugrenzen, das muss ausgeschlossen, mit beherzten, moralisch a priori geadelten Kampagnen "Gegen Rechts" zum Verschwinden gebracht werden.

Nun wäre ein Welt ohne Nazis, ohne exklusivistische und identitäre Ideologien sicherlich eine wünschenswerte, vielleicht sogar eine bessere.

Nur: Wohin führen die sich abzeichnenden Versuche, dem dissidenten Rest der Welt den rechten(Verzeihung: muss natürlich richtigen heissen..) Weg zu weisen?

Was soll das abstruse Ansinnen, die social media müssten Algorithmen entwickeln und anwenden, um "fake news" zu "entlarven"(jeder, der in einen solchen Jargon verfällt, hat sich damit schon selbst das Prädikat des Gesinnungsschnüfflers ausgestellt)?

Wer bestimmt, wer stellt fest, was geschrieben, gesagt und diskutiert werden darf? Wer ist die "Super-Nanny" in Sachen Gesinnung? Als schönes aktuelles Beispiel nochmal der Hinweis auf den lesenswerten Beitrag gestern:

https://www.fischundfleisch.com/julbing/meinungsfreiheit-und-die-achse-des-schlechten-29162

Da stellt sich ein Werbefachmann (nein, ich nenne ihn nicht Werbe-Fuzzi) hin, bekundet seine Abscheu "gegen rechts", und schiebt tatendurstig den de-facto-Reklame-Boykott von rechten und "rechten" websites an. So "vorbildlich", dass das Ganze dieser Tage unter der Rubrik "Netzreporter" in der deutschen "Tageschau" vorgestellt wurde. Allein, was fehlt, ist jeglicher Versuch, das, was man für rechts oder "rechts" hält, zu definieren.

Wenn aber die alleinige Behauptung, dass dieses oder jenes "rechts" sei, schon ausreicht als Legitimationsgrundlage solchen Tuns, dann ist dem sektiererischen Wettbewerb um die Position "Noch weniger rechts als weniger rechts" Tür und Tor geöffnet.

Das aber wären Entwicklungen, auf die man wenig anderes als den Terminus "Filterblase" anwenden könnte...

Nochmal: eine weniger rechte und "rechte" Welt wäre vielleicht gar nicht so schlecht.

Der Weg dahin kann aber nur der mühsame, beharrliche Versuch des (so unangenehm es sein mag) Miteinanderredens sein.

Die verbale Entkräftung vorsätzlich falscher Botschaften. Das Zulassen von Selbstreflexion des eigenen, wenn auch sicherlich erstmal "besseren" Standpunkts.

Also die klassischen Mühen der Ebene der immer wieder aktuellen Aufklärung. In Abarbeitung am anderen, so unangenehm und unappetitlich er auch daherkommen mag.

Die Neu-Erschaffung der Welt a la Pippi Langstrumpf -- Wir machen uns die Welt, so wie sie uns gefällt -- hat hingegen bislang nur in Bullerbü funktioniert. Und dass Dinge durch Nicht-Benennung, also durch nicht erfolgten Sprechakt schlicht verschwinden, reflektiert erstmal vor allem recht gut eine der derzeit geglaubten akademischen Legenden.

Natürlich ist es angenehmer und (scheinbar) "effektiver", alles Böse, und das ist heute synonym mit "rechts" wegzufiltern, zu verbieten, aus allen öffentlichen Räumen (und das sind heute vor allem die social media) zu verbannen. Also der Marsch in Richtung Diktatur der Guten.

Am Ende dieses breiten Weges steht aber unweigerlich die elementare Instanz, die ein "1984" erst möglich macht:

Das MIN-TRUTH (ministry of truth).

PS: "Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft", so Tucholsky über die Schwierigkeit, sich gegen "die" zu wehren -- ohne dabei so zu werden wie "die".

Und ganz zum Schluss nochmal Karl Kraus, der sicher klare, eindeutige Ansichten hatte, sich aber dem "einfachen", weil "breitem" Weg verweigerte:

Mein Widerspruch

Wo Leben sie der Lüge unterjochten,

war ich Revolutionär.

Wo gegen die Natur sie auf Normen pochten,

war ich Revolutionär.

Mit lebendig Leidendem hab ich gelitten.

Wo Freiheit sie für Phrase nutzten,

war ich Reaktionär.

Wo Kunst sie mit ihrem Können beschmutzten,

war ich Reaktionär.

Und bin bis zum Ursprung zurückgeschritten.

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