„Ich bin zwar kein Rassist, aber es wäre mir lieber, wenn meine Tochter keinen Neger heiratet.“

Ja, ich bin links. Und ich liebe von ganzem Herzen mein Heimatland Österreich. Meine arme, bedrohte Heimat. Nein, nein, nicht so sehr bedroht von Migranten und Flüchtlingen, sondern vielmehr von der stinkenden braunen Brühe, die gerade wieder aus allen Löchern quillt. Die lässt mich oft verzweifeln und Angst um meine Heimat haben. Ein linker Patriot also. Gibt es das überhaupt?

In meiner Verwandtschaft befindet sich ein dumpfbackiger, engstirniger, rechtsradikaler Vollpfosten, der eine ganz bezaubernde kleine Tochter mit einer türkischen Muslima hat, und dem sein solchermaßen übel besudelter Pimmel trotzdem noch immer nicht abgefallen ist. Hm. Wie geht jetzt das wieder, ohne dass irgendein Gott, wurscht welcher, Blitze herunter schleudert? Mein lieber Neffe, falls jemals deine Burschen an die absolute Macht kommen – was Manitu verhüten möge – dann gibt es solche frevelhafte Rassenschande aber nimmer, das ist dir doch klar, oder?

Erraten, liebe Leute, es geht hier unter anderem um rätselhafte Widersprüche. Um Dinge, die sich nicht recht einordnen lassen in unser schwarzweißes Schubladenkastl. Und im folgenden auch darum, ob es nicht doch manchmal ehrenwert und nötig wäre, Farbe zu bekennen.

Unabhängig voneinander sind mir in den letzten Tagen zwei Texte begegnet, die sich mit dem Thema „Links oder rechts? Ich lass mich in keine Schublade stecken“ befassen. Beide Autoren haben dabei jedoch außer Acht gelassen, dass sie in ihren Analysen doch wieder nur selbst in lauter Schubladen denken. Dass dabei auch noch sehr sonderbare Vorstellungen darüber zutage kamen, wodurch sich linkes oder rechtes Gedankengut eigentlich überhaupt definiert, war nur ein zusätzliches kleines, fast erheiterndes Ärgernis.

Lieber Blogger-Kollege, dessen Namen ich diskret verschweige, nein, du bist keiner, der wacker in der Mitte steht und sich nirgends einordnen lässt, auch wenn du selbst das wirklich glaubst. Dafür ist zu viel Selbstgerechtes und vom Rechtspopulismus Abgekupfertes in deinen „Man muss zwar helfen, aber doch nicht allen“-Aussagen. Und nochmal nein, vegetarisch/vegan zu leben und großen Wert auf biologischen Anbau zu legen ist noch lang kein brauchbares Indiz für eine alles ausgleichende Linkstendenz! Das weiß jeder, der schon ab und zu im sündteuren Bioladen zwischen all diesen dirndlbekleideten einkaufskorbschwingenden ÖVP-Politikergattinnen gestanden und ihre Gespräche mitgehört hat.

Und Sie, liebe Dame, die Sie mir einst in einem Kommentar zu einem meiner Texte geschrieben haben, ich möge doch nicht mein Nest beschmutzen, denn Sie persönlich kennen einige sehr, sehr nette Blau-Wähler: Ja, solche kenne ich auch. Viele. Echt freundliche Leute. Aber was genau wollten Sie mir mit diesem Hinweis sagen? Hitler sagt man nach, dass er geradezu betörend charmant sein konnte. Und er war richtig lieb zu seinen Hunden. Ein sehr, sehr netter Mensch also und daher unbedingt in die Schublade mit den Guten zu stecken, haben Sie das gemeint?

Ja, alles kommt durcheinander. Sicher sind viele Menschen damit überfordert, ihre Position in diesem Chaos zu finden und sich dazu zu bekennen. Es ist ehrenwert, nachdenklich zu sein und sich um eine ehrliche Meinung zu bemühen. Es ist auch okay, sich einen Platz in der Mitte suchen zu wollen. Nur sollte man das Ergebnis dieser Bemühungen nicht hinschludern, sondern wenigstens zu Ende denken und dazu stehen.

„Ich bin zwar kein Rassist, aber…“ „Man ist ja kein Unmensch, aber…“ „Ich bin zwar kein Nazi, aber…“ Völlig egal, was danach noch kommt, es wird immer nur ein Synonym sein für das, was auf der Metaebene wirklich ausgesagt wird, nämlich: „…aber ich bin schon verdammt nahe dran.“ Mein Lieblingssatz, der das Ganze dann noch richtig schön rund macht, ist übrigens: „Das muss man ja wohl noch sagen dürfen.“

Natürlich darf man. Man muss alles sagen dürfen, aber schön wäre es schon, wenn man vor diversen Sagern kurz das Hirn einschalten täte, um abzuchecken, ob man nicht doch gerade so eine Art widersprüchlichen Schwachsinn plappert. Liebe Leute, es gibt keine Entschuldigung für Empathielosigkeit, Gnadenlosigkeit, die Missachtung von Menschenrechten, es gibt keine Entschuldigung für dieses „Mia san mia und Hauptsach uns geht’s guat.“ Solche Geisteshaltung durch ein „Ich bin zwar nicht, aber…“ relativieren zu wollen ist sowas von jämmerlich, das ist, als wolle man uns allen Ernstes auch das Märchen von „ein bisschen schwanger“ glauben machen.

Ja, ich bin links und stehe dazu. Ein linker Patriot, der seine Heimat von Herzen liebt. Ich brauche dazu kein „aber“, genau wie ich keinen Grenzzaun, keine abgewiesenen Hilfesuchenden, kein „Das Boot ist voll“- oder „Alles nur für unsre Leut´“-Geschrei und schon gar keine brennenden Asylwerberheime brauche, um stolz zu meinem Land und zu meiner Kultur stehen zu können, ganz im Gegenteil.

Außerdem bin ich noch einer von diesen unheilbar dummen Gutmenschen, so einer, der sich um „unsere“ einheimischen Obdachlosen schon immer gesorgt hat, und nicht erst neuerdings, seit wir ein Alibi für die Ablehnung der vielen bedürftigen Fremden brauchen. Ja, ich bin so einer, der allein im finsteren Wald allemal lieber einem Haufen syrischer Flüchtlinge begegnen möchte als einem Rudel besoffener Neonazis. Doch fast noch schlimmer als Letztere finde ich dieses lauwarme, gedankenlose „Ich bin zwar nicht, aber…“-Geblubber unserer besorgten Bürger. Schlimmer und beängstigender, weil noch tausendmal gefährlicher.

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