Nach seiner Vorstellung vom Glück befragt, antwortet er:

"Ich brauche kein besonderes Glück. Mir reicht das alltägliche."

Er erklärt nicht, was das für ihn ist, das alltägliche Glück, fügt jedoch nach einem Moment der Stille hinzu:

"Wenn einer einen Streit mit mir anfängt oder einen Fehler macht, dann sage ich trotzdem Dankeschön. Dann ist der überrascht und bittet mich um Verzeihung."

Das "grüne Alter" (88 Jahre) hat er bereits hinter sich, Kadschi mája (97 Jahre), das Alter, in dem man zurückkehrt zu den Gefühlen der Kindheit, noch nicht erreicht.

Er wäre gern im Altersheim. Ein wenig Sicherheit und Gesellschaft täte ihm gut. Aber man hat ihn abgewiesen. Er ist noch zu gesund.

Kein Wunder. Er lebt auf Miyako, der Insel auf der die meisten Menschen über Hundert leben und dabei "gesund sind wie die Bälle springen" (Pingping).

Außer ihm lernen wir noch die 96jährige kennen, die eine Weberei betreibt, in der sie junge Menschen das traditionelle Weben lehrt. Den Hunderteinjährigen, der jeden Tag, ehe er seine Kühe versorgt, einen sanften Frühsport treibt, bei dem wir zuschauen dürfen.

http://img.geo.de/div/image/53144/01_alter.jpg

Und da ist auch noch die Sozialarbeiterin, die schaut, dass es den Alten gut geht. Sie sorgt in äusserster Not für Unterbringung, braucht aber meist nicht mehr als gut zuzusprechen.

Zum Hundereinjährigen sagt sie, er könne doch seine Frau nicht allein lassen. Nicht, dass er solche Absichten geäußert hätte. Seine junge Frau (erst 93) nickt dazu zustimmend.

Etwas später, allein in die Kamera, sagt er mit Blick auf die neuen Zeiten:

"Es hat keinen Sinn, es ist dumm, wenn man sich trennt. Es ist doch klar, dass ich meine Ehefrau liebe."

Nach achtzig Jahren Ehe dürfte daran kein Zweifel mehr bestehen.

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Und ich, die ich immer bemüht bin, fremde Erfahrungen mit den meinen in Einklang zu bringen, lande bei den Psalmen:

Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre, und wenn's köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.

Und ich muss lächeln. Siebzig, achtzig ... da ist noch manches mehr drin.

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