Das Kopftuch (Klappe, die üpzig trillionste)

Im Café gesessen.

Drei nicht mehr blutjunge, deutsche(!) Frauen sprechen übers Kopftuch.

Also, wann es getragen werden dürfte und wann nicht.

Die Eine (frisch pensionierte Spätachundsechzigerin) meint, dass das Kopftuch gerade noch ginge, solange die Frauen studieren. Aber nicht mehr im Klassenzimmer.

Die Andere meint, sie sei in dieser Frage durchaus ambivalent: Warum kein Kopftuch?, fragt sie.

Es sei, so die Eine, zweifellos ein Zeichen männlicher Unterdrückung.

Die Andere zweifelt das an. Sie habe, so ihre Beobachtung, letzthin junge Frauen, sozusagen "frisch" mit Kopftuch gesehen, die früher keines getragen hätten. Hier aufgewachsene Frauen. Jung, studiert, hier sozialisiert.

Die Eine behauptet, dass das der Druck durch die Familie sei.

Nun mischt sich die Dritte ein, die zwar eine Meinung, aber keine Lust auf solch einen Scheiß hat. Sie wollte Kaffee trinken gehen und sich nett unterhalten, aber keine politischen Diskussionen führen. Eine Meinung hat sie aber doch:

"Und was ist, wenn die Frauen das Kopftuch tatsächlich freiwillig tragen?", fragt sie. (Es mag dahin gestellt bleiben, ob sie nicht vielleicht nur aus Überdruss das Thema ein bisschen anheizen will.)

Die Andere fühlt sich verstanden. Sie sagt: "Ja, seit diesen unseligen Kopftuchdebatten in Bezug auf die Flüchtlinge sind es mehr geworden, die Kopftücher tragen. Nicht nur, weil es mehr Muslima sind (hier auf dem Land kommen die eh nicht an), sondern weil sie die Nase voll haben von unserem Genörgel."

Wegen der 2:1-Mehrheit versiegt das Thema, rumort aber offenbar in den Köpfen weiter.

Die Eine erzählt von einem Freund ihres Sohnes. Der habe ein gutes Abitur hingelegt und Ambitionen in Richtung Sonderpädagogik gehabt. Bis seine Familie beschloss, dass es Zeit sei zum Heiraten. Seine Frau, aus der französischen Schweiz kommend, sei in Deutschland sehr unglücklich gewesen. Und dann habe er ja eine Familie zu ernähren gehabt. Also seien sie in die Schweiz gegangen, wo er in der Gastronomie arbeite. Nun sei er nicht sonderlich glücklich. Und inzwischen sind zwei Kinder da. Und sie könne ihn mit denen ganz schön unter Druck setzen.

Die Andere fragt, wie denn so ein Kopftuch Ausdruck von seiner Macht über sie sein könne, wenn doch sie es sei, die über sein Leben bestimmt habe von dem Moment an, in dem sie in seinem Leben war.

Was natürlich nur eine leichte Boshaftigkeit ist.

In Wahrheit denkt sie auf dem Heimweg: "Ist es nicht auch eine Form der Unterdrückung, wenn wir die Frauen zwingen wollen, kein Kopftuch mehr zu tragen, damit sie nicht eine Unterdrückung erleben, die wir nicht im Mindesten verstehen?"

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