Die Angst vor schwarzen Menschen in Bewegung und Schmerzen

Wissen Sie, was Puddings sind?

Nein, nein, nicht lachen oder gar mit den Augen rollen. Ich rede nicht vom Essen.

Puddings sind die kleinen Geschichten in der Zeitung. Manchmal nur irgendwas um die 400 Wörter. Nicht besonders wichtig, wenn es um den journalistisch-informativen Charakter geht. Durchaus jedoch tiefsinnig. Gute Puddingschreiber sind potentielle Romanschreiber, auch wenn sie sich der kleinen Form bedienen und letztlich in der Zeitung nur als Lückenfüller oder Nachtischlieferant auftreten. Sie können ein Kaffeetrinken beschreiben, ohne dass es so langweilig ist wie eben dieses Kaffeetrinken wohl wahrscheinlich war. Und sie können einem das Herz damit anrühren.

Puddingschreiber gibt es im deutschen Sprachraum sicherlich einige, aber es gibt sie nicht als anerkannte Berufsform. Manch einer von ihnen mag sich im Feuilleton-Teil einen Platz behauptet haben; Feuilletons schreibt er jedoch nicht. Die wollen intellektuell und geistreich, nicht aber zwingend herzwärmend sein.

Das erste Mal hörte ich von Puddings in einem Roman*, in dem ich vorhin erst noch einmal nachlas. Ich wollte die dortige Erklärung sehen, wurde aber nicht fündig, weil der Autor wohl meinte, die Sache erkläre sich von selbst. Dieses Buch habe ich in jüngeren Jahren wohl mehr als ein Dutzend mal gelesen. Immer wieder fand ich neue, für mich in eben diesem Lebensabschnitt wichtige, Erkenntnisse. Es zu lesen wärmte mich in allen Altersphasen an. Und es tröstete mich, war da doch von der neuen Evolutionsphase des Menschen die Rede. Vom Menschen als besseres Geschöpf. Und es zeigte ein paar von diesen evolutionären Erstlingen. Dabei hatte es weder Religiöses, noch Esotherisches an sich. Bestenfalls trug es eine Hoffnung in sich.

Aber das war die des Schreibers, die ich zwar nicht so, aber ähnlich, auch in seinen anderen Büchern gefunden hatte.

Immer ging es ihm um den besseren Menschen, der meist nichts mit Religion am Hut hat, sondern einfach nur ein Gespür dafür, was gut und richtig ist in diesem Leben.

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Puddings, so scheint es, gibt es nur im englischen Sprachraum, vielleicht überhaupt nur in Amerika. Ein Land, das außer dem hausgemachten nie einen Krieg auf seinem Boden erlebt und doch so viel Elend gesehen hat. Und deshalb vielleicht viel Trost braucht.

Erzählgewaltige Romanschreiber, große Dichter, Pulitzerpreise und Buchstabierwettbewerbe haben dort einen ganz anderen Stellenwert als hier. Hätte Goethe in den USA gelebt, hätte es nie einen Film mit "Fuck you ..." gegeben.

Auch wenn es inzwischen dort wie hier eine zunehmende Anzahl von Analphabeten gibt, wird diese Kultur gepflegt.

Wie ich heute feststellen konnte. "The New Yorker" scheint eine Ansammlung solcher Geschichten zu sein. Wenige sind von weltgeschichtlicher Relevanz, dafür erzählen viele von Menschen, ihren Erlebnissen, Zielen, Gedanken und Eindrücken.

Und das Beste: "The New Yorker" gibt es jetzt auch filmisch aufbereitet als Serie.

Heute sah ich einen Bericht von Edwidge Danticat . Die eine Bilderausstellung in New Jersey besuchte. Und ihre Betrachtungen hierzu anstellt. Eine Betrachtung über schwarze Menschen in Bewegung und Schmerzen.

Ein schwarzer Körper in Bewegung sei nie ohne Bedeutung, sagt sie, und würde meistens als eine Bedrohung angesehen.

Sie spricht von der Wanderung der Schwarzen im letzten Jahrhundert aus dem Süden in den Norden.

Und sie spricht über aktuelle Fälle der Rassenverfolgung in ihrem Land, das nie aufgehört hat, diese Bewegung als Bedrohung anzusehen.

http://video.newyorker.com/watch/a-short-clip-from-black-bodies-in-motion-and-in-pain

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Obwohl Danticat nicht anklagt, vielmehr bei der Betrachtung von Bildern eine Bestandaufnahme vornimmt, komme ich nicht umhin, mehr als nur Betrachter ihrer Betrachtungen zu sein.

Wann, frage ich, wird der Mensch dieser neuen Evolutionsstufe wohl geboren sein in mehr als nur Einzelexemplaren?

* "Der achte Schöpfungstag" Thornton Wilder

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