Ich erfuhr von ihm aus meiner Wochenzeitung, die sich gerne von dem fern hält, was in anderen Zeitungen steht.
Und ich staunte, denn ich dachte: So etwas gibt es doch nicht mehr.

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Danke!
Diese Art Künstler sind mit Bukowski und Basquiat ausgestorben. Dieses künstlerische Lebenscredo, das Ingeborg Bachmann als „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar.“ formulierte, sei eine Sache von gestern. Denn keiner will heute die Wahrheit noch so genau wissen. Und jene, die Kunst schaffen müssen um jeden Preis und quasi nebenher Lebenserhaltung betreiben, will heute keiner mehr sehen. (Es sei denn, sie wären selbst das Kunstwerk, würden sich Conchita Wurst nennen, medienwirksam Schönheit und Sanftheit zum Programm machen und in den richtigen Fernsehsendungen auftreten. Conchita in der Fischfabrik wollte auch keiner sehen.)
Die Schöpfer dieser Art von ehrlicher Kunst sind bezeichnenderweise Autodidakten. Sie folgen keiner künstlerisch vorgeschriebenen Form und leben am Rande der Gesellschaft. Sie arbeiten als Totengräber, Bauhelfer usf. und beginnen erst dann aufzublühen, wenn sie das Leben nicht nur leben, sondern darüber schreiben, es malen oder sich anderweitig künstlerisch ausdrücken können. Sie haben, das liegt in der Natur der Sache, nie mehr Geld als sie dringend brauchen (eher oft weniger) und kennen die Urgründe der menschlichen Gesellschaft, von denen unsereiner sich gern fernhält.
So genau wollen wir es dann doch nicht wissen. Und sollte uns ihre Kunst unterkommen, erleben wir sie mit diesem schönen Schauer, der bestenfalls wohlwollend zugesteht, dass auch im Hässlichen eine gewisse Ästhetik liegt. Aber meistens mögen wir ihre Kunst nicht, weil wir nicht glauben mögen, dass es so etwas tatsächlich gibt. Da muss dann meist erst ein anerkannter Verleger, Kurator oder so etwas kommen und uns mitteilen, dass das da wirklich und wahrhaftig Kunst ist, weil darin der Schmerz der Welt steckt.
Dass Florian Günther (*1963 in der DDR) dieses Konstrukt der anerkannten Kunst nicht brauchte, ist erstaunlich und zeugt von großem Mut. Sich hinstellen und sagen: „Das kann ich selbst und ich mache es jetzt.“ - beachtlich. Denn so viele reden vom gelebten Traum, aber nur wenige leben ihn tatsächlich.
Günther hats getan und betreibt seit 2010 eine eigene Literaturzeitung („Drecksack“), die - man höre und staune! - tatsächlich Absatz über seinen eigenen Wirkungskreis hinaus findet. (Die letzte Ausgabe ist bereits vergriffen.)
Ich habe mir seinen Fotoband „Reisen ohne Wegzumüssen“ mit nicht allzu großen Erwartungen geordert. Schon der Mut, solcherart Initiative zu entwickeln, fand meine Hochachtung, egal, wie das Resultat ist. Und nun, schon nach einem Tag, halte ich dieses 300 Seiten starke Kunstwerk, das anderen Bildbänden in nichts nachsteht, in der Hand. Die Fotos - schwarz-weiss - sind ganz und gar nicht hässlich, sondern haben auch in der Dokumentation der Armut (eine Reihe Bilder zeigen die Brasilienreise, die G. sich mühsam zusammensparte) eine Würde, die ihresgleichen sucht. (Es kann davon ausgegangen werden, dass sich für die arme Bevölkerung Brasiliens seit damals nichts zum Besseren geändert hat.)
Und ich liebäugele noch mehr mit seinen Gedichten, die so bodenständig und angenehm direkt sind.
Am Limit
Es war Nacht. Und
da saßen wir uns nun
bei Kerzenlicht
in ihrer Küche gegenüber.
Können wir
nicht Freunde sein,
Fridolin?
Ich schüttelte
den Kopf.
Nein?
sagte sie.
Ich kann dich
lieben, sagte ich.
Aber mehr
ist nicht drin.
Angesichts dessen, sage ich mir, wünschte ich mir ein bisschen mehr „Drecksack“ in jedem von uns. Himmelblau und rosarot kann schließlich jeder träumen, aber wahr ist es fast nie.
Kundschaft
Manch einer will die
harten Sachen.
Den nackten Schrei,
roh und brutal wie
ein Verkehrsunfall mit
Toten.
Ein anderer hat es
gern subtil
und zwischen den
Zeilen. Weder klar noch
deutlich. Stets
ein bißchen hintenrum.
Und ein dritter
sucht den hohen Ton.
Das Prätentiöse.
Den ausgestreckten
Zeigefinder
in der Wunde.
Doch sie alle sind
nur Kunden.
Auf der Suche nach
sich selbst
durchwühlen sie
deine Zeilen
wie einen Korb voll
schmutziger Wäsche.
Und wenn sie
sich nicht finden, bist
du schuld.