Eine kleine Geschichte vom Anspruch auf Wahrheit

Einst fuhr ein amerikanischer Rechtsanwalt in eine Gegend, in der es mehr Ziegenhirten als Ziegen gab.

Tatsächlich gelang es ihm, Osama bin Laden, der viel zu neugierig war, was ein amerikanischer Anwalt von ihm wollen können sollte, zu treffen.

Der Anwalt stellte sich als Urheberrechtsanwalt vor und empfahl bin Laden, sowohl seinen Namen, als auch den Begriff Al-Qaida urheberrechtlich schützen zu lassen. Dann würde es künftig immer dann, wenn diese Begriffe zum Zwecke der Profiterzielung genannt würden (und welcher Fernsehsender, welche Zeitung wollten keinen Profit erzielen?) bei bin Laden in der Kasse klingeln.

Osama fragte, was er, der Anwalt, hiervon hätte, woraufhin dieser ihm erklärte, dass er auf Provisionsbasis arbeite und von allem 30% bekäme.

Nachdem bin Laden ihn auf 18% herunter gehandelt hatte, unterschrieb er die Vollmacht.

Ab da überzog der Anwalt alle möglichen Medien, die es erst nicht glauben mochten, dass das gehen sollte, mit Unterlassungsverfügungen.

Sie glaubten es, als der Anwalt ein Verfahren nach dem anderen gewann.

Ab da wurden junge, eifrige Journalisten, auch wenn sie stolz das Ergebnis ihrer Recherchen hervorzeigen konnten, regelmäßig von ihren Redakteuren zurück gepfiffen.

"Woher weisst du so genau, dass es keine Gasleitung war, die da explodiert ist?", fragten sie, und hatten doch keinen Zweifel, aber Angst vor dem eigenen Untergang.

Als der Anwalt seinen Klagefeldzug auch noch auf den Begriff Terror auszuweiten begann, da ja doch Terroranschläge eines bestimmten Ausmaßes zweifelsfrei eine Erfindung von bin Laden gewesen waren, gab es nurmehr tragische Unglücke.

Osama bin Laden, dem die Entwicklung durchaus aufgefallen war, rief seinen Anwalt an, um ihm das Mandat zu entziehen.

Es sei ja nun nicht Sinn und Zweck von Terrorismus, wenn keiner drüber spräche. Die Menschen sollten Angst haben, sich Gedanken machen. Und der Nachwuchs solle kommen.

Woraufhin der Anwalt erwiderte, dass so etwas telefonisch nicht ginge. Und nein, er könne gerade nicht kommen, weil er so beschäftigt sei mit all den Klagen. Natürlich könne er, bin Laden, gerne jederzeit kommen.

Stattdessen schickte bin Laden einen Bevollmächtigen, ausgestattet mit allerhand Papieren.

Dem erklärte der Anwalt, dass er wohl nicht würde aufhören können.

Und er erklärte auch, warum.

Nachdem seine ehemalige Kanzlei mitsamt Bruder und Kollegen unter den Trümmern der Twin Towers untergegangen waren, hatte er alle möglichen Mandate von Opfern übernommen. Aber seinem Gefühl nach habe sich nichts geändert.

Erst bei einem Kletterausflug in die Berge habe er die vollkommene Klarheit erlangt. Er habe nur das Allernötigste dabei gehabt, keinen Kontakt zur Zivilisation. Vierzehn Tage lang. Erst nach seiner Rückkehr habe er von Madrid erfahren. Da sei ihm klar geworden, was zu tun ist.

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Die Geschichte, die ich nur stümperhaft nacherzählte, ist von Andreas Eschbach ("Al-Qaida" ).

Mitten in der Nacht, als ich sie hörte, fragte ich mich plötzlich, wem denn all diese Möchtegern-Kriegsberichterstatter auf dieser Welt einen Dienst erweisen. Und ob der Kampf um unseren Anspruch auf Wahrheit, die niemandem nützt, mehr wert ist als der Kampf gegen den Terrorismus. Die gleiche Frage stellt sich auch in Bezug auf Kopftücher etc.

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fischundfleisch

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Fischer Horst

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