wenn ich sonntag morgens auf dem balkon stehe und die erste zigarette rauche, gehen mir alle möglichen dinge durch den kopf. während ich über häuser und die weite landschaft schaue, führe ich einen inneren dialog. der da auch schon sehr simpel sein kann. ich schimpfe z.b. mit der krakelenden krähe auf dem hausdach gegenüber, dass sie sich fortscheren soll, weil sie auf dem platz der amsel sitzt. oder so.

dann kommt mir schon auch manchmal f+f in den sinn, weil ich gleich den pc anmachen und nachschauen werde, was da so stattgefunden hat. nicht, dass ich etwas neues erwarten würde. die themen sind seit einem jahr mehr oder weniger gleich: flüchtlinge, bp-wahl (inzwischen auch manchmal die deutsche), rechts und links, flüchtlinge, rechts und links, gender, rechts und links, flüchtlinge ...

schon lange habe ich in dieser sich einfältig gebenden welt es aufgegeben, mich in dieses rechts und links zu verorten. wenn die tatsache, dass es mir schon lange klar ist, wie die welt jenseits des äquators aussieht, mich zur linken macht, na, dann ist es halt so.

obwohl ich keine von denen war, die jubelnd an bahnhöfen standen. genau genommen habe ich bis heute noch kaum flüchtlinge gesehen. obwohl im nachbarort ein lager war. konzipiert für tausend, was im ländlichen raum schon beängstigend wirkt, sollen dort nie mehr als dreihundert gewesen sein. aufs land wollen sie ja nicht, sagt man. inzwischen ist dieses lager genau wie viele andere geschlossen. wo sind die?, frage ich mich, was machen die gerade? und denke dabei an diese nächtliche sendung von verzweifelten jungen menschen, die herkamen, um sich einzuleben und doch schon monate lang auf den sprachkurs warten mussten. denn den kriegen sie erst wenn ihr flüchtlingsstatus bestätigt und sie anerkannt sind. was, frage ich mich, macht man in dieser sich wie kaugummi ziehenden zeit, in der man gar nichts darf, in der eigeninitiative abgeschmettert wird (einer von ihnen hatte sich um den sprachkurs selbst gekümmert und wurde dann woanders hin verschoben), in der man erfährt, dass man nicht so gewünscht ist, wie man es nach manchen berichten hoffen durfte? was erzählt man denen daheim, die ja auch warten und die alles zusammen gelegt hatten, was sie aufbringen konnten, damit man auf die große reise gehen kann, denen es inzwischen nicht mehr genug ist, einen überlebend zu wissen, die fortschritte sehen und etwas positives hören wollen?

währenddessen dreht sich im mitteleuropäischen durchschnittsgehirn alles nur um sich selbst, um die vielen gefahren, den futterneid, letztlich um die angst vor dem unbekannten. nicht, dass ich es nicht verstünde. auch ich bin zuweilen ärgerlich, wenn ich sehe, wie um mich herum möbelwagen auffahren und menschen in fremden sprachen als neue mieter herankarren. aber die sind weder außen schwarz, noch sprechen sie arabisch etc. das sind türken, bulgaren, polen, denen es auch schon schwer fällt, die einfachsten spielregeln, die wir alle immer für normal hielten, zu begreifen. warum, verflixt!, muss dieser neue nachbar im nebenhaus abends um elf bohren? kann der das nicht am tag machen, wenigstens vor zehn? (was schon schlimm genug wäre, aber immerhin ein zeichen guten willens.) aber: woher soll der wissen, dass unsere hausordnungen für uns so fest geschrieben sind, als seien sie in stein gemeisselt?

der pakistanische geschäftsmann, der eines der geschäfte unten bezogen hat und vermutlich bereits seit jahren da ist, grüßt inzwischen jedenfalls freundlich und nimmt tagsüber meine pakete entgegen.

mir fällt der roman ein, den ich letzte woche hörte, da war auch von "dieser linken presse" die rede. allerdings spielte der in den usa und war aus 2015. ich habe lachen müssen: was links ist, wissen die amis doch gar nicht, habe ich gedacht. die zogen nie den bestand des kapitalismus in zweifel. und mir wurde klar, dass links mit dem alten links nichts mehr zu tun hat. nicht mehr das allergeringste. was aber das neue links bedeutet, erschließt sich mir noch immer nicht. reicht es, einfach nur dinge in frage zu stellen, um links zu sein? denn rechts hat sich kaum verändert. wer sich rechts nennt, meint ja immernoch konservativ sein, an den bestehenden formen (die sich längst verändert haben) festhalten. kein mensch käme auf die idee, obwohl viele das noch nicht verstanden haben, einen rechten mit einem nazi gleich zu stellen. oder doch?

die welt wandelt sich, denn so kann und wird sie nicht bleiben. und wir halten ängstlich an unseren schönen alten zeiten fest, die ja nur deswegen so schön waren, weil die welt so war, wie sie nicht bleiben kann.

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Markus Andel

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