Wenn ich über die Stadt schaue, ist da dieses eine Fenster, hinter dem eine Frau steht. Scheinbar unermüdlich bewegt sie das Bügeleisen mit gleichmäßigem Schwung und betrachtet ihr Werk beinahe andächtig. Regelmäßig hebt sie die Wäschestücke fast liebevoll an und ordnet sie auf dem Bügelbrett neu. Schwingt den Arm, hebt an, streichelt über den glatten Stoff und glättet den, der noch nicht gebügelt ist, damit keine Falten entstehen.

Sie bügelt nur und ausschließlich große Stücke. Und dass sie es in dieser Menge und mit solcher Häufigkeit tut, lässt darauf schließen, dass sie mehr als nur eigene Wäsche bügelt.

Vor meinem inneren Auge entsteht das Bild früherer Büglerinnen, die sich auf diese Weise zu Hause Geld verdienten, weil sie der Kinder wegen nicht außer Haus arbeiten konnten. Auf dem Ofen stand stets ein Bügeleisen zum Aufheizen, während das andere in Benutzung war. War das eine abgekühlt, wanderte es auf den Ofen und das von dort wurde in Benutzung genommen.

edgar degas die büglerin

Auch wenn diese Frau da hinter dem Fenster so leicht und ein wenig verträumt aussieht, verkenne ich nicht, wie schwer der Job ist, wie sehr er in die Knochen geht. In den Arm, der nie ein Krafttraining brauchen wird, in Beine und Rücken, die vom stundenlangen Stehen sicherlich schmerzen.

Und ich frage mich, warum man sich das heute noch antut. Schon meine Mutter brachte in meiner Kindheit die auf der Wiese (in den ersten Jahren sogar liegend; dieses Rasenstück hieß Zeit meines Lebens "Wäschebleiche" ) getrockneten großen Wäschestücke in die Heißmangel. Die Kunst bestand nicht darin, zu mangeln, sondern darin, die Wäsche richtig, das heißt: glatt bis in die innersten Lagen hinein, in die Mangel "einzufädeln". Denn waren die Stücke erst einmal in der Mangel, konnte man nichts mehr richten. Und faltig gelegte Wäsche kam mit noch schlimmeren Falten heraus. Jedenfalls ging das so viel schneller als bügeln. Und es duftete so gut wie nichts seither wieder.

Während der pfirsichfarbene Himmel sein Licht dimmt und schließlich ganz den freundlich gelben Straßenlaternen weicht, sticht das grelle Neonlicht des Bügelzimmers unter dem Dach, das keinen anderen Zweck zu haben scheint, aus der Dunkelheit hervor und wird erst nach Mitternacht gelöscht.

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