Ist das Kunst oder kann das weg?

Ich war heute tapfer.

Seeehr tapfer.

Weil ... erst halb zwei ins Bett gehen und dann doch vor dem Aufstehen aufstehen, naja, Sie verstehen.

Schuld sind die im Fernsehen.

Die, soviel ist mal klar, ihren Bildungsauftrag schon erfüllen.

Aber eben nicht bei der berufstätigen Bevölkerung, sondern den anderen, die halt morgens ausschlafen können. Böse Zungen würden behaupten: Aber die schauen doch nur HartzIV-Fernsehen. Aber wer weiß? Einen Versuch ist es jedenfalls wert, immer mal wieder.

Ich also todesmutig aufgeblieben, mich in das nicht für bestimmte Fernsehprogramm eingeschlichen und diesen Bericht über Plastik geschaut. Von einem, der beginnt mit: "Mein Großvater hat mich gelehrt, Plastik zu lieben."

Was imgrunde jedem ein beifälliges Nicken entlockt: Plastik ist so praktisch, so hygienisch, so leicht, so was auch immer. Und schön bunt oft obendrein. Haben wir nicht alle irgendwann einmal fröhlich gelächelt, wenn irgend so ein Baby mit Inbrunst an irgend so einem Plastikdingens luschte. "Ach, wie niedlich!"

Naja, irgendwann glaubten die Leute auch, man könne sich vorm Niedergang einer Atombombe unter einem Tisch schützen.

Die Crux mit dem wissenschaftlichen Fortschritt ist, dass wir seine Nachteile viel zu oft erst merken, wenn wir sie schon am Hals haben. Ob nun Atommüllfässer, von denen keiner so richtig weiß, wohin mit ihnen. Oder eben Plastik, das schon auch 500 Jahre braucht, um abgebaut zu werden. Bis dahin flattert es durch die Gegend, schwimmt in den Meeren herum. Tötet jede Menge arglose Tiere. Und setzt sich in unsere Erbmasse und Blutbahnen.

Werner Boote ist für seinen Film um die ganze Welt gereist, hat mit Wissenschaftlern geredet, Plastikherstellern (die wollten dann aber nicht mehr), Familien gebeten, ihr ganzes Plastikzeugs mal eben vor die Tür zu stellen (Sie glauben nicht, wie viel Plastik sogar in eine indische Slum-Hütte passt!) und in Mikroskope geschaut.

Da kann einem schon ganz schön übel werden!

Nicht, weil ich jetzt noch Angst davor hätte, dass mir ein Penis wächst. (Und sowas passiert in der weiblichen Tierwelt durchaus.) Sondern weil kein Mensch wirklich weiß, was diese ganzen Phtalate, Biphenol-Pferz und Krams schlussletztlich mit uns machen.

Nicht, dass wir das nicht irgendwie ahnten oder gar wüssten. Aber wir verdrängen es doch im Alltag meisterhaft.

Beim Zuschauen gestern ist mir allerdings dann doch die Lust auf das Wasser aus der Plastikflasche vergangen ...

Ich würde ja niemanden mit diesen Binsenweisheiten belästigen. Und irgendwie wird ja alles gut, sollte man annehmen. Denn gerade sah ich Fernsehen (3Sat), dass sie in Nord- und Ostsee eine "Plastik-Inventur" machen. Was ja doch ein Anfang ist.

Richtig sauer aber bin ich geworden, als ich den Christo sah. Der in seinem Leben ohnehin schon viel zu viel Müll erzeugte, den er "Kunst für den Moment" nannte. Schnell fotografieren, ehe das Zeugs kaputt geht und durch die Gegend flattert. Egal ob Reichstag, Central-Park oder was auch immer. Nirgendwo steht geschrieben, dass Christo und Freunde hernach mit dem Besen durch die Landschaft zogen und alle(!) Reste seiner Verpackungskunst wieder zusammen gekehrt haben. Womöglich hielt der den durch die Gegend flatternden Restmüll auch noch für Kunst, den man verkaufen soll wie Mauerreste?

Herr Christo jedenfalls hatte jetzt die ganz tolle Idee, man solle doch übers Wasser gehen können. Weshalb er über irgend so einen italienischen See eine Luftkissenbrücke aus, ja, natürlich, Plastik gebaut hat. Superprima Idee, die wieder einmal beweist, dass Kunst (ne, das ist keine Kunst!) aber auch gar nichts mit Denken zu tun hat. Oder mit Gesellschaftskritik oder was auch immer.

Die Anwohner da an dem italienischen See werden demnächst viel Spaß mit dem Aufräumen ihrer Strände haben. Weil irgendwie zerfatzt es dem Christo seine Machwerke immer, ehe auch nur irgendwer die Gelegenheit bekommt, den geordneten Abbau anzutreten.

Aber davon spricht natürlich keiner.

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Globetrotter

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Margaretha G

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fischundfleisch

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tantejo

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