In diesen Tagen sollte Ruhe einkehren. Das Leben bedachter verlaufen. Zeit sein, ein Licht anzuzünden und damit nicht anzugeben. Ich verbrachte einige Stunden mit meinem besten Freund in einer Konditorei, ohne an die Zeit zu denken. Wir sprachen über Filme, schwere Zeiten, das Prinzip Hoffnung und die Kraft der Musik. Währenddessen strebten viele Menschen an Nebentische, doch sie blieben nicht lange beisammen. Einige wenige Minuten Geruhsamkeit, mehr scheint wohl nicht drin zu sein. Das Leben im Hamsterrad bei ständiger Bereitschaft, noch einen Zahn zuzulegen, vernichtet jegliche Chance innerer Ausgeglichenheit. Die Macht der Gewohnheit sorgt für Eiltempo. Aber siehe da, mir fiel eine Dame mittleren Alters auf, die ihre Eiernockerln genüßlich verspeiste. Sie schlang nicht, sie genoß. Das vermag auch der Advent, wenn wir es zulassen: Das Leben mit allen Sinnen zu genießen, bereit zu sein für die Vorfreude auf Weihnachten. Ein Geburtstag wird dann gefeiert, ein Baby vermag unsere Herzen zu berühren, das wie wir alle das Leben vor sich und seine ureigene Aufgabe zu entdecken hatte. Der Mensch erblickt nicht als Griesgram, als Hektiker, als Leistungswilliger, als Arbeitstier, als sich selbst entfremdetes Geschöpf das Licht der Welt. Jeder Mensch ist dazu aufgerufen, sich in der Adventzeit wieder dieses kleinen Menschleins zu entsinnen, das er einmal gewesen ist. Und dann kann endlich die Sehnsucht entstehen, ein neuer Mensch zu werden. Philosophische Gespräche sind auch nichts anderes als Versuche, das Leben als das zu begreifen, was es ist. Die Dame mit den Eiernockerln hat, zumindest war dies mein Eindruck, die Zeit mit sich selbst als Bereicherung betrachtet. Und ein Baby schlummerte einstweilen friedlich in einem Kinderwagen keinen halben Meter von unserem Tisch entfernt, unbeeindruckt vom Lärmpegel, der sich in einer gut besuchten Konditorei ergeben kann.

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fischundfleisch

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Kristallfrau

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Daniel Guttmann

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