Ich mag das Wort „Shitstorm“ ja nicht. Es ist ein ausgelutschter Begriff, der inflationär verwendet wird. Ein Politiker postet etwas auf Facebook und jemand widerspricht? „Shitstorm“. Natürlich gibt es auch die „echten“ Shitstorms – und die plagen momentan die österreichische Gesellschaft. Denn vor allem hetzerische Kommentare gegen Asylwerber und Migranten heizen die Stimmung in Österreich weiter auf.

Nun fällt es leicht, sich dagegen zu stellen. Hetze sollte in Österreich keinen Platz haben und nicht salonfähig werden – auch, wenn die Kommentarspalten von HC Strache und den Boulevardzeitungen eine andere Sprache sprechen. Auch ich finde es gut, dass Firmen wie Porsche, Spar und das Rote Kreuz sich entschieden gegen Fremdenfeindlichkeit stellen – gerade beim Roten Kreuz finde ich das wichtig, weil sich das nicht mit „Aus Liebe zum Menschen“ verträgt.

Dazu passend wurde in den letzten Tagen auch der Kommentarvon Tagesschau-Moderatorin Anja Reschke geteilt, der sich für einen neuen „Aufstand der Anständigen“ einsetzt. Sie spricht stellvertretend für alle, die die Hetzer nicht mehr passieren lassen wollen.

Aber so Stellung zu beziehen, reicht nun mal nicht aus.

Das oft gezeichnete Bild über dieses Internet-Phänomen empfinde ich als viel zu schwarz/weiß. Auf der einen Seite die Hassposter und Hetzer, auf der anderen Seite die linkslinken Gutmenschen. Wobei das natürlich je nach Perspektive auch besorgte Bürger bzw. Humanisten sind. So einfach ist das also nicht.

„Asylskeptiker“ und echte Hetzer

Selbstverständlich ist Verhetzung im Internet ebenfalls ein ernstzunehmender Tatbestand für die Justiz und sollte auch geahndet werden. Andererseits haben die Vertreter der „Hassposter“, die diese Grenze zur Verhetzung noch nicht überschritten haben, nun Angst vor „Meinungszwang“. Wenn Justizminister Wolfgang Brandstetter sagt „Wer Hass säht, wird Gefängnis ernten“, kann man sich als einer der „normalen“ Asylskeptiker schon fürchten.

Und ja, ich verstehe, wenn ihr jetzt beim Wort „Asylskeptiker“ würgen müsst. Ich mag es nämlich auch nicht. Es bietet den Hetzern und Rassisten in Europa eine Art Schutzschild, hinter dem sie sich verstecken können. Ähnlich, wie die FPÖ ihre Ausländerfeindlichkeit als „inländerfreundlich“ bezeichnete, können sich jene, die Hasstiraden ins Internet stellen, hinter ihrer vermeintlich demokratischen und wertvollen Meinung verstecken, sie seien „asylskeptisch“.

Zweifellos sollen die Menschen bei ernsthafter Hetze – im Internet wie im „Real Life“ – die Konsequenzen tragen. Aber das heißt nicht, dass man offensiv „Jagd machen“ soll auf jene, die der Aufnahme von weiteren Asylwerbern nicht so wohlwollend gegenüberstehen wie wir. Jene, die diese Meinung vertreten, bewegen sich in einem Rahmen, der für die Politik unangenehm ist – aber das muss man aushalten. Wer gegen Asylwerber schreibt, ohne diese als „Dreckspack“, „Ratten“ oder Ähnliches zu bezeichnen, hat das Recht, diese Meinung kundzutun.

Meine Erfahrung mit den „Asylskeptikern“

Viele werden das lesen und sich „No na, eh klar“ denken. Mir ist es aber wichtig, das klarzustellen. Das hat zweierlei Gründe.

Vor kurzem war ich im Rahmen eines Forschungsprojektes in einer Einrichtung für „Betreutes Wohnen“ und habe dort mit Senioren und Seniorinnen über Migration und Sicherheit gesprochen. Mir war dabei wichtig, ihre Meinungen zu erfassen – wie sie Einwanderung generell sehen und ob sie sie als Sicherheitsthema empfinden. Da ich das im Rahmen der Wissenschaft erforschte, war es nicht angebracht, mich in diese Meinung einzuschalten und sie zu kommentieren – ich versuchte, alle gleich zu behandeln und mir ein objektives Bild ihrer Meinung zu machen.

Dabei habe ich bemerkt, dass sich die älteren Menschen vor allem für migrationskritische Standpunkte rechtfertigten – auch, wenn ich ihnen versicherte, dass sie das nicht müssten. Viele meinten, ein fixes „Nein“ zu Asyl sei herzlos, gefolgt von diversen „Aber“. Viele würden gerne zuerst den österreichischen Obdachlosen helfen, den Arbeitslosen wieder Arbeit geben. Erst danach könne man auf die zweifellos armen Menschen auf Kriegsgebieten schauen.

Ich verstehe den Einwand und würde diesen Menschen niemals ernsthafte Fremdenfeindlichkeit unterstellen – auch, wenn ihr Standpunkt in dieselbe Richtung geht wie die der „Hassposter“.

Meine Erfahrung mit den „Gutmenschen“

Die andere Erfahrung bezieht sich auf einem aus dem Lager, das oft als „Gutmenschen“ bezeichnet wird. Wobei ich „guter Mensch“ eigentlich nicht als Beleidigung empfinde.

Auf Fisch+Fleisch publizierte diese Person regelmäßig satirische Beiträge in Richtung rechtes Lager – und erntete dafür Kritik. Mir schrieb diese Person kurz darauf, diese Seite sei „von Identitären unterwandert“, und sowieso wisse sie jetzt, woher der Wind bei Fisch+Fleisch wehe. Schlicht, weil ihr jemand widersprochen hat, stempelte diese Person die ganze Plattform und alle, die ihr widersprachen, als rechts und den Identitären zugehörig ab. Die Kommentare, die ich gesehen habe, waren zwar persönlich, hatten aber mit Hetze oder Mobbing nichts zu tun. Ich selbst war schlimmerer Kritik ausgesetzt und denke, auf einer Meinungsplattform muss man das aushalten.

Diese Person ein gutes Beispiel für die teils verblendete Art, die den vermeintlichen „Humanisten“ bzw. Asyl-Befürwortern oft das Image einbringt, Gutmenschen zu sein, die den Sinn für die Realität verloren hätten. Selbst zähle ich mich durchaus zu dem Lager, das eine gerechte und menschenwürdige Unterbringung und Verteilung für Asylwerber fordert. Einen Asylstopp lehne ich ab. Dennoch verstehe ich, warum die aus dem vermeintlich „anderen Lager“ Vertretern meiner Meinung manchmal skeptisch gegenüberstehen. Denn beide Seiten haben einen sehr ideologisch verzerrten Blickwinkel. Ich versuche immer, das zu vermeiden.

Meine Vorstellung eines Diskurses

Natürlich ist das nicht einfach. Nicht nur beim Thema Migration, das ja irgendwie das Diskussionsthema in Österreich ist, seit ich mich überhaupt für Politik interessiere. Auch in sachlicher geprägten Debatten wie zum Beispiel zu Wirtschaftsthemen krachen immer wieder ideologisch geprägte Standpunkte aufeinander – man sehe sich Argumente Pro / Contra Vermögenssteuer an. Ein anderes Beispiel wäre TTIP.

Das funktioniert so nicht. Das Besondere beim Migrations-Thema ist aber, dass wir die Lagerbildung momentan gezielt suchen und verschärfen. Die Taktik des Belächelns hat nicht funktioniert – jetzt gehen wir in die Offensive gegen Hetzer, wir zeigen es ihnen richtig. Dabei graben wir unsere Gräben nur noch tiefer und sorgen dafür, dass sie es uns gleich tun. Wir werden keinen einzigen Rassisten überzeugen, wenn wir ihn in den Kommentarsektionen der „Heute“ als Rassisten bezeichnen. Das bestätigt ihn nur in der Annahme, wir seien alles verblendete Linke.

Ich plädiere für einen etwas differenzierteren Umgang mit dem Thema. Was natürlich wieder eine ausgelutschte Floskel ist, ähnlich wie das mit dem Shitstorm. Dennoch ist es nicht zielführend, allen Asylskeptikern den Stempel „Hetzer“ aufzudrücken. Das vertieft nur die ideologischen Gräben und schadet dem Niveau des Diskurses. Wenn wir wirklich etwas ändern wollen, hilft ein sachlicherer Diskurs ohne Pauschalverurteilungen und Untergriffigkeiten. Und eine gesellschaftliche Atmosphäre, die etwas weniger den Krieg zwischen den Meinungen schürt.

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