Wozu Wahlempfehlungen?

In einer Facebook-Diskussion zum Thema Wahlempfehlungen der Nicht-Stichwahlkandiaten fragte vor Kurzem ein User, nicht ganz zu Unrecht, wozu mündige Bürger denn überhaupt eine Wahlempfehlung benötigen würden? Und ganz klar, eine Wahlempfehlung im Sinne eines „ihr müsst den wählen“ wäre natürlich auch ein Schwachsinn.

Einen entscheidenden Vorteil hat die Sache aber schon. Ich habe auf die Frage des Herren damit geantwortet, dass es mit einer Empfehlung leichter wäre, eine Werteübereinstimmung herauszufinden. Also in dem Sinne: Ich mag X – X sagt, dass Y sehr ähnliche Positionen vertritt. Das wäre dann natürlich schon ein starkes Signal. Vor Allem vor dem Hintergrund, dass sich ja alle Wähler vor der Wahl ernsthaft damit beschäftigen, ob der gewählte Kandidat ihre Werte vertritt.

Natürlich ist so eine Wahlempfehlung niemals eine Handlungsaufforderung, das darf Sie auch nicht sein (wäre auch demokratiepolitisch schwer bedenklich). Aber zu wissen wem die Person, welcher ich die Kompetenz zugesprochen hätte Österreichs höchstes Amt zu führen,ihr Vertrauen ausspricht, ist ein guter erster Anhaltspunkt.

Wie man nun auch immer zu solchen Empfehlungen und dem Bekennen, wen man wählen würde, steht, es kann nicht schaden einen genauen Blick auf diese Punkte und auch auf generelle Übereinstimmungen zwischen den Kandidaten zu werfen. Genau das werde ich in diesem Beitrag, zuerst für Rudolf Hundstorfer und Alexander Van der Bellen, versuchen.

Ich lege eines auch gleich am Anfang klar: Ich persönlich werde am 22.Mai mein Kreuz für Van der Bellen machen. Deshalb schreibe ich diese Artikel klarerweise in Bezug auf ihn, aber nicht zwangsläufig rein für Ihn. Genauso werde ich Punkte ansprechen, welche die Kandidaten eher voneinander trennen. Prinzipiell sehe ich die Werte des Großteils der Nicht-Stichwahl Kandidaten aber doch stärker von Alexander Van der Bellen vertreten, soviel vorab. Natürlich werde ich als Einzelperson wohl auch nicht die Qualität oder den Umfang von Services, wie z.B der bekannten Seite wahlkabine.at, erreichen.

Man kann es aber nicht oft genug sagen: Wem Sie am 22. Mai Ihr Kreuz geben, ist natürlich Ihre Sache.

Kurzzusammenfassung (aka „Markus, so viel Zeit hat niemand!“):

Es findet sich eine sehr starke Überschneidung von Zielen und Werten zwischen Rudolf Hundstorfer und Alexander Van der Bellen. Da auch Herr Hundstorfer selbst gesagt hat, dass er Van der Bellen wählen wird, bestätigt das meine Ansicht. Wähler von Rudolf Hundstorfer werden zusammenfassend also durchaus deutlich auch von Alexander Van der Bellen vertreten.

Unterschiede sehe ich in der starken Verankerung Hundstorfers in einem Parteienapparat und dem aktiveren Amtsverständnis von Van der Bellen, bezogen auf die Frage der Angelobung von Parteien. Das, plus mein Vertrauen in Van der Bellens wirtschaftliche und Bildungskompetenz (zum Beispiel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit), waren übrigens auch meine Gründe bei der Wahl Van der Bellen zu wählen.

Themen und Positionen

Alle Informationen stammen von Aussagen der Kandidaten selbst oder Aussagen auf deren Homepage, siehe Quellen.

Die Rolle des Bundespräsidenten:

Hundstorfer hat die tiefe Überzeugung, dass Probleme immer nur gemeinsam lösbar sind und sieht die Rolle des Bundespräsidenten daher als einen engagierten Vermittler. Als Bundespräsident wollte er Österreichs Position in der Welt ausbauen und wirtschaftliche Kontakte in der Welt stärken. Van der Bellen sieht den Bundespräsidenten als eine Stimmte der Vernunft. Der Amtsinhaber solle sich nicht als Besserwisser gebärden und zum Moralapostel und Oberlehrer aufspielen. Wie wir alle zu Genüge wissen, und was auch mehr als oft besprochen wurde, würde er sich aber bei Gefahr für die Republik auch schwierigen Themen aktiv stellen. Generell sieht er es als Aufgabe des Bundespräsidenten für eine Machtbalance im Staat zu sorgen. Der Präsident sollte die Parteien dabei unterstützen gemeinsam für Österreich zu arbeiten.

Beide Kandidaten zeigen, so wie ich das sehe, ein aktiv vermittelndes Bild eines Bundespräsidenten, der auch die Parteien zur Kooperation und Handlung mitbewegt. Ob sich das sehr stark vom Verständnis eines Heinz Fischer unterscheidet kann ich nicht sagen, da ich nicht weiß, wie oft Herr Fischer mit der Regierung gesprochen hat. Der auffälligste Unterschied ist hier wohl klar, die Ankündigung Van der Bellens einer, von ihm als europafeindlich wahrgenommenen, Partei nicht einfach die Macht zu übertragen. Wie man das wahrnimmt ist natürlich individuell, für mich war dieser Mut sich auch „gegen“ eine (relative) Mehrheit zu stellen (weil sie gefährlich ist – nicht weil sie FPÖ heißt) ein zentraler Punkt in meiner Wahlentscheidung.

Die Europäische Union

Viele globale Herausforderungen können, laut Rudolf Hundstorfer, nur mehr im Zusammenschluss mit anderen Staaten und Institutionen gemeistert werden. Daher wollte er an einer Europäischen Union mitarbeiten, welche vor Allem in Krisensituationen entscheidungsstark, solidarisch und rasch anpackt. Van der Bellen ist der Ansicht, dass ein Europa welches gemeinsam zusammenarbeitet, sowohl aus friedenspolitischen, als auch aus machtpolitischen Gründen, wichtig sei. Es gebe an der EU zwar viel zu kritisieren, aber die großen Fragen von Klimaschutz bis sozialem Zusammenhalt können nur auf EU-Ebene gelöst werden, nicht von Nationalstaaten alleine.

Von beiden Kandidaten kommt in dieser Frage also ein klares Ja zur Europäischen Union, welche in wichtigen Situationen gemeinsam zusammenarbeiten sollte.

Bildung

Für Rudolf Hundstorfer müssen hier die Weichen in die Zukunft gestellt werden. Ausbildung und Qualifikation werden einen noch höheren Stellenwert einnehmen als bisher. Van der Bellen möchte, dass „junge Menschen in einem Land aufwachsen, das ihnen die Chancen und Möglichkeiten bietet, die jeder und jede von ihnen verdient. Eine gute Ausbildung, gute Jobaussichten und ein Leben in einer friedlichen, solidarischen Gesellschaft.“

Beide Kandidaten sprechen sich hier also klar für einen starken Fokus auf Bildung und Ausbildung aus.

TTIP

Rudolf Hundstorfer lehnt internationale Abkommen ab, wenn durch diese Arbeitnehmerrechte und zu Recht bestehende Schutzstandards untergraben werden können und Schiedsgerichte außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols agieren sollen. Auch Alexander Van der Bellen steht TTIP entgegen anderer Vermutungen äußerst skeptisch gegenüber. Insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit, aber auch bei anderen Standards wie z. B. Gesundheits- oder Arbeitsschutzrechten darf es zu keinen Verschlechterungen kommen. Die im Rahmen von TTIP diskutierten Schiedsgerichte lehnt er ab, da er die österreichischen und europäischen Rechtsnormen für ausreichend hält.

Beide Kandidaten stehen TTIP und potentiellen Verschlechterungen in Bereichen wie Gesundheit und Soziales negativ gegenüber. Auch Schiedsgerichte werden von beiden Kandidaten klar abgelehnt.

Die Flüchtlinge und die Union

Rudolf Hundstorfer gibt zu bedenken, dass es in der Flüchtlingsfrage letztendlich eine gesamteuropäische Lösung geben muss. Da dies aber aktuell nicht funktioniert ist es für ihn nachvollziehbar, dass einzelne Staaten Signale senden müssen. Auch Alexander Van der Bellen gibt an, dass es auf Dauer nicht möglich sein wird, dass Schweden, Deutschland und Österreich die Hauptverantwortung für die Flüchtlingsversorgung allein übernehmen. Bundeskanzler, Vizekanzler und Außenminister seien gefordert, sich auf europäischer Ebene noch stärker für eine gesamteuropäische Lösung einzusetzen.

Beide Kandidaten sind der klaren Ansicht, dass eine Lösung der Flüchtlingsfrage nur auf europäischer Ebene möglich ist.

Integrationsbemühungen

In der Frage, welche Ansprüche an Flüchtlinge zu stellen seien, lobt Rudolf Hundstorfer das Modell Vorarlbergs. Dort müssen sich Flüchtlingen an eine Vereinbarung halten, welche beispielsweise verpflichtende Sprachkurse voraussetzt. Alexander Van der Bellen erwähnt in einer Diskussion, dass es natürlich Menschenrechte gäbe, allerdings genauso auch Menschenpflichten. Dazu gehören das Akzeptieren hiesiger Werte und natürlich die absolute Ablehnung von sexueller Belästigung und Gewalt.

Beide Kandidaten sind dementsprechend der Meinung, dass an Flüchtlinge auch Forderungen zu stellen sind, an welche sich gehalten werden müsse.

Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge

Rudolf Hundstorfer gibt zu bedenken, dass es nicht geklärt sei, ob so etwas rechtlich zulässig wäre und dass diese Maßnahme Menschen in die Armut treiben würde. Soziale Sicherheit sei ihm wichtig und es gehe darum, Menschen in Beschäftigung zu bringen. Auch Van der Bellen meint, dass eine solche Regelung vermutlich verfassungswidrig wäre. Es sollte unser Bemühen sein anerkannte Flüchtlinge sozial zu integrieren, anstatt sie auszugrenzen. Es sei dazu erwähnt, dass er in einer Diskussion auf Ö1 auch sagte, dass bei aktuell 500.000 Arbeitslosen keinen Raum für Wirtschaftsmigration gebe.

Beide Kandidaten sprechen sich also gegen eine Kürzung der Mindestsicherung für (anerkannte) Flüchtlinge aus, sowohl aus sozialen, als auch aus rechtlichen Gründen.

Die Länder

Rudolf Hundstorfer sieht das jetzige System der Länder als ein bewährtes und sieht keine Änderungsgründe. Über eine neue Kompetenzverteilung in gewissen Bereichen könne man aber diskutieren. Auch Van der Bellen möchte die Bundesländer beibehalten. Er möchte aber eine Reform der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, da die derzeitige Zersplitterung der Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeiten klare politische Gestaltung und Verantwortlichkeit verhindert.

Beide Kandidaten schätzen also das Länderkonzept, sehen aber Ansätze zur Veränderung (Van der Bellen wohl deutlicher als Hundstorfer).

Frauenquoten

Rudolf Hundstorfer gibt an, dass er der Meinung sei, dass die Quoten in den staatsnahen Unternehmen funktionieren. Der Anteil der Frauen sie hier bei 38%. Auch Van der Bellen meint, dass Quoten hier einen Beitrag leisten können, meint aber auch, dass es mittelfristig ganz normal werden sollte, dass Frauen und Männer auch ohne Quoten gleichberechtigt sein sollen.

Beide Kandidaten sind also der Meinung, dass Quoten helfen können. Dass beide auch meinen haben, dass Frauen ein Recht auf gleiche Chancen haben, ist natürlich klar (hoffentlich ist das für uns alle langsam klar).

Berufsheer oder Wehrpflicht

Trotz persönlicher Meinungen stellt sich für beide Kandidaten die Frage nach dem Bundesheer einfach nicht, da vor Kurzem erst eine Abstimmung zu diesem Thema stattgefunden hat, die beide offensichtlich respektieren möchten. (Der Seitenhieb sei mir erlaubt: So viel zum „fragwürdigen“ Demokratieverständnis von VdB)

Das Entlassen der Regierung

Laut Hundstorfer hieße das entlassen der Regierung Staatsnotstand, und mit so etwas dürfe man nicht spekulieren. Im Gespräch mit Neuwal.com sagte er aber dazu, dass er die Regierung dann entlassen würde, wenn diese gegen die Verfassung agiere. Auch für Alexander Van der Bellen ist das Entlassen der Regierung sehr schwer vorstellbar, dies war seit 1929 nie der Fall. Da müsste schon etwas sehr gravierendes passieren und er hoffe, dass er nie vor so eine Entscheidung gestellt wird.

Beide Kandidaten lehnen dementsprechend ein voreiliges Entlassen der Regierung ab und wissen um die Schwere einer solchen Entscheidung. Beide sagen aber auch, dass sie dies in Extremfällen tun würden.

Abschließender Punkt für Hundstorfer-Wähler

Die überwiegende Mehrheit der Hundstorfer-Wähler gab als Wahlmotiv an Stammwähler der SPÖ zu sein. Für diese Personen ist es vielleicht auch wichtig, was die Parteispitzen dieser Partei zur Wahl zu sagen haben.

Sowohl der gescheiterte Hofburg-Kandidat der SPÖ, Rudolf Hundstorfer, Wiens Bürgermeister Michael Häupl, Klubobmann Andreas Schieder oder Niederösterreichs Landesparteichef Matthias Stadler deklarierten sich als Wähler des ehemaligen grünen Bundessprechers. Letzterer sprach hier sogar eine klare Wahlempfehlung aus.

Auch Matthias Euler-Rolle, der Kommunikationschef der SPÖ, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, Oberösterreichs SPÖ-Chef Johann Kalliauer, sowie schlussendlich Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann gaben an Van der Bellen wählen zu wollen.

Nur zur Information: Ich denke mit diesem letzten Absatz habe ich klar gemacht nicht rein parteiisch zu schreiben. Viele Lesen könnten die Zustimmung des Kanzlers aktuell vielleicht sogar als Nachteil sehen.

Fazit

Ich habe kurz überlegt, so ein Punkte-System zu machen um am Schluss eindrucksvoll eine Zahl präsentieren zu können. Doch dann dachte ich mir, dass das irgendwie unseriös wäre und habs gelassen – mein Fazit kommt als Text.

Es findet sich eine sehr starke Überschneidung von Zielen und Werten zwischen Rudolf Hundstorfer und Alexander Van der Bellen. Da auch Herr Hundstorfer selbst gesagt hat, dass er Van der Bellen wählen wird, bestätigt das auch meine Ansicht. Wähler von Rudolf Hundstorfer werden zusammenfassend also durchaus deutlich auch von Alexander Van der Bellen vertreten.

Unterschiede sehe ich in der starken Verankerung Hundstorfers in einem Parteienapparat und dem aktiveren Amtsverständnis von Van der Bellen, bezogen auf die Frage der Angelobung von Parteien. Das plus mein Vertrauen in Van der Bellens wirtschaftliche und Bildungskompetenz (Fragen der Wirtschaftsförderung und Bildung – Bekämpfung der Arbeitslosigkeit) waren übrigens auch meine Gründe bei der Wahl Van der Bellen zu wählen.

Quellen:

https://www.vanderbellen.at/ziele-inhalte/

https://www.rudolfhundstorfer.at/

https://www.gruene.at/themen/demokratie-verfassung/alexander-van-der-bellen-im-interview

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/814612_Zurueckhaltung-bei-Wahlempfehlungen.html

http://www.vienna.at/wahlmotive-bei-der-bp-wahl-2016/4700322

http://www.tt.com/politik/10985412-91/van-der-bellen-kein-besserwisser-und-moralapostel.csp

http://tvthek.orf.at/program/ORF-III-Spezial-Klartext-Hofer-und-Van-der-Bellen/12550387/ORF-III-Spezial-Klartext-Hofer-und-Van-der-Bellen/12558126

http://derstandard.at/2000035790415/Zweiter-Wahlgang-Viele-Praeferenzen-aber-keine-Wahlempfehlung

http://derstandard.at/2000033569234/Bundespraesidentschaftswahl-Acht-Fragen-an-die-Kandidaten

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