Heute möchte ich von einem Beamten sprechen, einem Sektionschef sogar, der so gar nicht das übliche Vorurteil bedient und der zeigt, dass man selbst im entlegensten Flussbeet noch ein Goldstück finden kann.

Es ist die Geschichte eines Mannes, der in seiner kargen Freizeit die Muse fand, Werke von unglaublicher Schönheit zu komponieren. Bühnenstücke von solcher Kraft, mit solch einem Melodien- und Farbenreichtum, dass sie noch heute, nach mehr als hundert Jahren, die Herzen der Menschen erfreuen.

Ich spreche natürlich von Carl Zeller, dem Schöpfer der Operette „Der Vogelhändler“.

Er wurde 1842 als Sohn eines bekannten Wiener Arztes geboren und kam schon in frühester Kindheit mit der Kultur dieser Stadt in Berührung.

Bereits mit sieben Jahren saß er an der Orgel, lernte verschiedenste Orchesterinstrumente und sang bei kirchlichen Festen die Sopransolos. So kann es nicht verwundern, dass er sehr bald bei den k.u.k. Hofsängerknaben aufgenommen wurde.

Dort hatte er das Glück bei dem berühmten Musiktheoretiker Simon Sechter zu lernen, der schon Franz Schubert und Anton Bruckner in die Grundzüge der Musik eingeführt hatte.

Doch schon früh traten bei Carl Zeller gesundheitliche Probleme auf. Er selbst klagte beim Singen über Stechen in der Brust, woraufhin er nach ärztlicher Untersuchung für den Dienst als Hofsängerknabe als ungeeignet erklärt wurde.

Da er aber ein außerordentlich intelligenter und fleißiger Schüler war, erhielt er ein Stipendium in der Höhe von 300 Gulden, womit seine weitere Laufbahn gesichert war.

Er studierte gleichzeitig Rechtswissenschaft und Komposition und trat anschließend als Staatsbeamter im österreichischen Ministerium für Unterricht und Kultur ein, wo er schließlich zum Sektionschef avancierte.

Zeitgenossen sprachen anerkennend von seiner eleganten Erscheinung und dank ihr und seinen gewinnenden Manieren wurde er rasch in die beste Gesellschaft aufgenommen, wo er als begnadeter Erzähler galt, der seine Reden gerne mit geistreichen Einfällen unterstrich.

In seiner Freizeit komponierte er, gemächlich erst und in langen Abständen, erste Werke für die Bühne. Doch in den 1870er Jahren, als sich seine Neigungen zunehmend der Musik zuwandten, geriet er immer mehr in einen Zwiespalt zwischen Berufung und Broterwerb.

Doch er blieb stets dem Motto des alten Habsburger Beamtenadels treu: „Der Staatsbeamte hat nichts, aber das hat er sicher.“

Selbst die Stelle als Intendant der Wiener Hoftheater lehnte er ab. Die finanzielle Sicherheit als Staatsbediensteter war ihm anscheinend wichtiger als die geistige Freiheit eines Künstlers.

Doch dürfen wir in ihm keine verknöcherte Beamtenseele sehen, sondern vielmehr einen Menschen, der einen festen Bezugspunkt brauchte, um desto sicherer seine Träume in Musik zu gießen.

Leider wurde er nicht sehr alt. Aufgrund eines bösen Sturzes setzte bei ihm Muskelschwund ein, der sein Rückenmark befiel und ihm schließlich das Gehen und Sprechen unmöglich machte.

So starb er, verbittert und ohne den Trost des Musikmachens, im Spätsommer des Jahres 1898.

Trotz seines frühen Ablebens und der Tatsache, dass er Zeit seines Lebens nur in freien Stunden komponieren konnte, steht er gleichberechtigt neben den drei Großmeistern der Wiener Operette Carl Millöcker, Franz von Suppé und Johann Strauß.

Das bekannteste Werk aus seiner Feder, das noch heute zu den beliebtesten des Genres gehört, ist „Der Vogelhändler“. 1891 geschrieben erlebte es mehr als 180 Aufführungen in Folge und ist noch heute auf allen Bühnen der Welt zu sehen.

„Der Vogelhändler“ ist der Inbegriff der österreichischen Heimatoperette, geschrieben für ein städtisches Publikum, für das sie eine ländlich verklärte Vergangenheit beschwört.

Trachtenvergessene Tiroler treffen selbstbewusst auf sich volksnah gebende Adlige, ein Naturbursch singt im Duett mit einer Gräfin ein Liebeslied und der Chor der Anwohner lacht über die Kapriolen des Adels. All das umspielt von Walzern und Ländlern, die einem schon beim ersten Hören in die Füße fahren.

Man muss nur dem Auftritt des Adam lauschen, wie er sein selbstbewusstes „Griaß ench Gott“ in die Welt hinaus schmettert, um zu verstehen, wieso diese Operette die Herzen der Wiener im Sturm eroberte.

Darüber hinaus will ich nichts über das Werk erzählen.

Nichts über Zellers Meisterschaft, seine grandiose Architektur vor allem in den Ensembles und Chorszenen oder über die dramatische Schwungkraft in den weiträumigen Finalen des I. und II. Aktes.

Auch nichts über die Kunstfertigkeit des Librettos und der Schlagfertigkeit und dem Witz, mit dem die einzelnen Figuren gezeichnet sind.

Diese Dinge muss man selbst hören und nachempfinden, wozu ich euch herzlich einlade!

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