Ob sich Christian Kern als SPÖ-Parteivorsitzender und Kanzler bewähren wird, hängt von zwei Fragen ab, die er schon zu Amtsantritt entscheiden muss: Wie steht er zum Vranitzky-Dogma und wie steht er zur Vranitzky-Moral, wobei die Antwort auf die zweite Frage aus meiner Sicht die wichtigere ist.

Das Vranitzky-Dogma (Ausgrenzung der FPÖ) hat der SPÖ noch Anfang der 1990er Jahre Mehrheiten gesichert, ist aber spätestens seit der FPÖVP-Regierung unter Schüssel passé. Trotzdem ist der SPÖ-Spitze bis herauf zu Fayman nix besseres eingefallen, als ihre politischen Inhalte auf dieses Dogma zu reduzieren. Nicht-FPÖ-Wähler konnten das a la long nur als Armutszeugnis, FPÖ-Wähler nur als Präpotenz auslegen.

Kern muss sich daher von Anfang an vom Vranitzky-Dogma distanzieren, wenn er seinen Wählern nicht nur einen „neuen Stil“ vermitteln will, sondern auch die Gewissheit, dass er neue (oder vergessene alte sozialistische) Inhalte verwirklichen will. Ja, umsetzen, realisieren und nicht nur „kommunizieren“. Der letzte Apostel des Vranitzky-Dogmas ist ausgerechnet Van der Bellen, der sogenannte unabhängige Kandidat der Grünen. Eine Wahlempfehlung für VdB wäre für Kern deshalb fatal.

Wichtiger aber noch als das Vranitzky-Dogma ist die Abkehr von der Vranitzky-Moral. Der Exbanker hat die sozialistische Nehmerqualität (nehmen ist seliger denn geben) vielleicht nicht erfunden, aber keine Gelegenheit ausgelassen, um zu beweisen was er unter „Haltung“ versteht: Hand-Aufhalten. Beim Eintritt in das Kanzleramt hat er sich seinen Banker-Vertrag auszahlen lassen. Die Haltung dahinter: die Staatsbank CA muss ihrem Direktor dafür eine Abfindung zahlen, dass er sich den minder bemittelten Posten eines Kanzlers antut. Als Politpensionär hat Vranzitky Herrn Flöttl junior für ein paar Telefonate zur „Euroberatung“ eine Million Schilling abgeknöpft. Diese Summe war „preiswert“, wie niemand Geringerer als Flöttl noch 2007 attestierte.

Die Abkehr von der Vranitzky-Moral wäre im Fall von Kern der Verzicht auf alle Ansprüche aus seinem ÖBB Vertrag. Wenn es ihm um einen Karrieresprung geht, wird er kassieren und sich noch ein Rückkehrrecht in die ÖBB sichern. Das wäre in bester Tradition der Vranitzky-Moral. Wenn es Kern um Österreich und die Rettung der Sozialdemokratie geht, muss er erklären: „Ich bitte um Entlassung aus der ÖBB-Verantwortung, um Verantwortung für ganz Österreich übernehmen zu können. Um den Schaden für die ÖBB möglichst gering zu halten, ersuche ich unter Verzicht auf alle Ansprüche auf einvernehmliche Auflösung des bestehenden Vertrages.“

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