Ukrainekrieg: Das Jahr der Ernüchterung

Vorwort - Wer keine Quellen braucht kann es skippen

Bei meinem Text stütze ich mich vor Allem auf die Expertise von Oberst Markus Reisner vom Österreichischen Bundesheer. Ein international anerkannter Analyst im Ukrainekrieg der auch von der NATO zur Rate gezogen wird. Das österreichische Bundesheer, und ich kann dem Verein nicht viel abgewinnen, darf stolz darauf sein solches Personal hervorzubringen. Seine Stärken sind die Einschätzung der strategischen und taktischen Aspekte.

Als zweites Standbein für meinen Text dienen die Analysen von Perun. Einem australischen Youtuber der sich im Laufe des Ukrainekonflikts als hervorragender, neutraler Analyst erwiesen hat. Seine Stärken sind vor allem die Analyse von wirtschaftlichen und industriellen Aspekten eines Krieges.

Beide sind hervorragend darin die geopolitische Lage einzuschätzen.

Das Jahr der Ernüchterung

1914 brach der erste Weltkrieg aus. Und alle daran beteiligten Mächte waren sich im Grunde einig: Vor Weihnachten gehen wir alle heim und das Ding ist gewonnen. Das Alle so dachten hätte jedem klar machen müssen das dem nicht so ist.

1915 kam die Ernüchterung und Dinge... änderten sich. Die Länder schalteten nach und nach in den Modus "Kriegswirtschaft"

Das Ende vom Lied kennen wir Alle.

Fassen wir kurz zusammen was 2022 passierte: Die Russen invasierten die Ukraine, bekamen aufgrund einer clever agierenden Ukraine auf die Schnauze, und blamierten sich international.

Das Bild das von Russland gezeichnet wird ist im Grunde, dass es ein Wunder ist das die überhaupt noch Krieg führen können. Die russische Luftwaffe ist vollkommen inkompetent. Und Alles was Russen können ist junge Mädchen vergewaltigen und Klomuscheln klauen. Die Ukraine hingegen sind die strahlenden Helden. Sie agieren gegen eine massive Übermacht und besiegen diese immer wieder weil der russische Bär ein dummer Bär ist. Alles was sie brauchen ist Material von uns und das Ding ist gewonnen. Und die Sanktionen haben sowieso Russland ruiniert.

Das Bild bekam schnell Risse und jedem wird langsam klar: 2023 wird ein weiteres Jahr Krieg in Europa mit sich bringen. Und wenn Russland so inkompetent ist - warum haben dann wir, die Guten, nicht bereits gewonnen? Sehen wir uns an warum wir an dem Punkt stehen an dem wir stehen.

Der Atomkrieg und seine Folgen auf unsere Politik

Habt ihr Angst vor einem Atomkrieg? Egal wie eure Antwort dazu ist: Die Politik des Westens hat Angst davor. Das Atomwaffenarsenal der Russen bestimmt zu einem großen Teil den Handlungsspielraum den wir uns selbst einräumen.

Böse ausgedrückt kriegt die Ukraine genau das an Material was sie braucht um die Russen in Schach zu halten. Sie bekommt aber nicht das Material das sie bräuchte um Russland zu besiegen weil im Grunde alle Angst haben vor dem Danach. Jedem ist klar: Der Krieg endet nicht nur weil die Ukrainer ihr Land wieder haben. Es würde auf russischem Boden weitergehen.

Und Viele fürchten sich davor, dass Russland etwas hochgradig Irrationales tun könnte. Das anzunehmen ist durchaus fair: Der ganze Krieg ist eine hochgradig Irrationale Kiste und wäre, selbst wenn er nach Plan gelaufen wäre, eine Katastrophe gewesen für Russlands Außenpolitik. Ein Atomkrieg wenn Russland sich zu sehr in die Enge gedrängt fühlt? Why not?

Den Preis für die westliche Zurückhaltung zahlen die Ukrainer...

Was man im Westen nicht sieht: Rekrutierung der Ukraine

Als Russland diesen Krieg startete wollte Putin das ursprünglich nur mit dem Berufsheer regeln. Das scheiterte wie wir wissen. Von diesen Verlusten versucht Russland sich bis heute zu erholen.

Aber der Krieg hat natürlich auch bei den Ukrainern einen Blutzoll gefordert. Entsprechend läuft in der Ukraine im Prinzip eine Dauerrekrutierung. Und die Methoden dieser Rekrutierung würden nicht gut ins Bild der strahlenden Helden in Flecktarnrüstung passen. Du bist 16? Wenn du Bock hast darfst du in den Krieg!

Ein Video aus Odessa zeigt wie Rekrutierer sich gewaltsam Zugang zu einer Wohnung verschaffen um eine Vorladung zuzustellen. Es gibt eigene Telegram-Kanäle in denen man gewarnt wird wenn im Park wieder mal die "Rekrutierer" unterwegs sind.

Die Ukraine kämpft tapfer. Aber verzweifelt. Und nicht alle Methoden die sie betreibt um ihre Streitkräfte im Krieg halten zu können würden uns gefallen.

Die Sanktionslüge: Russlands Wirtschaft ist nicht am Boden

Als der Westen die Sanktionen verhängte waren die Medien voll mit Horrorszenarien für die russische Wirtschaft. Nichtmal Waschmaschinen können sie mehr bauen weil ihnen die Chips ausgehen. Und pleite sind die auch bald.

Hier dürfen sich unsere Qualitätsmedien an der Nase nehmen und geltungssüchtige Lokalpolitiker denn: Die Sanktionen waren nie so designed Russlands Wirtschaft, die stark Rohstofforientiert ist, zu ruinieren.

Stellt euch eine Welt vor in der Russland niemand hätte der das Gas abkauft, das Öl abnimmt... Es wäre zappenduster. Und geklappt hätte es auch nicht. Indiens Außenminister hat das auch klar gesagt: Eure Probleme sind nicht unsere Probleme. Und nach hundert Jahren Bluten für Kolonialherren sind wir dran den Scheck einzustreichen. Ich kann dem Mann für seine Einschätzung nur schwer böse sein.

Russland exportiert die Rohstoffe im Großen und Ganzen immer noch so wie es vor dem Krieg war. Aber: Die Zeiten der fetten Gewinne sind vorbei. Diese fetten Gewinne streichen nun die Zwischenhändler ein in China, Indien usw.

Chips erhält Russland ebenfalls noch. Die Waschmaschinen dürfen laufen. Die Raketen fliegen. Aber Russland ist durch die Sanktionen in einer unangenehmen Abhängigkeit von Unternehmern die bereit sind Sanktionen zu umgehen. Das kostet. Diese Menschen wollen für ihre Dienste Geld sehen.

Russlands Einnahmen aus dem Rohstoffexport sind deutlich gesunken. Verlierer in dem Spiel, finanziell, ist Europa. Die Gewinner sitzen in Asien. Ein für uns ungewohntes Bild: Das kleinere Löffelchen zu sein.

Wir können zusammenfassen: Die Sanktionen tun schon das was sie sollen. Aber weder geht man in Russland deswegen in Sack und Asche, noch müssen wir unsere Zootiere schlachten um was zu Essen zu haben (wie es in russischen Medien mal behauptet wurde)

Ukrainische Bitterkeit und Ukrainische Tapsigkeit

Die westliche Politik, und die damit einhergehende Art und Weise wie die Ukraine unterstützt wird, laufen darauf hinaus die Russen einfach so lange gegen die Ukrainer laufen zu lassen bis die Russen die Lust verlieren.

Das ist in meinen Augen erbärmlich denn es sind die Ukrainer die den Preis dafür zahlen müssen.

Teilweise auch selbstverschuldet. Die Ukrainer sagten: "Wenn Russland Atomwaffen einsetzt kämpfen wir trotzdem weiter!" Das war gedacht uns zu zeigen das wir uns keine Sorgen machen müssen. Das genaue Gegenteil ist passiert.

Während die Ukrainer aktuell oft im Finstern sitzen ist der Krieg in Moskau und Sankt Petersburg noch gar nicht angekommen. Wir werden der Ukraine diplomatisch noch viel verzeihen müssen.

Im Gegenzug wird uns die Ukraine verzeihen müssen das wir ihre Männer, Frauen und Kinder einfach verrecken lassen und nur das Absolute Minimum liefern bis die Russen die Lust verlieren.

Was erwartet Europa nach dem Krieg?

Ich gehe hier davon aus, dass die Ukraine gewinnt. Denn: Auch wenn das Bild oben düster wirkt - die Russen können, Unterstützung aus Schwellenländern hin oder her - diesen Krieg nicht gewinnen wenn der Westen das nicht aktiv zulässt. Wenn Europa keine existenzielle Bedrohung direkt vor der Haustür haben will, und ein siegreiches Russland das die Sowjetunion wiederherstellen will IST eine existenzielle Bedrohung, muss die Ukraine siegen.

Ich habe keinen Bock in meinem Leben nochmal in nem Schützengraben zu hocken. Wer das absurd findet: Vor 10 Jahren fanden wir auch absurd, dass nicht mal eine Tagesfahrt mit dem Auto entfernt der totale Krieg herrscht. Wir leben im Reich der Drachen und Feen wo praktisch nichts mir unmöglich ist.

Was wir uns also abschmieren können ist, dass es danach so wird wie es früher mal war. Europa hat den Traum gelebt das die Welt ein friedlicher und stabiler Ort ist. Während es überall in der Welt, auch mit europäischer Teilhabe, krachte und tschepperte.

Die alte Tante NATO ist wieder der heißeste Shit. Wir alle haben sie schon abgeschrieben. Deutschland und Österreich, Länder die bis zur Selbstaufgabe pazifistisch sind (was klar ist nach zwei Weltkriegen die durch uns verursacht und von uns verloren wurden) stecken seit Langem wieder Geld in die Rüstung. Neue Panzer sollen her. Die Luftabwehr wird ausgebaut und teilweise neu aufgebaut. Neue Hubschrauber sollen gekauft werden. Die Liste der Dinge ist lang. Und Österreich ist keine Ausnahme: Europa rüstet auf und die NATO kriegt neue Mitglieder. Direkt an russischer Grenze. Hurra.

Und egal wie dieser Krieg endet: Russland hat auf Jahrzehnte das Brandzeichen eines Kriegstreibers ab dem man nicht trauen darf und mit dem man keine Geschäfte machen kann. Russland hat sich ohne jede Not ihren wichtigsten Absatzmarkt zerstört.

Und was uns betrifft? Wir machen Schulden wie die Weltmeister und werfen wichtige Zukunftsprojekte über Bord. So sind die Folgen von Krieg.

Was muss die Politik tun?

Die Politik hat die grausame Aufgabe, wenn die Ukraine weiter unterstützt werden soll, dafür zu sorgen, dass die Europäer die Lust auf Krieg nicht verlieren. Das klingt pietätlos und vielleicht ist es das auch. Im Kern hat die Ukraine das Problem, dass ihre Unterstützer Demokratien sind. Und Demokratien brauchen für ihre Handlungen eine Legitimation aus dem Volk.

Russland hat hier als Autokratie viel mehr Spielraum denn es muss die Leute nur daran hindern, dass sie den Kreml warm abtragen.

Bei uns gibt es Wahlen zu gewinnen. Und wenn eine Mehrheit der Bevölkerung der Meinung ist das wir besser da stehen würden ohne Krieg... dann adieu Ukraine!

Wir brauchen also eine Politik die den Druck von den Schultern der Bevölkerung nimmt. Zeitgleich bräuchten wir aber, wenn wir das Monster des Krieges weiter mit Nahrung füttern wollen, eine Kriegswirtschaft. Beides zugleich geht nicht.

Allein der Munitionsbedarf der Ukraine ist enorm. Und die europäische Rüstungsindustrie könnte hier zwar mithalten - sie tut es aber nicht für umme. Und wie verkauft man das der Bevölkerung? Bei den meisten scheint noch nicht angekommen zu sein, dass Krieg eine Sache der Abnutzung ist. Artillerie, Panzer, Flugzeuge, Waffen und auch Menschen: Der Krieg frisst all das in Hülle und Fülle. Dinge die wir in die Ukraine schicken werden diese nie mehr verlassen.

Es wäre Aufgabe der Politik das zu vermitteln.

Und Russlands Zukunft?

Strategisch und Geopolitisch hat Russland bereits verloren. Man hat aber zu viel in den Krieg investiert um jetzt kehrt zu machen. Russlands geopolitische Strategie war:

- Die NATO eindämmen

Was ist passiert? Die NATO wird erweitert und aufgerüstet

- Die Ukraine einverleiben

Schaffen sie vielleicht auch noch. Wird sicher lustig Besatzungsmacht in nem Land zu sein wo jeder zweite Bürger weiß wie man mit Haushaltsartikeln ne Selbstmorddrohne baut.

- Einfluss in Europa gewinnen und den Einfluss der USA schwächen

Das genaue Gegenteil ist passiert.

- Die USA wirtschaftlich schwächen

Das genaue Gegenteil ist passiert.

- Sich endgültig als Weltmacht etablieren

Russland wird zur Tankstelle Chinas.

Abschluss

Ich will das die Ukraine unterstützt wird und gewinnt. Es gab nie ne Entscheidung die einfacher war: Es ist moralisch richtig. Es ist geopolitisch richtig. Es ist sicherheitspolitisch richtig.

Russland und seinen Anhängern ihren Willen zu lassen - da können wir auch gleich zusammenpacken. Aber ich würde mich freuen wenn man mit dem Thema realistisch umgeht. Ein Zierdeckchen über Alles drüber zu legen was wir nicht sehen wollen weil es uns nicht ins Bild passt ist ein sicherer Weg ins Desaster. Das ist vor Allem der Politik ins Buch geschrieben.

Ich empfehle Allen meine Quellen zu konsultieren. Damit man einerseits einen realistischen Blick auf die Situation bekommt und andererseits die Notwendigkeit versteht für die Unterstützung der Ukraine.

Ich hoffe ich konnte meinen Blick auf das Thema, und ich bin auch nur Laie auf dem Gebiet, näher bringen.

Slava Ukraini!

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