Reisebüros: Liberalisierung im türkis-grünen Regierungsprogamm

WKO auf dem Holzweg - Reglementierung muss aufgehoben werden

Wenn sich die Bundesregierung am Regierungsprogramm messen lassen will, muss die Reglementierung bei den Reisebüros fallen. Im Regierungsprogramm lesen wir zum digitalen Binnenmarkt (S. 177) - und Reiseleistungen werden wie die Wirtschaftskammer selbst eingesteht zunehmend digital abgeschlossen – Folgendes:

„Vollendung des digitalen Binnenmarkts: Im 21. Jahrhundert darf es keine Rolle mehr spielen, ob Käuferinnen bzw. Käufer und Verkäuferinnen bzw. Verkäufer in verschiedenen EU-Ländern sitzen.“

Im Bezug auf die Reisebüros heißt das nichts anderes, als die Entfernung der Reisebüros aus dem Katalog der reglementierten Gewerbe in der Gewerbeordnung. Damit würde ein Reisebüro wie in der Bundesrepublik Deutschland als freies Gewerbe unter das Handelsvertretergesetz fallen.

Argumentation der WKO nicht haltbar

Die Wirtschaftskammer hat ein Fact-Sheet herausgegeben, in dem sie insgesamt 8 Punkte anführt, warum eine Reglementierung erforderlich sei. Kein einziger dieser angeführten Argumente hält jedoch einer sachlichen Überprüfung stand. Aber der Reihe nach.

1. Schutz vor Gefahren, Gesundheit und Sicherheit

Die Kammer führt hier im Wesentlichen die Pflichten des Reiseveranstalters auf. Dem ist einerseits zu entgegnen, dass ein Reisebüro zwar als Reiseveranstalter auftreten kann, jedoch auch als reiner Vermittler tätig werden kann. Andererseits handelt es sich bei diesen Pflichten um eine Umsetzung der vollharmonisierenden Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments und des Rates über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen. Diese Pflichten gelten also in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union, unabhängig davon ob im Mitgliedsstaat des Reisevermittlers der Berufszugang reglementiert ist oder nicht. (vgl. Lindinger, 2017). Bei diesen Vorschriften handelt es sich also nicht um Vorschriften, die den Berufszugang, sondern deren Ausübung regeln. Das hat auch der Verfassungsgerichtshof bei der aufgehobenen Reglementierung der Berufsfotografen so gesehen, da beim Berufszugang der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers geringer ist. (Vgl. VfSlg 19814/2013) Dies trifft auf sämtliche von der WKO aufgeführen Pflichten des Reiseveranstalters zu.

2. Konsumentenschutz

Hier führt die Wirtschaftskammer im Wesentlichen aus, dass zu befürchten sei, es könnten aufgrund der Aufhebung der Reglementierung vermehrt Betrugsfälle auftauchen und führt den Fall eines Niederländers an, der in Aachen (Deutschland) ein Gewerbe angemeldet hatte und die Kunden um den Urlaub betrogen hatte. Der Fall ist aus 2005, also vor der Vollharmonisierung der Pauschalreisen und ist daher wenig geeignet eine Reglementierung zu rechtfertigen.

Der Konsumentenschutz war zudem einer der Gründe für die Vollharmonisierung und ist daher nicht ausreichend die Reglementierung in fachlicher Hinsicht noch zu rechtfertigen, zumal dem Konsumentenschutz in der Pauschalreiserichtlinie ohnehin schon Rechnung getragen wurde.

Denkbar wäre hier jedoch eine Zuverlässigkeitsprüfung durch die Behörde. So wird dem Schutzbedürfnis jedenfalls in der deutschen Gewerbeordnung Rechnung getragen. Der Gründer hat also der Behörde nach der Gewerbeanmeldung seine allgemeine Zuverlässigkeit (keine Verurteilungen, keine Gewerbeausschlussgründe, keine Verwaltungsübertretungen durch die die Zuverlässigkeit verlustig gegangen ist) nachzuweisen. Stellt die Behörde im Anschluss fest, dass Gründe vorliegen, die die allgemeine Zuverlässigkeit ausschließen, hat sie die Gewerbeausübung zu untersagen. Dies wäre auch in Österreich ein gangbarer Weg zur Umsetzung des im Regierungsprogramm angekündigten Vorhabens.

3. Image des Tourismuslandes Österreich - Sicherung der Qualität

Die Wirtschaftskammer geht hier neben dem Einleitungssatz indem ein Qualitätsverlust in der Tourismusbranche befürchtet wird, auf die Herausforderungen, welche die Branche beschäftigen ein. Der zunehmende Konkurrenzdruck vor allem durch das Internet und die Kundenerwartungen heutzutage würde den stationären Reisebüros ihren USP nehmen, wenn die Reglementierung aufgehoben werden würde.

Im Wesentlichen zielt diese Argumentation darauf ab, die bisherigen Marktteilnehmer vor neuer Konkurrenz zu schützen. Dazu hat der Verfassungsgerichtshof (vgl. VfSlg 19814/2013) bereits festgehalten, dass das Ziel eines (bloßen) Konkurrenzschutzes für sich genommen nicht als legitimes öffentliches Interesse angesehen werden kann, das für die Rechtfertigung der Einordnung ... als reglementiertes Gewerbe maßgeblich wäre, und daher auch nichts zur Begründung der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs beitragen.

4. Zunehmende Insolvenzen mangels Branchenkenntnissen

Natürlich ist es bedauerlich, wenn Unternehmen in die Insolvenz schlittern. Aus den Nachbarstaaten in denen das Reisebürogewerbe nicht reglementiert ist sind diese Erfahrungen ausgeblieben. Andererseits haben die Branchenkenntnisse Thomas Cook nicht vor der Insolvenz bewahrt.

5. Garant für eine qualifizierte Lehrlingsausbildung und solide Mitarbeiterqualifikation

Wenn die Wirtschaftskammer meint, dass das System der dualen Ausbildung nicht mehr funktionieren würde, weil nicht mehr ausreichend qualifizierte Ausbildungsbetriebe vorhanden wären, die Lehrlinge ausbilden können und wollen ist ihr zu entgegnen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Die vorhandenen Betriebe, die Lehrlinge bereits ausbilden verschwinden nicht, nur weil zusätzliche Marktteilnehmer vorhanden sind. Es ist dem Gesetzgeber auch unbenommen festzulegen, welche Anforderungen an einen Lehrbetrieb oder Ausbildner gestellt werden. Das hat aber mit dem Zugang zum Gewerbe nichts zu tun.

6. Haftungsdilemma

Es stimmt zwar, dass die Vorschriften immer komplexer werden und zivilrechtliche, verwaltungsrechtliche und strafrechtliche Normen zu beachten sind. Davor wird ein Existenzgründer aber nicht bewahrt, wenn die Wirtschaftskammer dem Existenzgründer vorschreibt, dass er vor der Gewerbeanmeldung bei der Konkurrenz gearbeitet haben muss. Der Häuselbauer wird auch nicht auf ein Seminar geschickt, weil er dafür haftet, wenn sich ein Fußgänger im Winter vor seinem ungeräumten Grundstück den Haxn bricht.

7. Anwendbarkeit der Kollektivverträge

Es ist wirklich bedauerlich, wenn sich die Wirtschaftskammer Sorgen macht wie die kollektivvertragliche Zuordnung behördlich überprüfbar wäre. Das ist aber kein Grund an einer Reglementierung festzuhalten. Für EPUs die als reine OTA (Online Travel Agency) agieren stellt sich diese Frage ohnehin nicht.

8. Kosten

Die Frage, welche Kosten für einen Unternehmer entstehen, wenn dieser die vielfach von der Europäischen Kommission vorgeschlagene freiwillige Zertifizierung von Reisebüros durchführt, ist keine Frage eines öffentlichen Interesses zur Reglementierung eines Gewerbes.

Zusammenfassung

Die Ankündigung im Regierungsprogramm, dass es im 21. Jahrhundert keine Rolle mehr spielen darf, ob Käuferinnen bzw. Käufer und Verkäuferinnen bzw. Verkäufer in verschiedenen EU-Ländern sitzen, ist zu begrüßen. Die Ausführungen zur Inländerdiskriminierung bei den Fremdenführern gilt sinngemäß auch bei den Reisebüros.

Die Argumentation der Wirtschaftskammer hinsichtlich der Notwendigkeit einer Reglementierung ist nicht haltbar. Denkbar ist eine Überwachung der Bezirksverwaltungsbehörde hinsichtlich der Zuverlässigkeit der verwaltungsbehördlich Verantwortlichen in den Reisebüros.

Eine Reglementierung gibt auch deshalb keinen Sinn mehr, weil schon jetzt die Möglichkeit besteht im benachbarten Ausland, etwa in Deutschland ein OTA zu eröffnen. Durch den Boom an Virtual Offices und der Möglichkeit diese als ladungsfähige Adresse zu nutzen sind vor allem im grenznahen Bereich jetzt schon Möglichkeiten vorhanden die Reglementierung zu umgehen.

An der Aufhebung der Reglementierung wird kein Weg vorbeiführen. Aus Erfahrung wird es in der Wirtschaftskammer nicht der Wirtschaftsbund sein, der den Anstoß dazu gibt.

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