Friedrich Merz spricht von „Drecksarbeit“, und niemand hat ihn dazu gezwungen. Kein AfD-Funktionär stand hinter ihm. Kein Adrenalinrausch, kein Fauxpas im Überschwang. Es war ein bewusster Satz, gesprochen in einem Interview mit dem ZDF, am Rande des G7-Gipfels, auf internationaler Bühne:
„Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle.“
Man kann diesen Satz nicht zurechtrücken. Man kann ihn nicht entschärfen. Man kann ihn auch nicht diplomatisch ummanteln. Denn was er sagt, sagt er genau so, wie er klingt:
Ein demokratischer Regierungschef bezeichnet einen Militärschlag – mit allen Risiken, allen zivilen Kosten, aller geopolitischen Sprengkraft – als Dienstleistung im Schmutz, als Stellvertreter-Aktion im Auftrag des Westens, als etwas, was man selbst lieber nicht tut, aber gerne machen lässt.
Was für eine Sprache!
Was für eine moralische Preisgabe!
Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker, Demokrat, Bürger, hat auf diesen Satz reagiert – nicht mit Empörung, sondern mit Präzision. Er schreibt auf Bluesky:
„Krieg ist ganz fürchterlich, egal ob jemand einen Krieg nun berechtigt findet oder nicht. Das sollte ein Minimalkonsens sein, auf den sich alle einigen können. Krieg ist keine Drecksarbeit, weil Krieg Menschenleben kostet – und zwar immer und überall, vor allem Unschuldige.“
Das ist kein Satz, der sich empört. Es ist ein Satz, der nach unten schlägt, dorthin, wo Merz’ Sprache sich versenkt hat.
Kowalczuk verweist auf Victor Klemperers LTI und Dolf Sternbergers Wörterbuch des Unmenschen – und genau da gehört dieses „Drecksarbeit“ auch hin. Zwischen „Sonderbehandlung“ und „Menschenmaterial“.
Nicht weil Merz ein Faschist wäre – das ist gar nicht die Frage –, sondern weil er Sprache benutzt, die den Menschen ausradiert.
Denn was ist die Funktion von „Drecksarbeit“?
Es reinigt den Täter. Es entwertet das Opfer. Es verschiebt die Verantwortung nach außen.
„Wir sind betroffen“, sagt Merz. Aber betroffen wovon? Vom Iran? Von Israels Angriffen? Oder davon, dass man seine eigene militärische Passivität rechtfertigen muss?
Wer Kriegsakte als „Drecksarbeit“ bezeichnet, spricht nicht über Realität, sondern über Entlastung.
Und wer andere für sich töten lässt, ohne die Folgen zu tragen, sollte wenigstens den Anstand haben, nicht auch noch die Sprache zu missbrauchen.
Kowalczuk trifft ins Zentrum: „Wer Menschen so als Dreck bezeichnet, sollte Klemperers LTI oder Sternbergers Wörterbuch des Unmenschen zur Hand nehmen.“
Denn in solchen Sätzen spiegelt sich der Zustand einer politischen Klasse, die gelernt hat, dass Worte keine Konsequenzen mehr haben.
Aber sie haben welche.
Immer.
„Drecksarbeit“ ist kein Versprecher.
Es ist ein Symptom.
Für die Sprache einer Politik, die sich selbst aus dem Moralkonto ausgetragen hat.
Die Kriege führt, ohne sie zu erklären.
Die Menschen sterben lässt, ohne sie zu benennen.
Die den Tod delegiert – und das Leben entwertet.
Wer so spricht, sollte schweigen.
Wer so denkt, sollte nicht regieren.