[Rezension] Gene Sharp From dictatorship to democracy, was kann man alles nicht machen

Es ist in über 30 Sprachen übersetzt, es ist verboten in Ländern wie dem Iran und Venezuela und der serbische Oppositionelle Srda Popovic beruft sich darauf als Blaupause für den Widerstand. 1993 wurde "From dictatorship to democracy" von Gene Sharp veröffentlicht. Das Buch beschreibt in vielfältiger Weise wie gewaltloser Widerstand gegen eine Diktatur geleistet werden kann. Sharp (21. Januar 1928 - 28. Januar 2018) selbst wurde schon Während des Koreakriegs wegen zivilen Widerstands gegen die Wehrpflicht zu zwei Jahren Haft verurteilt und verbrachte daraufhin neun Monate im Gefängnis. Seit den 1980ern sind diverse Diktaturen wie z.B. die Sowjetrepubliken und die Warschauer-Pakt-Staaten bereits zu Demokratien geworden. Die verbleibenden Diktaturen und Staaten die als unfrei gesehen werden seien weiter ein Problem. Folglich ist die Verteilung und Vervielfältigung des Buches auch ausdrücklich erlaubt. Und so wie Sharp die Beteiligung am Koreakrieg verweigert hat, ist das Buch eine Anleitung und Inspiration Widerstand zu leisten. Für den erfolgreichen politischen Widerstand sei es wichtig, dass die Menschen das Konzept des gewaltlosen Widerstands verstehen. Eine Diktatur benötigt wie jede Regierung die Ressourcen der Bevölkerung, in Form von Arbeit, Steuern oder der Einhaltung der Gesetze. Wenn folglich genügend Menschen aus der Bevölkerung lange genug die Gefolgschaft verweigern, dann wird eine Diktatur geschwächt und letztlich kollabieren. [1,S.1ff] [1,S.91]

Im Feudalstaat Chu überlebte ein alter Mann, indem er Affen in seinem Dienst behielt. Die Leute von Chu nannten ihn "Jugong" (Affenmeister).

Jeden Morgen versammelte der alte Mann die Affen in seinem Hof und befahl den einen zum anderen zu den Früchten von Büschen und Bäunen. Es war die Regel, dass jeder Affe dem alten Mann ein Zehntel seiner Sammlung geben musste. Diejenigen die dies nicht tun werden rücksichtslos ausgepeitscht. Alle Affen litten bitter wagten es aber nicht sich zu beklagen.

Eines Tages fragte ein kleiner Affe die anderen Affen: Hat der alte Mann alle Obstbäume und Büsche gepflanzt?

Die anderen sagten: Nein, sie sind natürlich gewachsen.

Der kleine Affe fragte weiter: Können wir die Früchte nicht ohne Erlaubnis des alten Mannes nehmen?

Die anderen antworteten: Ja, wir können es alle.

Der kleine Affe fuhr fort: Warum sollten wir uns dann auf den alten Mann verlassen? Warum müssen wir ihm alle dienen?

Bevor der kleine Affe seine Aussage beenden konnte, wurden alle Affen plötzlich erleuchtet und geweckt.

In derselben Nacht, als sie beobachteten dass der alte Mann eingeschlafen war, rissen die Affen alle Barrikaden der Palisaden nieder in denen sie eingesperrt waren und zerstörten die Palisaden vollständig. Sie nahmen auch die Früchte des alten Mannes mit, brachten alle mit in den Wald und kehrten nie zurück. Der alte Mann starb schließlich an Hunger.

Yu-li-zi sagt,

Einige Männer auf der Welt beherrschen ihr Volk durch Tricks und nicht durch rechtschaffene Prinzipien. Sind sie nicht nur wie der Affenmeister? Sie sind sich ihrer Verwirrung nicht bewusst. Sobald ihre Leute erleuchtet sind, funktionieren ihre Tricks nicht mehr. [1,S.17]

Sharp warnt aber auch wiederholt vor Fallen in die eine Bewegung tappen kann. Fallen welche die Bewegung unterlaufen oder sogar zerschlagen können. Wahlen sind das Merkmal von Demokratien und das Ziel, Wahlen können aber zur Farce werden, wenn die Kandidaten vorher kontrolliert oder sogar auswählt werden. Für echte Wahlen müssen sich die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten deutlich voneinander unterscheiden. Sharp bewertet deswegen nicht alle Staaten der ehemaligen Sowjet-Union als demokratisch. Und Tatsächlich sind Politiker wie Alexander Lukashenko in Belarus, Nursultan Nasarbajew in Kasachstan und die Familie Aliyev in Aserbaidschan überdurchschnittlich lange im Amt. [1,S.5]

Verhandlungen mit einer Diktatur können ebenfalls eine Ablenkung sein. Verhandlungen könnten der Diktatur helfen Widerstand aufzulösen und damit ihren eigenen Einfluss zu retten. Unterhändler und Vermittler könnten von der Diktatur gekauft oder sogar entführt werden. Ein zu schnelles oder zu großzügiges Angebot sollte also mit großer Skepsis gesehen werden. [1,S.10]

Sharp warnt auch vor den eigenen Mitgliedern. Es sei Möglich dass Mitglieder geringere Ziele verfolgen. Ein Regierungswechsel sei für diese dann nur eine romantische Vorstellung aber kein realistisches Ziel. Und eine regierungskritische Protestbewegung ist unweigerlich mit allen Ressourcen einer des Staats konfrontiert. Die Einschüchterung dieser Herausforderung und die eines Scheiterns sollte deswegen vermieden werden. [1,S.42]

Protestbewegungen sollen sich im nicht auf andere Staaten verlassen, da diese mangels Nutzen wenig Interesse an Menschenrechten in anderen Ländern haben. Fremde Staaten tolerieren Diktaturen oder unterstützen diese sogar z.B. durch Waffenverkäufe. Einige Staaten könnten jedoch ihre eigenen Interessen verfolgen indem sie Protestbewegungen unterstützen. Wenn es eine Protestbewegungen also schafft dass sich ihre Ziele und die Interessen anderer Staaten decken, dann könnte diese Unterstützung von Außen erhalten. [1,S.6]

Dieser Hinweis sollte Kontext politischer und militärischer Interventionen betrachtet werden. Es gibt von der Brutkastenlüge aus dem ersten Golf-Krieg bis zu den mangelnden Beweisen gegen Slobodan Milosevic unzählige Beispiele bei denen andere Staaten in die inneren Angelegenheiten eines Landes eingegriffen haben. Es gibt auch den Vorwurf dass das Buch nur dazu dient um die Interessen einiger Staaten im Rest der Welt zu verfolgen. Gewalt gegen gewalttätige Regierungen gibt Sharp jedoch eine klare Absage. Gewalt legitimiert Gegengewalt und die Regierungen sind wegen ihrer Ressourcen klar überlegen. Ein Putsch sei illegitim und wer so handelt sei nicht vertrauenswürdig. Wer so handelt macht wegen der gewalttätigen Methoden nur den Weg für eine neue Diktatur frei. [1,S.4]

Damit ist sich Sharp mit Gandhi einig. Auch er vertrat die Einstellung dass alles was man mit Gewalt gewonnen wurde, nur man mit Gewalt gehalten werden kann. Ob Sharp immer ehrlich war und sich der Nutzung seines Werkes bewusst war bleibt jedoch offen.

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https://einfache-standards.blogspot.com/

[1] Gene Sharp - From dictatorship to democracy - ISBN 1-880813-09-2

https://www.aeinstein.org/wp-content/uploads/2013/09/FDTD.pdf

[2] Wie man einen Diktator stürzt: Eine Anleitung auf 93 Seiten 2011-02-17

https://www.tagesanzeiger.ch/ausland/die-arabische-revolution/Wie-man-einen-Diktator-stuerzt-Eine-Anleitung-auf-93-Seiten/story/21758820?dossier_id=852

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