Als Obama Merrick Garland für den Supreme Court vorschlug brüllten die Republikaner dass so knapp vor einer Wahl das Einsetzen eines Ersatzes irgendwie unmoralisch wäre. Die Demokraten hingegen brüllten dass das eben so sei: der Präsident schlägt eine Person vor und der Senat setzt diese Person (oder auch nicht) ein und es ist völlig egal wann das passiert.

Beide Seiten pochten darauf dass es sich hierbei um eine Prinzip frage handeln würde und das Nichts, aber auch gar nichts, mit Parteilinien und Opportunismus zu tun hätte. Beide Seiten sagten mehrfach dass, wäre die Situation anders herum, würden sie genauso handeln. Nun ist nach dem Tod von Ruth Bader Ginsburg die Situation eben anders herum und genauso ist das Gebrüll jetzt spiegelverkehrt. Beide Seiten sagen genau das Gegenteil von dem was sie vor 4 Jahren gesagt haben.

Der Umstand dass die Demokraten im Senat keine Mehrheit erhielten tut dabei nichts zur Sache.

Grundsätzlich sind beide Positionen vertretbar und beide Argumentationen sind nachvollziehbar. Man müsste aber eben bei einer bleiben um glaubwürdig zu bleiben. Das gilt nicht nur für Politiker sondern auch für andere Person mit einer politischen Meinung.

Man mag zwar seine Meinung ändern aber sich einfach immer auf den Standpunkt zu stellen der sich in Macht für die eigene Gruppe übersetzt lässt einen eben übermäßig opportunistisch erscheinen. Im Gegensatz sollte man genau zuhören wenn jemand hinter einer Entscheidung steht die „seine Seite“ oder sich selbst benachteiligt.

Glücklicherweise ist das Volk vergesslich und nur wenigen fällt so etwas überhaupt auf. Es wäre natürlich der Job der freien und objektiven Presse dem Volk hier als Erinnerungsstütze zu dienen. Man könnte sogar sagen dass jene die das tun mehr „Presse“ sind als das was man im Fernsehen herumflackern sieht. Da die Presse das nicht tut und viele Menschen einfach glauben was man ihnen sagt kann es passieren dass man 2016 und 2020 in einer vergleichbaren Situation zwei diametral andere Positionen einnahm, weil der Vorsänger in der vorderen Reihe eben mal das eine und mal das andere Lied sang.

Wie dem auch sei, es ist ein wunderbares Beispiel, noch besser als das Beispiel der Wahlmänner, dass Politik eben keine Prinzipen hat.

In der Politik geht es immer darum Macht zu erhalten, indem man Menschen Dinge verspricht die man nicht vor hat zu halten. Das tut man um mit der so requirierten Macht Dinge zu tun die man selber tun möchte. Meistens sind das Dinge die dem Volk nicht unbedingt nutzen und wenn dann nur einem klitzekleinen Teil.

Das ist verständlich und liegt in der Natur der Sache. Jede politische Fraktion hat ihre Grundlage in einem Problem. Wird dieses Problem gelöst, verschwindet das Fundament und damit die Rechtfertigung der Existenz der Partei, eine Lektion die die BREXIT Partei in Großbritannien gerade eindrucksvoll demonstriert.

Das ist natürlich auch der Grund warum sozialistische Revolutionen niemals wirklich enden, denn ohne Revolution gibt es keine Revolutionsführer, sehr zum Leidwesen des erfolgreichen Revolutionsführers.

Entsprechend postuliert der machthabende Anführer nach der Machtübernahme, dass man erst am Anfang des Kampfes stünde und die Revolution, mit ihm an der Spitze, weiter für die Verbesserung der Lebenssituation des Volkes kämpfen wird. Diesen mutigen Worten folgt üblicherweise ein Wohlstandsgewinn der Führung bei gleichzeitigem Verarmen des Volkes.

Genau dieses Verarmen des Volks schiebt man dann „dem Feind“ in die Schuhe und nimmt genau das als Rechtfertigung noch revolutionärer zu agieren. Sprich noch mehr Kaviar auf Kosten des Volkes zu bestellen.

Die Revolution endet dann erst mit einer Gegenrevolution, die dann meistens auch nie endet. Das gilt auch für demokratische Revolutionen, welche ewig gegen die Regime vor ihnen kämpfen, selbst wenn von diesen Regimen nur noch Geschichten geblieben sind, aber die "Revolution" darf eben nicht enden.

Ein Politiker mit Prinzipien muss im Grunde ständig daran arbeiten sich selber arbeitslos zu machen. Man sucht sich ein Problem das das Volk wirklich bewegt, entwickelt eine Lösung und setzt diese um. Als Beispiel könnte man eben Nigel Farage, einen Mitbegründer der Brexitpartei, anführen. Wäre er ein normaler Politiker hätte er eine Karriere daraus gemacht über die EU zu jammern, so wie jede andere „nationalistische“ Partei in Europa. Farage aber handelte aus Überzeugung und setzte eine Lösung um, eine Lösung die seine ganze Bewegung nun obsolet gemacht hat.

So etwas kann man aber eben nur tun wenn man wohlhabend und Ende 50 ist. Ein aufstrebender Jungpolitiker, der nicht finanziell unabhängig ist, kann so einen Weg nicht gehen. Statt dessen ist eben genau das Gegenteil durchaus eine Karrieremöglichkeit. Zentral ist hierbei die Formulierung der „Verbesserungen“. Es gilt hierbei jede Formulierung eines Zieles zu vermeiden. Statt dessen fordert man Verbesserungen, denn alles kann bis in alle Ewigkeiten verbessert werden: zu deklarieren wohin die Reise dann am Ende des Tages gehen soll, wann kein Eingriff in unser Leben mehr nötig ist, muss vermieden werden, denn Ziele sind erreichbar und ein erreichtes Ziel ist ein Schritt zur eigenen Obsoleszenz.

In der Politik geht es um Macht.

Es geht nicht um Lösungen.

Das Volk löst Probleme, die Politik hingegen erschafft mit jeder Lösung zwei neue Probleme und zu glauben dass es sich hierbei um unerwünschte Nebeneffekte handelt, wird mit jeder gemachten Erfahrung schwerer.

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Kai-Uwe Lensky

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