Vor einigen Wochen erzählte eine Freundin ihren Kindern, dass es bei uns keinen Schnee mehr geben würde. Wegen des Klimawandels. Jetzt sitzen wir im Schneegestöber. Was können wir daraus lernen?

Nichts.

Und das ist der Punkt.

Die Idee, dass wir einen Klimawandel mit unseren Sinnen höchstpersönlich wahrnehmen können, ist eine erstaunlich weitverbreitete Illusion. Menschen „wissen“, dass es einen Klimawandel gibt und sie wissen, dass es zum guten Ton gehört, in ernst zu nehmen. Also erfahren sie ihn. Am eigenen Leib. Und erzählen das. "Weil früher ..."

Aber geht das?

Das Klima mit den eigenen Sinnen zu beobachten, ist leider so knifflig wie die das Verschieben der Erdplatten zu erleben. Aber ist das überhaupt notwendig? Muss ich die Plattentektonik mit eigenen Sinnen erleben oder reichen mir die messbaren Fakten?

Dieses Jahr schneit es eben wie wild.

Eventuell ist es ein Jahr wie 1980, oder mit etwas Pech sogar wie 1995 wo es (15 Jahre später) fast doppelt so stark geschneit hat. Ein so gemütliches Jahr wie 1958 oder 1974, wo praktisch gar kein Schnee war wird es eindeutig nicht.

Sieht man sich den Schneefall über die Zeit an erkennt man einen gewissen Trend nach unten.

angus keine

Im Mittel.

Ohne der Mathematik ist es aber knifflig einen Trend wahrzunehmen. Und dieser Trend ist so klein (rund 1cm Schnee jedes Jahr weniger) dass zum einen unsere Sinne völlig unzureichend sind und es zudem mehr als voreilig wäre den Schnee abzuschreiben.

Wir haben im Schnitt 66cm Neuschnee in Wien. Wenn wir jedes Jahr einen cm verlieren haben wir noch 66 Jahre Schnee.

Und hier landen wir bei der Frage wie seriös es ist von einer Datenlage mit 67 Datenpunkten auf zukünftige 60 zu schließen. (spoiler: nicht sehr)

Was uns zum Hauptproblem der Klimaforschung führt: die Datenlage ist nicht gut, weil unsere Fähigkeit Temperatur in der nötigen Genauigkeit zu messen noch recht jung ist. Hätten die Römer begonnen, sähe die Situation anders aus.

1970 etwa sah die Welt deswegen anders aus. Man hatte eine signifikante Menge an Resultaten (mehr als 5) und alles zeigte Richtung "es wird kälter". Auch in Wien, siehe die gleiche Kurve, aber eben nur bis 1973 (die Kurve sagt rund +3cm Neuschnee mehr jedes Jahr! "Wir werden alle im Schnee ertrinken!!" ).

angus keine

Der Konsens war, dass wir tiefer in eine Eiszeit geraten und das ein Problem sei (wäre es auch!). Dann flachte die Kurve ab und drehte sich. Plötzlich sieht es so aus als hätten wir ein anders Problem (Die Eisbären gehen uns aus).

Beide Schlussfolgerungen waren valide, beide waren wissenschaftlich, beide waren, basierend auf den Informationen die wir hatten: richtig.

Zu sagen man kann den Klimawandel erleben ist in etwa so wie einen Teil eines 1000 Stückpuzzles anzusehen und drauf zu spekulieren was das Puzzle zeigt. Das geht nicht gut.

Es gilt aber eben auch zu verstehen, dass die Experten erst eine gute Handvoll an Stücken zur Verfügung haben und das Beste daraus machen das sie machen können. Wenn man jedes Jahr nur ein Puzzlestück dazubekommt darf es nicht verwundern, dass sie vor 40 Jahren das Gegenteil von dem dachten was sie heute denken.

Die Schlussfolgerung war damals legitim. Die aktuellen sind heute legitim aber könnten sich als falsch herausstellen. Manchmal ist es seriöser zu sagen "wir wissen es noch nicht".

In wenigen Jahrhunderten werden wir mehr wissen. Erleben werden das nur wenige von uns. Wichtig ist nur zu verstehen, dass man nicht alles mit den eigenen Sinnen wahrnehmen kann und das manchmal die Schlagzeilen der <Morgen ist der Weltuntergang!!!!-Medien> und der <Morgen ist der Weltuntergang!!!!Politik> deutlich aufregender sind als die Realität.

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