Das Jahr war 2014. Ich war ein glücklicher und zufriedener Linker. Ich wusste dass Kapitalismus schlecht war, Sozialismus sich von ‚sozial‘ ableitete und daher gut war. Ich glaubte fest daran dass der Islam einfach nur ein paar Jahrhunderte hinten nach war aber mit Sicherheit auch dort landen würde wo das Christentum jetzt war: In der Bedeutungslosigkeit. Ich sah mich als neophilen Weltbürger. Gewalt gegen die Rechten sah ich als doch irgendwie legitim an. Der Staat war Fakt und eine gute Einrichtung ohne die die Welt nicht bestehen könnte. Eine Starke EU erschien mir ein verfolgenswertes Ziel, schließlich müsst man dem Amerikaner Paroli bieten. Mit Obama war ich nicht mehr ganz so glücklich, dazu hatte er mir zu viele Menschen weggebombt aber gegenüber Bush erschien er noch wie eine Wohltat.

Ich saß im Zug, auf dem Weg zur Arbeit. Es muss Winter gewesen sein, denn statt ein Buch zu lesen hörte ich mir Lore Videos über Warhammer an. Wer es nicht kennt, Warhammer ist im Grunde ein Brettspiel mit einigen hundert Seiten Regeln und einigen Millionen Seiten Hintergrundgeschichte. Plötzlich schlug mit Youtube ein Video über „Sexismus in Warhammer“ vor. Ich war gespannt. Das Video war überraschend. Mir war klar dass es Feministen gab die gelinde gesagt hysterisch sind, aber die dort gezeigten Artikel waren verblüffend.

Natürlich, ein Kriegs Brettspiel ist fast immer männlich dominiert, aber nach meiner persönlichen Erfahrung werden Frauen in diesen Kreisen nicht ausgeschlossen sondern als „etwas Seltenes und Exotisches“ eher hoch geschätzt. Dazu kommt dass das Spielesystem voller kämpfender weiblicher Charaktere ist. Um so verwunderlicher waren die Artikel, die der Youtuber unter verhaltenem Gelächter vorlas, dass das System sexistisch sei da die mächtigsten Charaktere alle männlich seien und die Männer Frauen nicht nur nicht mitspielen lassen sondern sie mit Tod und Vergewaltigung bedrohen.

Vor meinem geistigen Auge blitzten nun die klassischen Warhammerspieler auf. Ich musste schmunzeln.

Mein Interesse war geweckt und ich suchte nach weiteren Kommentatoren die über solch ulkige Menschen berichteten. Nach einigen Tagen 3rd/4th Wave Feminismus öffnen sich neue Türen.

Ich denke meine nächste Station waren Videos in dem Zitate aus links und rechtsradikalen Foren unter Auslassung von Schlüsselwörtern vorgelesen wurde und der Youtuber versuchte herauszufinden ob die Quelle nun ein Linker oder ein Rechter war.

Solche Sätze klangen etwa so: „Die XXX finanzieren Chemtrails“ Einfach. Rechte.

Linke glauben nicht an Chemtrails.

Oder: „Die Verwendung des Wortes XXX ist problematisch, da es einen Zusammenhang zwischen Biologie und Verhaltensmuster impliziert“ Auch einfach, oder?

An dieser Stelle dämmerte mir langsam dass der linke Flügel eine erstaunlich große Menge an Wahnsinn mit sich herumführt und dieser Wahnsinn auf verflixt renommierten Seiten seinen Senf zum Weltgeschehen abgeben darf. Man überlegt ob es so etwas wie „zu links“ dann doch gibt. Wenn es nun linke Spinner gibt, gibt es dann vernünftige Rechte? Der nächste Halt führte mich zu konservativ anarchistischen Denkern, ebenso suchte ich nach vernunftzentrierten Linken.

Bei den Konservativen fand ich das Nichtaggressionprinzip, ein Motto das eindeutig hängen geblieben ist. Es besagt dass Zwang, Nötigung und Diebstahl niemals rechtfertigbar ist, Selbstverteidigung, im Falle einer glaubwürdigen Bedrohung, aber immer.

Im vernünftigen Linken Flügel fand ich Menschen die das was wir im Westen aufgebaut hatten bewahren wollten. Diese Fraktion sprach sich für Grenzen und eine Konsolidierung aus und gegen Wachstum um jeden Preis. Sei das nun die Bevölkerung oder die Grenzen der EU. Man müsse das Erkämpfte zementieren und sichern, bevor man weiter machen. Witzigerweise erschien mir das recht defensiv, fast konservativ.

Die, dem Namen nach, Konservativen hingegen schlugen hingegen eine Alternative vor die für mich Revolutionär klang: wir dezentralisieren die Macht.

Wir geben nicht mehr der Regierung das Geld und sie entscheiden für uns, sondern wir, das Volk, entscheidet. Das führte mich das erste Mal in meinem Leben zur Wirtschaftslehre, etwas das ich bis dato auf das äußerste Notwendige beschränkt hatte. In einem ersten Schritt begann ich mich mit der Chicagoer Schule zu beschäftigen, landete aber recht bald auch bei der Austrian School. Hier verstand ich was Geld ist und was ein Preis ist. Hier lernte ich das erste Mal in meinem Leben das Geld keine Probleme lösen konnte, denn Geld war eben nur Information. Wenn Geld aber nur Information war, dann war Umverteilung das systematische Versklaven von Menschen. Logischerweise.

An dieser Stelle war es mir nicht mehr möglich mich als Linken zu verstehen.

Wie konnte man für eine Politik eintreten die ein System forderte das die Produktiven, die Arbeiter, systematisch versklavte um Menschen Leistungen zu geben die der Gesellschaft nichts zurückgaben. Hier dämmerte mir langsam dass die Superreichen die ich so hasste nicht vom Staat in Schach gehalten wurden sondern ihren Wohlstand durch den Staat zum Teil erhielten, festigten und verteidigten. Der Staat war nicht das Bollwerk des Volkes gegen die Mächtigen. Es war genau anders herum. Aber warum dachte ich dass der Staat auf meiner Seite war? Womöglich weil Menschen die ihr Gehalt vom Staat bezogen es mir zwei Jahrzehnte eintrichterten?

Irgendwann hier begann ich zu schreiben. 2016? 2017. Irgendsowas.

Zuerst wollte ich die Linke retten, zurückführen, sie wieder zu einem Werkzeug der Arbeiter machen. Irgendwann verstand ich aber warum die Arbeiter, instinktiv, gegen den Sozialismus waren, etwas das ich als Jugendlicher niemals verstand. Auf einer instinktiven Ebene verstanden viele Arbeiter, dass der Sozialismus ihnen nicht nutzte sondern sie dort band wo sie schon sind. Aufstieg, für sie und wichtiger: für ihre Kinder, ist in einem kapitalistischen System möglicher. Die ganze Welt versteht das, deswegen will ja jeder in ein kapitalistisches System einwandern.

Dieses Verständnis ist aber überlagert von Propaganda die uns sagt dass das was wir sehen und fühlen nicht das ist was wirklich ist.

Rückwirkend betrachtet war ich links weil man mir sagte dass ich es ein musste. Es gab keine Alternative.

Seit etwa 2017 erzählen Menschen unter #walkaway wie sie sich von der edlen Lüge der Linken trennten und akzeptierten dass die Welt ist wie sie ist.

Für die meisten von uns war dieser Sprung schmerzhaft. Zu akzeptieren dass man ein nützlicher Idiot war, zu akzeptieren wie viele Kilometer man für die falsche Seite marschiert hat, zu akzeptieren dass die Supermächtigen einen benutzt haben ist schwer. Verdammt schwer. Vor allem wenn der Freundeskreis und die Familie durch die Bank der edlen Lüge anhängt.

Aber Sich umzudrehen und zu sagen „Nein. Ich gehe nun meinen Weg“ ist möglich und es ist wichtig. Die Alternative ist es weiter zu marschieren und trotz all der fürchterlichen Dinge die die Mächtigen unter ihren Flaggen, Sei das eine Nationalflagge oder die Flagge der EU, tun darauf zu hoffen dass irgendwann ein gütiger Führer kommen könnte der uns Sünder ins Paradies führt.

Ich für meinen Teil habe diese Hoffnung nicht nur begraben sondern schäme mich dafür dass ich auf so einen Unsinn jemals gehofft habe.

Heute setzte ich mein Vertrauen in das Volk. In mich, meine Familie und in Dich, lieber Leser, egal ob du meiner Meinung bist oder nicht, glaube ich dass mir von dir weniger Leid droht als von den Systemen und Führern die der linke Flügel schützt und fördert.

Wir, das Volk, machen den Unterschied. Wir können eine friedliche Welt bauen und beginnen die Probleme zu lösen, nicht Hand in Hand oder im Einheitsschritt sondern im friedlichen Wettbewerb der Ideen.

Stell dir solch eine Welt vor. Ist so eine Welt nicht Wert sich einzugestehen dass man sich geirrt hat?

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