Ein großer Teil meines Lebens spielt sich im Internet, vor dem Laptop und am Handy ab. Ich schreibe zwei eigene Blogs und auch so manche Auftragsarbeit, und bin dadurch auf vielen Social Media Kanälen Zuhause. Egal ob Facebook, Instagram, Pinterest, ich habe lebende Accounts und belustige sogar meine Follower auf Snapchat. Was zur Folge hat, dass ich mich sehr oft im Welt weiten Netz herumtreibe und somit auch ein großer Teil meiner privaten Kontakte aus diesem Bereich stammen. Oft sind diese Menschen ein ordentliches Stück jünger als ich und stammen aus der Generation meiner Kinder. Also einer Altersklasse die mit Playstation und Gameboy aufgewachsen ist. Ich muss gestehen, dass ich einer der ersten Menschen in Österreich war, der einen Gameboy besaß und so süchtig nach Tetris war, dass ich bei der Geburt meiner jüngeren Tochter das Ding erst aus der Hand gab, als man mich in den Kreissaal verlegte. Irgendwann hat sich diese Spiellust , um nicht Sucht zusagen, ziemlich minimiert und mein Verlangen nach elektronischer Unterhaltung hat sich auf Mahjong oder ähnliche Stratgiespiele verlagert und das aber nur noch sehr selten.

Natürlich gab es in unserem Haushalt mit vier Kindern über Jahre hinweg sämtliche aktuellen Konsolen mit allen topaktuellen Spielen. Ich habe mich aber nicht mehr aktiv daran beteiligt, weil kein Interesse bei mir bestand.

Und plötzlich taucht PokémonGo auf. Es wäre vermutlich spurlos an mir vorübergegangen, wenn nicht immer und überall Menschen um mich herum von dieser virtuellen Monsterjagd gesprochen hätten. Interessanterweise spielt keines meiner erwachsenen Kinder dieses Spiel, aber natürlich kam die Frage an die internetafine Mutter, ob sie denn schon auf der Jagd wäre. Bis zum Tag der öffentlichen Inbetriebnahme in Österreich vor einer Woche hat mich dieses Spiel tatsächlich kalt gelassen und nicht tangiert. Ich sollte erwähnen, dass ich bis heute keine Ahnung vom Originalspiel aus den 90ern habe und auch nicht weiß, wie diese Viecherl alle heißen, geschweige denn worum es eigentlich wirklich geht.

Nachdem sich meine sämtlichen Kanäle beinahe nur mehr mit Pokémon-Meldungen füllten, musste es ja so kommen, wie es dann kam. Am Montagabend war ich allein Zuhause und habe mit klamheimlich die App heruntergeladen. Da lag er nun ganz prominent , dieser rot/weiße Pokémonball zwischen ÖBB, Airberlin, Facebook, meinem Bankaccount und anderen Apps für Menschen in meinem Alter. Es dauerte ein wenig bis alle Funktionen installiert waren. Natürlich habe ich keine Gebrauchsanweisung oder so gelesen, der internetafine, selbstbewusste User hat sowas learning by doing im Griff. Also habe ich das Spiel dann geöffnet, es wurden Fragen gestellt, auch zu meinem Alter, die ich ganz wahrheitsgemäß beantwortet habe, in der großen Hoffnung, dass es vielleicht eine Lightversion für User50plus geben könnte. Als Usenamen wählte ich jenen, den ich für all meine Social Media Accounts verwende. Ob das so klug war, glaube ich nicht mehr so ganz. Also, fertig angemeldet erscheine ich am Bildschirm. Oder bessergesagt mein, in eine braune Decke gehüllter Oberschenkel, denn ich lungerte faul auf der Couch herum. Und was saß auf erwähntem linken Schenkel? Erraten, ein mir unbekanntes Viech, was mir einen spitzen, leicht hysterischen Schrei entlockte und mich ruckartige aufspringen ließ. Zitternd versteht sich. Ich atmete tief durch und bewegte mich zurück in die vorherige Position. Ja, tatsächlich in meiner Wohnung wohnte ein virtueller Gast, und das schon seit Tagen. Vermutlich hatte ich mich schon unzählige Male draufgesetzt, ohne davon zu wissen. Und nun schritt ich zur Tat und wollte das Tier, oder was das auch immer war, die Aufregung hat die Erinnerung verdrängt, erschießen, einfangen oder sonst irgendwie treffen. Gefühlte fünf Minuten war ich damit beschäftigt irgendeine Aktion zu setzen und war vollkommen ahnungslos, worum es da eigentlich ging. Irgendwann war das Viecherl dann nicht mehr auf meinem Schenkel und ich weiß auch nicht wo es hin verschwunden ist. Vermutlich sitzt es in meinem Handy und lauscht meinen Telefonaten oder lacht sich über meine Snaps schief. Ich habe das Smartphone dann zur Seite gelegt. Beruhigung war von Nöten. Keine fünf Minuten später hielt ich es wieder in Händen, denn so leicht wollte ich mich nicht geschlagen geben. Ich bin dann im Pyjama in meiner relativ weitläufigen Wohnung herumgewandert auf der Suche nach weiteren Monstern. Wie eine Kammerjägerin auf der Jagd nach Kakerlaken und Silberfischerln. Die Wohnung war zu diesem Zeitpunkt ohne Fremdbewohner, eventuell leben Lurche unter den Betten, aber die standen ja nicht auf der Jagdliste. Dann bin ich erhobenen Hauptes auf meine Dachterrasse geschritten. Das Handy souverän in beiden Händen mit dem festen Vorsatz an diesem Tag zumindest noch ein zweites Exemplar einzusammeln. Auf der Terrasse selber, Fehlalarm. Aber unten am Parkplatz, da saß einer, eine, eines. Irgendetwas eben. Ich war allerdings zu weit weg um in Aktion treten zu können. Kurz kam der Gedanke auf, im Pyjama schnell hinunter zu laufen. Es war inzwischen ja schon dämmrig und ich lebe in einer eher ruhigen und beschaulichen Gegend. Ein Funke von Vernunft hat mich dann doch davon abgehalten und das Ding sitzt vermutlich immer noch unter meinem Auto. Ich habe seit diesem Zeitpunkt das Spiel nicht mehr in Betrieb genommen. Deinstalliert habe ich es nicht. Kommende Woche bin ich in Belgien, da kennt mich keiner.

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Silvia Jelincic

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Duni

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liberty

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