Mit dem Begriff „Placebo“ kann mittlerweile (fast) jede/r etwas anfangen. Ich meine damit nicht die im deutschen Sprachraum durchaus erfolgreiche Alternative-Rock-Formation. Es geht vielmehr um die Bedeutung für pharmakologische Studien, bei dem an sich wirkungslose Präparate erstaunliche Heilungsfortschritte bewirken können. In diesem Beitrag werde ich verstärkt auf den Nocebo-Effekt eingehen, der negative Reaktionen auf ebenso wirkungslose Präparate hervorruft – weil der Anwender glaubt, durch die Nutzung beeinträchtigt zu werden.

Man könnte diesen Effekt auch als „negative self-fulfilling prophecy“ bezeichnen: es wird erwartet, mit negativen Konsequenzen umgehen zu müssen, also treten diese auch ein. Die Wirkung hängt stark mit Konditionierung zusammen: wenn ich behaupte, dass das Lesen dieses Blogs einen trockenen Mund, Taubheitsgefühle in den Füßen und Nackenschmerzen hervorruft, wirst du verstärkt darauf achten und sämtliche auftretende Unwohl-Gefühle auf meinen Blog zurückführen. Wenn ich jetzt aber schreibe, dass du bloß durch das Lesen dieses Beitrages erreichst, dass du heute Abend gelobt wirst und morgen die Sonne scheint und dies dann tatsächlich eintritt, habe ich wohl einen treuen Leser gewonnen ;)

Mir geht es mit diesem Artikel aber vor allem darum, die Kraft persönlicher Suggestion zu betonen – denn häufig wird durch öffentliche mediale Arbeit („Werbung“) versucht, uns in eine Richtung zu beeinflussen, um gewisse Produkte häufiger zu kaufen. Im Winter liest man häufig vom „wirksamen Medikament gegen Grippe“, wo man keinen Husten, keine Halsschmerzen, usw. mehr verspüren werde. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht in den zuletzt vielzitierten Impfkonflikt einmischen, sondern meine Methode beschreiben, so selten krank zu sein (den letzten Krankenstand hatte ich 2012 – aufgrund eines Knochenbruchs!). Es ist im Grunde ganz einfach: ich versuche, Werbungen so wenig wie möglich ausgesetzt zu sein, keine Medikamente „auf Vorrat“ einzunehmen (insbesondere Vitaminkapseln), häufig die Treppenhäuser zu nutzen und ausreichend zu schlafen.

Nocebo – aus dem Lateinischen: „Ich werde schaden.“ Ängstliche Menschen, die sich dann auch gerne mal Beipackzettel bis zum Ende durchlesen, sind häufiger von diesem Effekt betroffen. Ärzte und Apotheker, die alle möglichen Nebenwirkungen aufzählen, bringen mich zur Frage: scheinbar fühlen sich die Menschen insgesamt schlechter (bzw. sie leiden unter Konzentrationsstörungen und Ähnlichem), wenn man sie mit allen Details konfrontiert. Klar ist mir bewusst, dass ich im Straßenverkehr ums Leben kommen kann – aber ich bin glücklicherweise noch nie gestorben, also wird’s mir heute auch nicht passieren (das wäre ja geradezu außergewöhnlich!).

Der Umstand, dass Studien dazu mehr als bloß ethisch fragwürdig wären (man redet Menschen zu befürchtende negative Konsequenzen ein, obwohl sie wirkungslose Medikamente einnehmen), hat Facebook offenbar nicht gehindert, die Nachrichten zu manipulieren, die einzelnen Nutzern angezeigt wurden.[1] Wie erst im Vorjahr bekannt wurde, experimentierte der US-Konzern mit der Laune von rund 690.000 Mitgliedern herum. Die Ergebnisse waren wenig überraschend: die Gefühle der anderen Nutzer sind „ansteckend“. Im Klartext: Menschen, die häufiger positive Inhalte angezeigt bekamen, posteten selbst vermehrt positive Einträge – und umgekehrt. Ob dies damals völlig legal ablief, ist nach wie vor unklar[2], die AGB wurden erst Monate später entsprechend angepasst. Die Nutzerdaten dürfen heute selbstverständlich für Analyse- und Forschungszwecke verwendet werden – dies fällt alles unter den Punkt „Bereitstellung, Verbesserung und Entwicklung von Diensten“[3].

Die negativen Botschaften auf den Zigarettenpackungen sollten in erster Linie abschreckend wirken, so der Plan der Europäischen Gesetzgeber. Mich würde interessieren, ob in letzter Zeit mehr Leute an Lungenkrebs gestorben sind als zuvor – einfach weil sie häufig über dieses Risiko informiert wurden. Wenn man ernsthaft den Zigarettenkonsum verringern will, würde ich zunächst empfehlen, Nikotin und Tabak nur mehr getrennt und wesentlich teurer zu verkaufen, Menthol und ähnliche Beimengungen zu untersagen und Rauchern aktiv Entwöhnungstherapien anzubieten. Aber ihr habt nicht ernsthaft geglaubt, dass diese lustigen bunten Bildchen dazu führen würden, dass niemand mehr raucht?!

Ich meide aktuell nach Möglichkeit Meldungen wie „Burgenländer erschlägt seine Frau mit einem Hammer“ oder „Österreicher in Libyen vermisst“ – weil das einerseits mit meinem Leben rein gar nichts zu tun hat und mich andererseits bloß ängstlich oder depressiv machen würde. Am liebsten wäre mir eine Zeitung, die ohne nationalen Bezug positive Beiträge bringt: „Fortschritt in der Forschung: HIV bald heilbar“ oder „Friedensnobelpreisträger aus 2009 beendet seine kriegerischen Ambitionen rund um den Globus und sperrt Guantanamo zu“. Mir ist schon klar, das Leben ist kein Wunschkonzert. Aber ich kann mir’s bis zu einem gewissen Grad selbst richten, welche Botschaften ich an mich heranlasse, wie viel ich mir über den möglichen Eintritt negativer Ereignisse ich mir Sorgen mache und wie ich über meine Mitmenschen denke. Manche Medien zimmern sich ihre Inhalte aber reißerisch zusammen, um überhaupt ein paar wenige LeserInnen halten zu können, die an all den Schmarrn glauben. Ein paar Tipps bringt eine Lebenshilfe-Plattform[4] unter dem Titel „Wenn Glaube krank macht“: man soll die Gesellschaft von Menschen meiden, die ständig über Krankheiten und Gebrechen reden. Man soll Bücher von herausragenden Persönlichkeiten lesen, die über ihr erfülltes Leben berichten.

Weitere Quellen: Horst Lüning[5], Spiegel[6] und Planet Wissen[7].

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