Ist Netanjahu völlig isoliert ? Verweigerten USA Satellitenbilder ?

Im Zusammenhang mit dem jüngsten in den letzten 75 Jahren fast schon routinemäßigen Nahostkrieg wurde behauptet, dass der jüngste Angriff der Hamas auf Israel völlig überraschend gekommen wäre.

Das ist aus vielerlei Hinsicht entweder unplausibel oder unnormal.

Normalerweise erhält Israel Geheimdienstinformationen und Satellitenfotos aus den USA, ihrer Schutzmacht.

Es könnte daher so sein, dass dieses Mal wegen der traditionellen Spannungen zwischen den US-Demokraten und Netanjahu die USA Israel die Satellitenfotos verweigerten, die sie Israel normalerweise liefern. Ebenso könnte es sein, dass israelische Geheimdienste Natanjahu Infos über den bevorstehenden Angriff vorenthielten, um Netanjahu zu stürzen. Es könnte auch sein, dass Netanjahu eine LIHOP-Strategie betrieb, eine Let-it-happen-on-purpose-Strategie, dass er also im Vornherein von den bevorstehenden Anschlägen der Hamas informiert gewesen sein könnte, Gegenmaßnahmen aber unterliess, um sich (und Israel) besser zum Opfer stilisieren zu können, und radikaler gegen die Palästinenser im Gaza-Streifen vorgehen zu können.

Die Aussagen von US-Politikern, wie beispielsweise US-Präsident Biden in Bezug auf Waffenhilfe für Israel, stehen dem nur äußerst bedingt entgegen. Die entsendete US-Marine-Gruppe hat vielleicht eher defensiven Charakter, bei der Raketenabwehr zu helfen.

Die mediale Öffentlichkeit praktisch überall auf der Welt ist derart, dass man Israel bzw. Netanjahu praktisch nicht kritisieren kann, ohne massive Gefahr zu laufen, als Antisemit oder Terror-Sympathisant bezeichnet zu werden, was in vielen Fällen ein absolutes Karriereende bedeutet, siehe den tödlichen Unfall oder Selbstmord oder was auch immer das war, des deutschen Ex-Ministers Möllemann (Ex-FDP).

Auch nicht ausgeschlossen werden kann eine geschauspielerte Überraschung von Seiten der Netanjahu-Regierung, um an den Jom-Kippur-Kriegs-Mythos aus Jahr 1973 anzuknüpfen, obwohl diesmal die militärische Lage eine völlig andere ist, und die Hamas-Seite der israelischen Armee weit, weit unterlegen.

Umgekehrt ist es eher so, dass die israelische Offensive einen größeren Nahostkrieg verursachen könnte, und dass der israelische Premierminister Netanjahu vielleicht alle von ihm in den letzten Jahren geschlossenen Verträge mit arabischen Staaten wieder kübeln und vergessen könnte.

Ein Anlaß dafür könnte die clausula-rebus-sic-stantibus sein, dass also Verträge nur gelten, solange die Vertragsgrundlage intakt bleibt.

Und ein etwaig übermäßig hartes zukünftiges Vorgehen der israelischen Armee im Gaza-Streifen könnte alle Verträge per clausula-rebus-sic-stantibus obsolet machen, die Netanjahu/Israel in den letzten Jahren geschlossen hat. Allerdings relativiert auch das 75-jährige Laufen des Nahostkonflikts die Bedeutung von Netanjahu.

Man muss hinzufügen, dass die Hamas keineswegs die Ursache des Nahostkonflikts ist, sondern dass der Nahostkonflikt schon viele Jahrzehnte lang schwelte, bevor es die Hamas gab.

Viel eher könnte es umgekehrt so sein, dass das jahrzehntelange Scheitern der Verhandlungen zwischen Israel und PLO/Fatah zur Gründung und zum Aufstieg der Hamas maßgeblich beitrug. Ähnliches gab es auch im Kosovo, wo es jahre- oder jahrzehntelang zu keinem fairen Frieden zwischen der serbische Seite und der LDK von Rugova kam, was der Grund war, warum immer mehr Kosovo-Albaner ins Lager der radikaleren UCK drifteten. Damals waren "wir", also der Westen auf Seiten der UCK, obwohl sie ähnliche radikal-islamistische Züge trägt wie die Hamas - somit stellt sich auch die Frage der Doppelmoral.

Wenn man das völkerrechtliche Gewaltverbot auch als Gewaltprovokationsverbot sieht, so könnte man Netanjahus Wahl der extremen Rechten als Koalitionspartner und die resultierende Politik als eine völkerrechtswidrige Gewaltprovokation betrachten.

D.h. möglicherweise wollte Netanjahu von Anfang an die Palestinenser aus dem Gaza-Streifen ermorden oder vertreiben, und hat deswegen die extreme Rechte aus Provokationsgründen als Koalitionspartner gewählt und eine dementsprechende Politik betrieben, weil er vielleicht damit rechnete, dass die Hamas darauf mit Raketenabschüssen und kleinräumigen Offensiven reagieren würde.

Eine solche Vorgehensweise und Denkweise könnte gemäß dem erweiterten Gewaltverbot, das auch ein Gewaltprovokationsverbot umfasst, eine Mitschuld von Netanjahu an den Raketenabschüssen durch die Hamas bedeuten.

Auch in Zusammenhang mit der Ukraine-Kriegs-Müdigkeit, die sich in vielen Ländern ausbreitet, könnte die Idee, in einen neuen größeren Nahostkrieg hineinzuschlittern, der in Kombination fast Weltkriegsausmaße bekommen könnte, auf Widerwillen stossen.

Dass Netanjahu entgegen allen Friedenssignalen und Deeskalationssignalen (wie US-Schuldengrenzenerreichung) nun zusammen mit der islamischen Gegenseite weiter an einer Eskalationsspirale dreht, die auch in einen Weltkrieg münden könnte in Kombination mit den anderen Konflikten, ist eine Anomalie.

Aber vielleicht ermöglicht die fast westweite pro-Netanjahu-Hegemonie, bzw. Pro-Likud-Hegemonie in den Medien Netanjahu, seine Ziele anzustreben, und die ganze Welt in eine Weltkriegsgefahr mitzureissen. Man muss hinzufügen, dass es durchaus so sein könnte, dass auch viele Juden und Jüdinnen Netanjahu bzw. der pro-Netanjahu-Hegemonie kritisch gegenüberstehen, dies aber nicht explizit, sondern nur äußerst verklausuliert sagen können, ähnlich der Noelle-Neumann-Schweigespirale, in einer Diskursform, wie sie normalerweise in Diktaturen zu finden ist.

Es besteht die Gefahr, dass Netanjahu mit einer etwaig als verantwortungslos betrachtbaren zukünftigen Offensive zahlreiche arabische bzw. islamische Staaten und Völker in die Arme Russlands und Chinas treibt, was zu einer katastrophalen geopolitischen Situation für USA und EU, insbesondere in Hinblick auf den Ukrainekrieg führen könnte. Apropos: dass die Ukraine in der letzten Zeit immer nur jüdische Präsidenten, nämlich Poroschenko und Selenskyi hatte, hat vor diesem Hintergrund auch einen sehr problematischen Beigeschmack.

Und letztlich stellt sich auch die Frage nach der Aussage des britisch-katholischen Historikers Lord John Acton, wonach Macht dazu tendiere, zum korrumpieren, und absolute Macht dazu tendiere, absolut zu korrumpieren.

Anders gesagt, bei der enormen Macht, die Netanjahu von jüdischen oder pro-jüdischen oder pro-likud-Medienleuten geschenkt bekommt, ist eine gewisse Korruptions- und Mißbrauchstendenz wohl die ganz normale Tendenz a la Acton, die es bei nicht-jüdischen Völkern und nicht-jüdischen Politikern vermutlich genauso geben könnte, oder gäbe.

Ich möchte oder muss hinzufügen, dass ich mich von der Hamas distanziere: beispielsweise vertritt sie eine Islam- und Koran-Interpretation, die ich nicht gutheisse, sondern ablehne. Aber leider scheint dieser Konflikt jede Debatte darüber, ob man den Koran und die Hadithen anders interpretieren könnte oder sogar müsste, durch den jüngsten Nahostkrieg wieder erstickt zu werden, und das ist vielleicht auch die Absicht sowohl der Netanjahu-Regierung wie auch der Hamas und ihrem Schutzherren und Unterstützer Iran.

Ein weiterer Punkt an der Hamas-Doktrin, den ich ablehne, ist die totale Ablehnung und Nicht-Anerkennung des Staates Israel.

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Jeff

Jeff bewertete diesen Eintrag 08.10.2023 14:17:30

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