Die Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) preisen es an als eierlegende Wollmilchsau, als sozialpolitisches Wunder, das ein neues Zeitalter einläuten soll.

Aber über die Zukunft und über das Nicht-Existente läßt sich trefflich spekulieren, lassen sich gut Hoffnungen, auch völlig unrealistische Hoffnungen erzeugen.

Einer der großen Streitpunkte, der das BGE seit langem begleitet, ist die Frage der Höhe: der Mainstream der BGE-Befürworter will ein solches in Höhe des Existenzminimums bzw. der derzeitigen bedarfsorientierten Mindestsicherung (derzeit ca. 900 Euro) bis in etwa die doppelte Höhe.

Die Kosten eines derartigen BGE wären in der Maximalvariante 1800*12*8,9Mio. = ca. 192 Milliarden Euro.

Wenn man rechnet, dass durch die Corona-Krise das Bruttonationalprodukt um 5-10% schrumpfen wird von 400 Mrd. auf 360-380 Mrd., dann wären diese 192 Mrd. mehr als die Hälfte des BNP.

1400 Euro 14 mal im Jahr liefe auf 1633 bereinigt hinaus, und auf ca. 174 Mrd.

Nicht des Budgets wohlgemerkt, das reine finanzdienstlose Bundesbudget wäre 78 Mrd.

Somit wären die Ausgaben für das BGE ca. das Zweieinhalbfache der derzeitigen gesamten Staatsausgaben (Zinsdienst ausgenommen).

An der Sache sind natürlich zahlreiche Haken: erstens einmal ist das BNP keine frei verfügbare Masse, sondern ein großer Teil des BNP ist gebunden für Instandhaltung. Mit anderen Worten: wer aus sozialen Gründen (oder Vorwänden so tief in die Volkswirtschaft hineinschneidet, der kann - absichtlich oder nicht - massive Schrumpfungen verursachen, die dann wiederum die Möglichkeit f+ür Sozialleistungen verringern.

Und was von den BGE-Befürwortern verschwiegen wird: das BGE ist aus verfassungsrechtlichen Gründen unmöglich. Um eine derartige große Geldmenge freizubekommen, müssten andere Leistungen reduziert oder gestrichen werden, wie z.B. Pensionen oder Arbeitslosengeld. Diese aber sind zumindest teilweise Versicherungsleistungen, und hier greift die Verfassungsgerichtshofjudikatur von den "wohlerworbenen Rechten" - mit anderen Worten: man kann sie gar nicht zur Finanzierung eines BGE kürzen oder streichen, wenn dadurch auch nur ein Einziger mehr an Leistungen verliert als er durchs BGE gewinnt, und das sind nicht nur Einzelne, sondern viele Hunderttausende.

Wenn ein Paar mit 5 Kindern (also 7 Leute) jeweils ein BGE von 1800 Euro bezieht, dann wären das 12.600 Euro monatlich - völlig ohne eine Arbeitsleistung.

Klar, dass unter solchen Bedingungen niemand mehr unangenehme bzw. nicht erfüllende Jobs (wie z.B. Putzfrau -mann) um 800 bis 1200 Euro macht.

Und hier kommt der nächste Aspekt ins Spiel - der Migrationsmagnet BGE: ein Grundeinkommen in Höhe von 1200 bis 1800 Euro würde einen massiven Anstrom an Migranten und Flüchtlingen verursachen (und die damit verbundene Krankheitsgefahr). In Deutschland oder Österreich ist aber jede Abschiebung und jede Grenzschliessung gedanklich mit dem Nationalsozialismus assoziiert und alleine schon deswegen tabu - ein Grund, warum Deutschland und Österreich zusammen mit Schweden viele Jahrzehntelang diejenigen Staaten waren, die weltweit die meisten Asylwerber aufnahmen.

Milton Friedman´s Konzept der "negativen Einkommenssteuer", das in vielerlei Hinsicht dem BGE ähnelt, stammt aus dem Jahr 1962, also aus einer Zeit vor den Migrationsströmen und war massgeschneidert auf die in vielerlei Hinsicht abgeschlossenen USA, die seit ca. 1880 nicht mehr das "Give me your poor, your tired masses" praktiziert, das an der Freiheitsstatue eingraviert ist.

Ein BGE würde die Sozialschmarotzervorwürfe beseitigen, argumentieren die BGE-Befürworter. In Wirklichkeit dürfte genau das Gegenteil der Fall sein: jetzt kann ein Sozialhilfebezieher argumentieren, dass er die strengen Bedürftigkeitsprüfungen der Behörden absolvieren musste, um Sozialleistungen zu erhalten. Fallen die Bedürftigkeitsprüfungen weg, kann jeder beziehen, auch der Nicht-Bedürftige, was die Sozialschmarotzervorwürfe anheizen würde.

Auch das Argument, dass Gleichheit hergestellt würde, dadurch,d ass jeder das BGE erhält, stimmt so nicht. Das Zweiklassensystem bleibt besteht aus den Einen, die mehr in das Sozialsystem einzahlen müsste, als es erhält, und den Anderen, die mehr aus dem Sozialsystem erhält, als es einzahlt.

Aufgrund des hohen Geldbedarfs durch ein BGE müssten auch die Steuern massiv erhöht werden, was natürlich auch einen Push-Faktor bedeuten kann: die Gutverdiener werden, falls sie können, auswandern in Niedrigsteuerländer - die Freizügigkeit des Personenverkehrs in der EU macht es möglich.

Wenn ein derartiges BGE in Österreich eingeführt würde, wäre ein massiver Brain Drain die Folge - gerade die Gutausgebildeten und Gutverdienenden würden nach Möglichkeit wahrscheinich das Land verlassen. Mit der möglichen Folge einer schweren Wirtschaftskrise in Österreich und eines Forschungsstillstands.

Falls ein BGE in eine wirtschaftliche Katastrophe münden sollte, so sind auch massive politische Konflikte zu erwarten: Die Einführer eines BGE würden natürlich eher nicht zugeben können, dass das Konzept ein blueprint for desaster ist, sondern die Schuld auf irgendwen Anderen schieben.

Ein weiteres "Argument" der BGE-Befürworter ist, dass die Einsparungen in der Bürokratie das BGE finanzieren würden. Aber die Sozialsystembürokratie braucht größenordnungsmäßg nur ein Hunderstel dessen, was zur Finanzierung eines BGE in den erwähnten Höhen zusätzlich erforderlich wäre. Der frühere thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus forderte ein BGE in Höhe von 600 Euro, wovon zusätzlich eine Krankenversicherung in Höhe von 200 Euro abgezogen wird.

Paradoxer- oder logischerweise werden in der politischen Deabtte imm nur zu hohe Beträge für das BGE diskutiert, aber ein BGE, das niedriger ist als die das derzeitige sogenannte "Existenzminimum", wäre zwar finanzierbarer und würde frei nach Karl Poppers "piecemeal refinement" ("Verbesserung in kleinen überschaubaren Schritten" ) eine vorsichtige Vorgangsweise bedeuten, und nicht die weltfremd-sozialutopistische "Revolution".

Ein BGE niedriger als das offizielle Existenzminimum zu fordern, wäre politischer Selbstmord, weshalb diese Position unter der politisch-populistischen Klasse eine absolute Minderheitenmeinung ist.

Aber man kann auch von weniger als dem offiziellen Existenzminimum existieren - womit sich die Frage stellt, ob nicht das offizielle Existenzminimum eine populistische Übertreibung ist, nur deswegen möglich, weil eben der Bezieherkreis der bedarfsorientierten Mindestsicherung so klein ist im Vergleich zur Allgemeinheit, der laut BGE-Konzept bezugsbereichtigt ist.

Ein SPD-Abgeordneter argumentierte in Richtung Piratenpartei, die auch intensiv BGE-Konzepte wälzte im Liquid Feedback, diese sei "Albtraum Mitbestimmung" - und der Mangel an Realitätssinn, der Populismus, jeden Blödsinn zu versprechen, in der Hoffnung, dadurch wählbar zu werden, hat in der Tat etwas von Albtraum.

Das BGE in den derzeit diskutierten Modellen hat in der Tat mehr vom märchenhaften Schlaraffenland oder vom Füllhorn der altgriechischen Sagenwelt, das sich selbst immer wieder füllt, wenn man Gold herausnimmt. Auch der beständig geldscheissende Esel stammt aus dem Märchen - nur in der Realität war er leider genausowenig zu finden wie das Einhorn oder heilige Gral. Das Füllhorn war wenigstens noch Metapher auf den Frühling und auf die Natur, die den Menschen Lebensmittel zur Verfügung stellt, die sie aber selbst jagen oder sammeln müssen.

Der Begriff des "Schlaraffenland" stammt übrigens vom Althochdeutschen "sluraff", was soviel bedeutet wie "Faulenzer".

Und ein BGE wäre insofern in der Tat ein märchenhaftes Schlaraffenland (Faulenzerland), als dann niemand mehr zu arbeiten braucht, sondern jeder darauf wartet, bis ihm gebratene Hühner ins offene Maul fliegen.

Copyright abgelaufen / Pieter Brueghel der Ältere https://de.wikipedia.org/wiki/Schlaraffenland#/media/Datei:Schlaraffenland.jpg

Schlaraffenland (Gemälde von Brueghel dem älteren): niemand arbeitet, alle konsumieren. Geht im Märchen, aber nicht in der Realität.

Allerdings Realität ist, dass Leute aus populistischen Gründen, um gewählt zu werden, Dinge versprechen, die schön klingen, von denen sie aber selbst wissen, dass sie unrealistisch sind und sich nie durchsetzen werden - wie z.B. ein BGE in den diskutierten Höhen.

BGE-Populismus (ähnlich dem "Gemeinwohlpopulismus" ) gibt es aber nicht nur bei Möchtegern-Politikern sondern auch bei Unternehmern, die das BGE-Versprechen als Werbe-Trick entdeckt haben, um sich selbst oder das eigene Unternehmen bekannter zu machen.

Die Europäische Initiative zum BGE sah übrigens überhaupt keine höhe vor, sie war sowohl vereinbar mit 100 Euro pro Monat wie mit 3.000 Euro pro Monat.

Mit der Forderung, just in der Corona-Krise ein BGE einzuführen, quasi als Impuls und als "Helikoptergeld" mag zwar durch die diversen Corona-Hilfen plausibel erscheinen, aber jetzt komtm gerade eine Missbrauchsdebatte auf rund um Förderungsbetrug in Zusammenhang mit den Corona-Förderungen. Wenn anläßlich der seit der spanischen Grippe 1918 einmaligen Corona-Krise 2000 Dollar oder Euro einmalig in 100 Jahren an Bürger ausgeschüttet werden, dann ist das etwas völlig anderes, als wenn regelmäßig jeden Monat 1800 Euro an jeden einzelnen Bürger ausgeschüttet werden - zwischen dem Einen und dem Anderen liegt ein Faktor 2000, den die BGE-Befürworter verschweigen.

Zwei weitere Aspekte des BGE sind: bei uns in Westeuropa sind die Sozialstaaten jetzt schon gut ausgebaut. Die EU ist die Region weltweit mit dem höchsten Sozialniveau. So gesehen erscheint ein Ausbau weder unbedingt notwendig noch ohne negative Konsequenzen verwirklichbar.

In vielerlei Hinsicht sind Naturalien- oder Anspruchsleistungen (Recht auf medizinische Behandlungen, z.B.) in vielerlei Hinsicht besser als Geldleistungen wie das BGE, das auch in Luxusgüter umgewandelt werden kann.

Weitere Kritikpunkte am BGE lauten,

.) dass aus Gründen der Finanzierbarkeit der Betrag niedrig sein müsste, sodass das BGE eigentlich den Reichen zugute komme und asozial sei und eine Umverteilung von unten nach oben sei, weil eben nicht zielgenau Sozialleistungen an Bedürftige ausgeschüttet werden, sondern an jeden.

.) dass ein BGE der Jugend suggeriere, Bildung und Können sei unwichtig, weshalb ein BGE Anreize, Schulen und Universitäten zu absolvieren, reduziere.

.) dass ein BGE zu einem Auseinanderdriften in Parallelgesellschaften beitrage: Anreize, die Landessprache zu lernen und sich arbeitsmarktfit zu machen, fallen durch BGE teilweise oder ganz weg.

Siehe auch:

https://research.handelsblatt.com/assets/uploads/AnalyseHartzIVReform.pdf

Der Lissabon-Vertrag der EU sah auch die Einführung einer Europäischen Bürgerinitiative vor. Eine dieser Initiativen war die zur "Erforschung eines bedingungslosen Grundeinkommens" vom 14.1.2013.

Es stellt sich natürlich die Frage, ob staatlich finanzierte Forschungsförderung nicht das staatlich (also von der derzeitigen Regierung) gewünschte Ergebnis liefert und alle anderen Nicht-Regierungs-Ansätze tendenziell verschweigt.

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Claudia56

Claudia56 bewertete diesen Eintrag 12.04.2020 17:56:34

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