So mancher behauptet ja, der "Inzidenz"-Begriff wäre unwissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich, aber dieser Vorwurf ist oft selbst höchst unwissenschaftlich oder pseudowissenschaftlich.

Erst einmal gibt es verschiedene Inzidenzbegriffe in verschiedenen Wissenschaften: in der Geometrie, der Graphentheorie, im Maschinenbau, bei den Steuerprüfungen und auch in der Epidemiologie.

Der oft selbst unwissenschaftliche Vorwurf an der "Inzidenz" richtet sich in Covid-19-Zeiten an den epidemiologisch-statistischen "Inzidenz"-Begriff. "Inzidenz" bedeutet isoliert betrachtet nur "Vorfall".

Dabei sind sechs verschiedene Dimensionen von "Inzidenz"-Begriff-Verwendung zu unterscheiden. Erstens einmal unterschieden danach, ob es die Krankheitsfälle sind, die vorfallen, oder die positiven Testergebnisse.

Und zweitens einmal, in welcher Dimension: ob in absoluten Zahlen, gerechnet auf 100.000 Einwohner oder gerechnet auf 100.000 Tests.

Wenn die Testmethode immer dieselbe ist, und daher immer dieselbe Fehlerquote hat (auch die beste Methode hat eine gewisse Fehlerquote), dann eignen sich Inzidenzbegriffe für vielerlei Dinge.

Die Kritik, die Zahlen wären nichtssagend, weil es mehr positive Testergebnisse gibt, wenn man mehr testet, ist zwar richtig, trifft zwar nur auf 2 Drittel der Inzidenzbegriffsverwendungen zu: die in absoluten Zahlen und die pro-100.000-Einwohner.

Nicht hingegen auf die pro-100.000-Tests. Und hier wird der Pseudowissenschaftlichkeitsvorwurf selbst pseudowissenschaftlich.

Weiters ist es sehr plausibel, anzunehmen, dass bei gleichbleibendem Test und gleichbleibender Methode auf die Fehlerrate gleichbleibt, sodass diese Inzidenz-Begriffe vielfach sinnvolle durchaus Vorgangsweisen mit wissenschaftlicher Basis ermöglichen, z.B. den Vergleich verschiedener Regionen und Länder, bzw. den Vergleich verschiedener Zeiträume.

Wenn sich die Zahl positiver Testergebnisse pro 100.000 Tests in einem gewissen Zeitraum verdoppelt, dann ist es durchaus plausibel, anzunehmen, dass sich auch die Krankheitsfälle verdoppelt haben. Und wenn eine Region die halbe Zahl positiver Tests pro 100.000 Tests als eine andere Region hat, dann ist es plausbel, anzunehmen, dass sie auch die halbe Zahl an Krankheitsfällen pro 100.000 Einwohner hat.

So gesehen sind diese "Inzidenzen" sehr wohl eine gute Grundlage für Politik.

Der Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit kann sich aber auch an die Medien richten, die oft in verkürzender Weise berichten, bzw. berichten müssen, weil ein 5-zeiliger Artikel eben nicht so genau sein kann wie eine 500-seitige Dissertation.

Und es stimmt schon, dass in den Medien oft unklar bleibt, welcher Inzidenzbegriff genau gemeint ist, und wie dieser definiert ist.

Das ist aber eine Kritik an der Darstellung in den Medien, nicht an an der Erhebung der Daten. Selbst wenn Daten wissenschaftlich erhoben wurden, können sie von verkürzenden Medien unwissenschaftlich oder popolärwissenschaftlich dargestellt werden. Aber eine verkürzende und unwissenschaftliche Darstellung einer wissenschaftlich seriösen Erhebung berechtigt noch lange nicht den Vorwurf, die Erhebung und die Langversion seien unwissenschaftlich.

Das ist in etwa so, als würde man Einsteins Relativitätstheorie als unwissenschaftlich bezeichnen, weil so manche Leser und Rezipienten sie unwissenschaftlich darstellen und wiedergeben.

Abschliessend wären auch die Motive des Pseudowissenschaftsvorwurf an den "Inzidenz"-Begriff abzuhandeln, und die scheinen vorwiegend politisch-extremistischer Natur zu sein: sowohl Linksextremisten als auch Rechtsextremisten als auch islamische Extremisten betreiben diese falschen Pseudowissenschaftlichkeitvorwürfe an den Inzidenz-Begriff, um die etablierte Politik und die etablierte Wissenschaft zu diskreditieren. Dabei geht es ihnen gar nicht um die Wahrheit, sondern nur um den politischen Effekt, nämlich einen Stimmenzuwachs oder Anhängerzuwachs extremistischer Parteien und Bewegungen durch den falschen Pseudowissenschafts-Vorwurf, was bei Weniginformierten, die sich leicht täuschen lassen, in der Tat funktioniert. Denn dieser Pseudowissenschaftsvorwurf trifft nicht nur die Wissenschaft, sondern er trifft auch - und das ist sein eigentliches Ziel - die etablierte Politik, die sich an der Wissenschaft orientiert.

Dabei brechen diejenigen, die aus einer politisch-extremistischen Position und Absicht heraus einen Pseudowissenschaftsvorwurf tätigen, meist selbst mit wissenschaftlicher Methodik. Zum Beispiel gehört es zur wissenschaftlichen Methode, sich der Kritik zu stellen.

Aber indem die extremistischen Pseudowissenschaft-Vorwerfer selbst Kritiker blocken, löschen und somit Kritik auf totalitäre Art und Weise zum Schweigen bringen (nicht etwa durch die besseren Argumente), verstossen sie selbst gegen Wissenschaftlichkeitsstadards.

Aber das darf auch gar nicht verwundern, denn ihnen geht es ja sehr wesentlich darum, entgegen der Wissenschaft und entgegen der Wahrheit einen politischen Erfolg zu haben, egal, wie kurzfristig auch immer dieser sein mag. Denn auch in Richtung der politisch-extremistischen Pseudowissenschaftsvorwerfer sei das Lincoln-Zitat gesagt: "You can fool all people for some time, an you can fool some people for all time, but you kann never fool all poeple for all the time" ("Du kannst alle Leute eine Zeitlang täuschen und Du kannst manche Leute die ganze Zeit täuschen, aber Du kannst niemals alle Leute die ganze Zeit täuschen" )

CC / Alexander Gardner https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Abraham_Lincoln_head_on_shoulders_photo_portrait.jpg

Er könnte mit seinem Spruch sehr wohl diejenigen Extremisten gemeint haben, die mit falschen Pseudowissenschaftsvorwürfen die etablierte Politik stürzen wollen oder ihnen zumindest Anhänger abspenstig machen wollen: Abraham Lincoln

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Frank und frei

Frank und frei bewertete diesen Eintrag 03.03.2021 18:09:38

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