Die Propaganda des rot-grünen Wien bei den kommenden Gemeinderatswahlen bzw. Landtagswahlen in Wien wird so sein wie immer: "Wien - die perfekt verwaltete Stadt" oder so, wie das unter Michael Häupl gebräuchlich war.

Aber wie sieht Wien wirklich aus in Sachen Demokratie zum Beispiel ?

Auffallend ist, dass Wien ein sehr undemokratisches Wahlsystem hat, mit sehr hohen Eintrittshürden von 5% und mit einer sehr geringen Parteienvielfalt (nur fünf Parteien vertreten).

Andere österreichische Städte sind da viel demokratischer, pluralistischer und bunter.

Die Piratenpartei bzw. deren Abspaltungen schafften den Einzug in die Gemeinderäte von Graz (Fisima mit ca. 2.2%) und Innsbruck (Alex Ofer mit 3.8%).

In Wien wäre das unmöglich, weil eine Fünfprozenthürde überschritten werden muss, um überhaupt hineinzukommen in den Wiener Gemeinderat.

Daher ist wegen des quasi-diktatorischen Wahlrechts in Wien auch die Parteivielfalt in Wien sehr gering: mit fünf bzw. sechs Parteien sind in Wien weniger bzw. weit weniger Parteien vertreten als in Innsbruck, Graz oder Linz, wo zeitweise neun oder zehn Parteien im Gemeinderat vertreten waren.

https://www.innsbruck.gv.at/page.cfm?vpath=buergerinnen--politik/gemeinderat

Das deutsche Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat übrigens nach der Bundestagswahl 2013, bei der sich 15.2% unwirksame Stimmen (4.8% FDP, 4.7% AfD, 2.2% Piraten, 1.3% NPD, 2.2% sonstige), also Stimmen für Parteien unter der Fünfprozenthürde ergaben, die Fünfprozenthürde für die EU-Wahlen als verfassungswidrig aufgehoben, weil sie unzulässig in die Demokratie eingreife und Leute, die sich mit keiner der etablierten Parteien identifizieren können, durch eine prohibitiv hohe Hürde von politischer Betätigung abhalte.

In Österreich, dem nur eine geringe Zahl an EU-Abgeordneten zusteht (ca. 19), liegt alleine schon wegen der Kleinheit der Vertretung die Hürde bei 1/19, also bei 5.26%, sodass eine Aufhebung der Fünfprozenthürde bei EU-Wahlen für Österreich gar nichts bringen würde.

Daher - so könnte man argumentieren - müsse, um die die Vierprozenthürde bei Nationalratswahlen aufrechtzuerhalten und um kleineren Parteien eine Möglichkeit zum Medienzugang und zur Vertretung in einem der vielen Parlamente zu ermöglichen, in Wien die rekordhaft hohe Fünfprozenthürde als verfassungswidrig aufgehoben werden.

Die Grünen haben zwar vor vielen Jahren oder Jahrzehnten versprochen, sich für eine Demokratisierung des Wiener Wahlsystems einzusetzen, haben diese Forderung aber danach fast völlig fallen gelassen, um in eine Koalition mit der damals dominierenden SPÖ hineinzukommen.

Die frühere Grüne Vizebürgermeisterin Vassilakou liess einen nichtssagenden und wählertäuschenden Notariatsakt anfertigen, in dem sie bestätigte, sich für eine Demokratisierung des Wiener Wahlsystems einsetzen zu wollen und diese anstreben zu wollen - eine Wischiwaschi-Aussage, die sie gar nicht verletzen oder brechen konnte.

Selbst, wenn die Grünen nicht eine minimale Verbesserung des Wiener Wahlsystems erreicht hätten, hätte Vassilakou sagen können, dass sie wenigstens versucht hatte, anzustreben, aber dass die SPÖ sich in den Koalitionsverhandlungen keinen Millimeter bewegt hatte, sodass sie das wohl ohnehin nie ernstgemeinte "Anstreben" aufgeben musste.

Wenn im Notariatsakt präzise und nachprüfbar verankert gewesen, dass die Grünen sich an einer Koalition nicht beteiligen werden, wenn nicht hundertprozentige Proportionalität für alle Parteien über der Hürde besteht und wenn die Hürde nicht auf maximal drei Prozent gesenkt wird, dann hätte man ihr wenigstens klar Wortbruch und Notariatsaktbruch vorwerfen können, was man bei der Wischiwaschi-Ansage vom "Anstreben-Wollen" niemals kann.

https://tirol.orf.at/v2/news/stories/2713868/

Screenshot

Alexander Ofer, früher mit 3.8% im Innsbrucker Gemeinderat

https://wiki.piratenpartei.at/wiki/Datei:Pacanda_0096web.jpg

Philip Pacanda Alias Fisima, früher mit 2.2% im Grazer Gemeinderat

Pixabay License / gdakaska https://pixabay.com/de/vectors/hilfe-informationen-frage-tipp-1724292/

Die fehlende Kleinparteienvertretung im Wien mit der rekordhaft hohen Fünfprozenthürde, die unmöglich macht, was in fast allen Landeshauptstädten üblich ist, nämlich Pluralismus und Parteienvielfalt.

Sodass man sagen kann: Wien ist anders - anders als demokratisch.

Ursual Stenzel wurde zwar scharf kritisiert dafür, dass sie nicht mit einer eigenen Liste angetreten ist, sondern sich der FPÖ anschloss, aber das Wahlsystem liess ihr praktisch keine andere Wahl. Man kann annehmen, dass bei einem demokratischeren Wiener Wahlsystem Ursula Stenzel, die heute auf einem FPÖ-Ticket nicht-amtsführende Stadträtin ist, mit einer eigenen Liste angetreten wäre.

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