Boulevardmedien - Hetze in Österreich (ex ZEIT)

In Österreichs Boulevardblättern wird gehetzt, verdreht und gelogen, wo es an Fakten fehlt.

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Würde man nur das für wahr halten, was man über das friedliche Österreich in bestimmten Tageszeitung lesen kann, glaubt man in einem Hochrisikoland zu leben.

"Österreich wird immer gefährlicher", ruft es den Wienern auf dem Weg zur Arbeit von den Zeitungsständern entgegen, die Kriminalitätsstatistik für das Vorjahr besagte exakt das Gegenteil: Noch nie wurden so wenige Anzeigen erstattet wie in den zurückliegenden zehn Jahren.

Dies tut jedoch der Hetzerei in Boulevardmedien keinen Abbruch. Ein leichter Anstieg einer bestimmten Deliktgruppe oder nur ein spektakulärer Einzelfall genügt, um in Österreich die Kriminalität wieder einmal "explodieren" zu lassen. "Bandenkriege außer Kontrolle", die Bahnhöfe seien "Gewalt-Hotspots", Einbrecher würden "immer brutaler", Diebesbanden verbreiten "Terror", ein Platz in der Hauptstadt sei "völlig außer Kontrolle" geraten.

Dabei leben wir im Vergleich zu anderen Staaten in einem gemütlich weitgehend friedlichen Land. Nicht so, wenn man sich von den maßlosen Übertreibungen der Medien anstecken lässt. Damit schadet man älteren Bürgern, die dadurch aufgehetzt in Angst leben müssen.

Unumstrittener Marktführer unter den Kaufzeitungen ist die "Krone", von etwa jedem dritten Österreicher gelesen – eine weltweit fast einzigartige Reichweite.

Konkurrenz machen der Krone in Wien und den meisten Bundesländern nur die Gratisblätter, die seit mehr als einem Jahrzehnt in großen Stapeln an Bahnhöfen und Bushaltestellen ausliegen. Das größte Anzeigenblatt, heute in Wien, kommt aus demselben Hause wie die Krone.

Österreich, die Nummer zwei, wetteifert mit ihr um den Erregungspegel. Seriöse Tageszeitungen, die konservative Presse und der liberale Standard, sind zu schwach, um als Leitmedien zu fungieren. Im Orchester der Printmedien gibt die Pauke den Takt an.Suggestionsjournalismus statt Fakten.

Im Parteienspektrum sind die Blätter nicht eindeutig zu verorten. Die Krone tendiert im Zweifel zur rechten FPÖ, Österreich eher zu den Sozialdemokraten. Einig sind sich beide im Ressentiment gegen Flüchtlinge und überhaupt "Ausländer". "Afghanen", hieß es, schlitzten in Eisenbahnwaggons Sitze auf, "verrichten dort nicht nur ihre Notdurft" und wurden sogar – in österreichischem Deutsch – wörtlich zitiert: "'Da sitzen wir nicht!', sagen sie, 'da sind ja Christen drauf gesessen!'"

Nichts davon stimmte. Polizeiliche Dementis aber dringen gegen die Blattlinie selten durch. Als vor anderthalb Jahren ein Amokfahrer in Graz drei Menschen tötete und Dutzende verletzte, sahe die Krone sofort einen islamistischen Hintergrund. Der Täter sei "laut derzeitigem Ermittlungsstand kein Mitglied einer Islamistengruppe", las sich die gegenteilige Erklärung der Polizei. "Handschrift von Dschihadisten-Einzeltätern", wo es an Fakten fehlt, springen die klassischen Mittel der Suggestion ein.

Wie Deutschland hat Österreich einen Presserat. Die marktbeherrschenden Blätter (Krone, Österreich) sind ihm aber nicht beigetreten und unterwerfen sich auch seiner Schiedsgerichtsbarkeit nicht. Entsprechend gering ist der Einfluss des freiwilligen Kontrollorgans bei der Durchsetzung von Standards.

Gegen Hetze auf Onlineseiten wehren sich die Redaktionen nur schwach und sind dabei personell überfordert; beim erfolgreichen, eigentlich liberalen Portal derstandard.at geben sich entsprechend Wutbürger aus dem ganzen deutschen Sprachraum ein Stelldichein. Die Medienlandschaft spiegelt den Konflikt.

Ohne Selbstkontrolle durch den Presserat bleiben nicht nur statistische Verdrehungen unwidersprochen, sondern auch manipulierte Einzelfälle in den bunten Blättern. So blieb im vergangenen Jahr der Fall einer Kindergärtnerin über Wochen in den Schlagzeilen der Krone. Die Frau hatte angeblich "illegal" Kindern "das Weihnachtsfest erklärt" und war dafür zur Empörung der Leserschaft von ihrem Arbeitgeber, der "roten" Stadt Wien, gemaßregelt worden. In Wirklichkeit hatte die katholische Fundamentalistin unter nicht-katholischen Kindern missioniert, wie aus dem Protokoll des Mitarbeitergesprächs hervorgeht, das der medienkritische Blog kobuk.at veröffentlichte. Adventskränze, Nikolausfeiern und Krippenspiele gehören ansonsten in Wiener Kindergärten nach wie vor zum Standardprogramm.

Der Fall eines Rentners in Graz. Der Mann musste angeblich 800 Euro Geldstrafe zahlen, weil er gejodelt hatte und sein Jodler "seinen Nachbarn, gläubigen Moslems" nicht passte. In Wirklichkeit hatte der Mann mit Rufen und Rasenmähen gezielt die Gebete in der benachbarten Moschee gestört und war dafür von der Polizei, nicht von den Muslimen, angezeigt worden. Das Verfahren wurde gegen Zahlung einer Buße niedergeschlagen.

Das Experiment des Senders ATV im Mai, die beiden Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer ohne Moderation zum Duell antreten zu lassen, entgleiste und hat keine Nachahmung gefunden.

Bei den elektronischen Medien ist der öffentlich-rechtliche ORF mit anspruchsvollen Nachrichtensendungen, Magazinen und einem breiten Korrespondentennetz unumstrittenes Leitbild. Den Hörfunk dominiert er zu zwei Dritteln. Die Privatradios enthalten sich politischer Berichterstattung und Kommentierung fast ganz.

Die fünf privaten Fernsehsender des Landes kommen zusammen nicht einmal auf zehn Prozent Marktanteil. Nach ORF I und II kommt lange nichts, dann folgen erst die deutschen Pro Sieben, RTL, Sat1 und Vox. Selbst der beliebteste österreichischer Privatsender, Puls 4, wird noch weniger konsumiert als ARD oder ZDF aus dem Nachbarland.

So spiegelt sich in der österreichischen Medienlandschaft der Konflikt, wie die Rechte ihn auch im Präsidentenwahlkampf austrug: Auf der einen Seite, im Fernsehen, stand das "System", das "Establishment". Auf der anderen Seite, in den Zeitungen, äußerten sich die Underdogs und die Rebellen, die "sagen, wie es wirklich ist".

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