Ich teile, also bin ich - “Sharing Economy”

Sharing Economy

Nutzen statt besitzen

Ob Schuhe, Geige oder Bohrmaschine – Private tauschen oder vermieten im Internet ihren ganzen Alltag. Vor allem bei Gegenständen, die nicht oft gebraucht werden, lohnt sich das Teilen.

Viel zu besitzen, ist für die Generation Y nicht mehr nur Status, sondern auch Last. Die unter 30-Jährigen definieren Konsum anders als noch ihre Eltern. Statt gekauft wird geteilt.

Was zählt, ist das Erlebnis und nicht der Besitz! (Das Sein statt Haben nach Fromm)

Es findet zurzeit ein gesellschaftliches Umdenken statt. Der Konsum verändert sich – Dinge sollen genutzt, nicht nur besessen werden. Statt Luxus wünschen sich die ab 1980 Geborenen, die sogenannte Generation Y, mehr Zeit für sich. Statt Eigentum anzuhäufen, wollen sie lieber den Kilimandscharo besteigen.

Möglichst viel zu besitzen, ist nicht mehr Status. Eigentum verpflichtet. Es behindert die Mobilität und schränkt die Freiheit ein. Trotzdem will diese Generation auch nicht verzichten. Wer sich nicht alles leisten kann oder will, der tauscht.

Statt im 5-Sterne-Hotel irgendwo auf der Welt bei jemandem auf dem Sofa zu schlafen (Couchsurfing). Was zählt, ist das Erlebnis. Bezahlt wird in der Welt der Sharing Economy zwar immer auch noch mit Geld. Aber auch das gegenseitige Vertrauen wird zu einer neuen Währung. Gleiches gilt für Zeit.

Immaterielle Güter, die nicht gekauft werden können, werden somit in der Welt des Tauschens materialisiert. Der kollaborative Konsum, kurz Co-Konsum, ist an sich kein neues ökonomisches Modell. Tauschen, Leihen, Schenken oder Mieten von materiellen Gütern wie Fahrzeugen und immateriellen Ressourcen wie Wissen, das gab es schon immer. Carsharing.

Erst das Internet und die Smartphones ermöglichen das Teilen aber grossflächig und örtlich unabhängig mit Menschen, die man noch nie im Leben gesehen hat. Zudem leistet das Internet eine erstaunliche Logistik: Lagerraum, Transportmöglichkeiten und Mitarbeiter erübrigen sich weitgehend. Nachdem die erste Euphorie über die Möglichkeiten des Internets um die Jahrtausendwende verebbt ist, steigt die Sharing Economy nun wie ein Phönix aus den Überresten der Dotcom-Blase.

Die Tauschlandschaft im Internet blüht und differenziert sich weiter aus. Die Sharing-Welle begann im kalifornischen Silicon Valley, wo sich linksliberale Werte mit Kapitalismus vermengen. Mittlerweile hat sie auch Europa erfasst. Weltweit sind in den vergangenen Jahren Hunderte Unternehmen entstanden, die auf dem Prinzip des Teilens basieren. Zu den prominentesten gehört Airbnb. Gegründet 2008, stellt die Wohnungsvermittlung mittlerweile für mehr als 17 Millionen Kunden Unterkünfte in 190 Ländern bereit. Die Mitfahrbörse.

Vom Auto über den Rasenmäher bis hin zur eigenen Wohnung kann praktisch der gesamte Alltag geteilt werden. Mein Fahrrad? Auf publibike.ch. – Meine Tasche? Auf armoireaurevoir.ch. – Mein Fondue-Caquelon? Auf sharely.ch. Sogar Rentner können gemietet werden. Auf der Plattform rentarentner.ch bieten sich Pensionäre für Garten- oder Büroarbeiten an.

Ökologisch und moralisch

Das Teilen lohnt sich besonders für Gegenstände des Alltags, die nicht oft gebraucht werden. Gerade für spezielles Werkzeug rechnet sich die Anschaffung oft nicht. Smartphone-Apps wie weeshare.com oder whyownit.com haben dieses Bedürfnis erkannt und vernetzen Nutzer und Anbieter untereinander. Angesichts der Nutzungsdauer von Gegenständen hat das auch wirklich einen Sinn: Bei einer Bohrmaschine beträgt diese im Schnitt elf Minuten pro Jahr, während ein Rasenmäher 99 Prozent der Zeit nicht genutzt wird.

Gerne betonen die Anbieter daher die ökologische Komponente der Sharing Economy. Ressourcen werden geteilt, die Umwelt geschont. Zudem werden Platz und Geld gespart. Ausgelagerter Stauraum, um all die zwar liebgewonnenen Küchengeräte und selten genutzten Schneeschuhe zu verstauen, ist teuer. Warum Sachen besitzen, wenn man sie kaum nutzt? Für Amstutz ist der Wohlstand in der Schweiz denn auch kein Hindernis für Sharing-Unternehmen. «Nur wenige Nutzer partizipieren aus monetären Gründen. Ausschlaggebender sind ökologische und moralische Aspekte.»

Die eigene Wohnung oder das eigene Auto im Internet zu verleihen, bedingt jedoch auch Vertrauen in die anderen Nutzer. Auf Airbnb wird die Verlässlichkeit einer Person sogar als Währung eingesetzt. Nur wer gute Bewertungen bekommt, kann weiterhin die schönsten Objekte mieten. Auch Plattformen wie Tripadvisor bedienen sich der Erfahrungen anderer Reisender, denen man eher Glauben schenkt als dem Hochglanzprospekt der Hotels.

Ich teile, also bin ich

Die GDI-Studie belegt, dass die 18- bis 29-Jährigen die höchste Bereitschaft zum Teilen haben. Ältere Generationen assoziieren das Teilen eher mit Wohltätigkeit oder Hilfsbedürftigkeit. Die Generation der unter 30-Jährigen wachse dagegen über die sozialen Medien mit dem Konzept des Teilens auf, so Rost.

«Digitale Inhalte lassen sich ohne Zusatzkosten vervielfältigen. Dies kann den Umgang mit Gütern prägen, die nicht beliebig zu vervielfältigen sind.»

Zudem gewinne das Konzept des Teilens an Legitimität, wenn die soziale Ungleichheit ansteige. «Durch das Teilen können auch diejenigen beim Konsum mithalten, die sich diese Güter sonst nicht leisten könnten. Aus der Not wird ein Lebensstil kreiert», sagt Rost. Genauso wie Recycling, gesundes Essen oder Energiesparen gehört das Teilen von Gegenständen zum Lebensstil.

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Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 11.05.2016 23:02:03

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