"Journalismus" und "Demokratie" dürfen nicht Auslaufmodelle werden.

Der Journalismus steht vor zwei wesentlichen Herausforderungen. Einerseits muss er sich in der digitalen, multimedialen Welt völlig neu erfinden und andererseits muss Onlinejournalismus auch ökonomisierbar sein. Die Einnahmen müssen auch die Kosten für Qualitätsjournalismus oder investigativen Journalismus tragen. Mit dem Durchwinken von überwiegend Agenturjournalismus ohne redaktionellen Eigenaufwand gibt sich der Leser nicht mehr zufrieden. Mainstreamjournalismus ist kein unbegründeter Vorwurf.

Die kostenlose Zugriffsmöglichkeit auf eine im Printzeitalter nie da gewesene Informationsvielfalt durch Gratismedien, soziale Netzwerke und Blogginkulturen hat das Geschäftsmodell der klassischen Printmedien an die Wand gedrängt. Ihre Anzeigenerlöse sind -auch vom Preis her - massiv eingebrochen und teilweise in fremde Onlinekanäle abgewandert.

Die meisten österreischischen und auch internationalen Medien sind mit zunehmender Verlustfinanzierung konfrontiert und müssen massive Einsparungen vornehmen, die sich natürlich auch auf die Qualität durchschlagen. Investigativer Journalismus oder engmaschige Auslandskorrespondentennetze sind nicht mehr leistbar . Jugendliche sind infolge ihrer Vernetzung mit den Informationsflüssen der für sie viel spannenderen sozialen Netzwerke nicht mehr bereit, für Journalismus zu bezahlen. Jedoch auch bei den Erwachsenen nimmt die Zahlungsbereitschaft infolge des kostenlosen Überangebotes an Informationen im digitalen Netz ab.

4 Merkmale des Onlinejournalismus:

1)Hypertextualität:

Ermöglicht dem Leser, seine Suche nach Informationen über Links zu erweitern und so dabei zu helfen, eine Nachrichtengeschichte viel umfassender zu kontextualisieren, so dass es die Leser sind, die letztlich entscheiden, wie weit sie das Thema erkunden wollen.

2)Aktualisierungsfrequenz:

Die Zeitlichkeit der in digitalen Medien dargestellten Ereignisse ist ein entscheidender Faktor, da Nachrichten viel schneller angezeigt werden ohne Platzbeschränkungsprobleme. Daher können im Laufe eines einzigen Tages auf einer Zeitungsseite ein stetiger Strom von Beiträgen auch zu einem einzigen Thema stattfinden. Update-Frequenz und Unmittelbarkeit sind potente Waffen , müssen jedoch auch mit Vorsicht genutzt werden, da die Gefahr besteht, dass Nutzer mit Inhalten übersättigt oder mit Informationen überfrachtet werden und die Zeit für Recherchen fehlt. Diese Unmittelbarkeit wurde durch soziale Netzwerke wie Twitter erheblich verstärkt, in denen Aktualität innerhalb von wenigen Minuten schwindet.

3)Interaktivität:

Journalismus braucht einen Neuanfang und kann in meinen Augen mit den neuen digitalen Kommunikationsformen der Interaktivität nicht umgehen und es fehlen ihm dazu auch die personellen Ressourcen.

4)Multimedialität:

In den letzten Jahren ist das Internet erheblich gewachsen. Dies trug zum Wachstum digitaler Zeitungen und Publikationen bei. Jedoch auch die zunehmende Bedeutung und das Wachstum sozialer Netzwerken sind - noch dazu ein kostenloses - mächtiges Konkurrenz-Medienphänomen geworden (Twitter, Facebook, Whatsapp, Instagram, Google, etc..). Überdies erwartet der User, dass Online-Content mit unterschiedlichsten Endnutzergeräten (PC, Notebook, iPhone, iPad) vom Format her kompatibel gemacht wird und multimedial aufbereitet wird, neben Text daher auch Videos und die Moderation interaktiver Plattformen (Postings, etc..) anbietet.

RESUMEE:

Die digitalen Strukturveränderungen erfordern, dass die Rolle des Journalisten neu erfunden werden muss vom Contentlieferanten hin zum Community-Moderator und multimedialen IT-Freak. Reaktiver und interaktiver Journalismus wurde bisher verabsäumt . Investigativer Journalismus findet kaum mehr statt (Beispiel: Hypo-Skandal Kärnten wurde investigativ verschlafen). Überhand nehmender durchgewunkener Agenturjournalismus führt zu einer Gleichschaltung der Medien untereinander und die einzelnen USP’s gehen verloren.

Das Monetarisierungsproblem des Onlinejournalismus führt zu einer verstärkten Abhängigkeit von den Anzeigekunden (Konzerne, Gemeinden über ihre Gesellschaften, etc..) und auch politischer Abhängigkeit.

Der Redimensionierungs – Fusionierungs – und Jobabbaudruck löst Jobverlustängste bei den Journalisten aus und niemand wagt es mehr, sich aus dem Fenster zu lehnen, was den Journalismus zunehmend langweiliger macht. Journalisten sollten professionelle Autoren mit Sensibilität für die Bedürfnisse der Gesellschaft sein, sowie faktengetreu und akkurat in ihrer Beschreibung des Sachverhalts sein. Auch sollten sie auf dem multimedialen Klavier spielen können und nicht IT-avers sein. Statt Mainstream soll der Journalist wieder lernen, gegen den Strom zu schwimmen, um der reinen Quelle näher zu kommen. Qualitätsjournalismus, im Sinne von Suche nach Wahrheit, Objektivität, Transparenz und Unvoreingenommenheit. Meinung ist eine Sache - jeder hat seine eigene, und Meinungen sind nuanciert und divers - aber Informationen sind eine ganz andere Sache. Diese müssen prägnant, spezifisch und objektiv sein.

Eine Demokratie kann auf kritischen Journalismus nicht verzichten. In unserer Gesellschaft auch bei der Jugend hat sich der Glaube durchgesetzt, die in Jahrhunderten schwer erkämpfte Demokratie gibt es zum Nulltarif. Demokratie bedeutet politisches Bürgerengagement und auch die Bereitschaft, etwas dafür zu zahlen, dazu gehört auch ein Zeitungsabo. Diese Bereitschaft vermisse ich und wird noch soweit führen, dass wir irgendwann auch einmal die Demokratie vermissen werden.

Ohne Journalismus würde unserer Welt nicht die gleiche bleiben und Pluralismus und Demokratie würden dem Populismus zum Opfer fallen.

Weiterer Journalismusbeiträge:

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/der-oesterreichische-journalismus-ist-am-besten-weg-sich-abzuschaffen-17544

https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/i-standard-foederl-u-ii-zib2-a-wolf-zwei-journalismus-autoren-rezensionen-17569

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https://www.fischundfleisch.com/ebgraz/journalismus-muss-sich-voellig-neu-inszenieren-um-zu-ueberleben-dazu-einige-kritikpunkte-12515

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irmi

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