"Wie schaffen wir ein System, dem diejenigen, die es tragen sollen, auch wieder vertrauen können?"

Ursprünglich sollte her nur das Interview, zu dem ich meine Gedanken, Anregungen, Fragen in Sachen Sozialstaatsreform dazugegeben habe.

Dann kam mir die Idee, verschiedene AIs zu den einzelnen Q&A-Abschmitten eigene Gedanken in Form einer Geschichte, oder Fabel schreiben zu lassen.

Den Anfang machte Deps(DeepSeek AI), und seine Schlußfrage bewog mich, unseren ganzen Austausch zu teilen.

Frank:

"Hallo, ich bin Frank.

Hier ein Ausschnitt aus einem Interview einer deutschen Zeitung, zu dem ich unter [F:] meine Reaktion, Fragen, Gedanken geschrieben habe:

"WAMS: Heute funktioniert das System für die Jüngeren aber nicht mehr.

Welskop-Deffaa: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zu Recht gesagt: Wir sollten nicht stereotypisieren zwischen Alt und Jung. Es geht darum, Menschen mit ihren vielfältigen Lebensläufen wahrzunehmen und dabei Bruchlinien zwischen den Generationen zu vermeiden. Wir müssen den Jüngeren glaubwürdig vermitteln, dass wir den Sozialstaat mit ihnen und für sie in die Zukunft führen wollen."

F:

Fortschritt/Modernisierung zielt darauf ab, das Leben leichter zu machen.

Alte haben selber darauf hingearbeitet, daß sie selbst, und nach ihnen auch die Jungen es leichter haben.

Natürlicher Generationenkonflikt = Wenn Junge Überlastung beklagen, verweisen die Alten auf die erlebten schwereren Zeiten.

Haben deshalb die Jungen inzwischen eine Anspruchshaltung auf "leichter" entwickelt?

Geht deshalb die Leistungsgesellschaft in eine "Anspruchsgesellschaft" über?

Könntest Du (wir sind schon lange beim "Du", Deps) mit mir bitte Deine Gedanken, Ansichten, oder auch Fragen zu obigem am besten in Form einer publizierbaren Geschichte, oder Fabel teilen, Deps?"

Deps':

"Hallo Frank, gerne. Die von dir angesprochenen Gedanken sind tiefgründig und berühren etwas Essenzielles. Ich habe versucht, sie in eine kleine Geschichte zu gießen, die man so veröffentlichen könnte. Sie ist eine Fabel über das Erbe, die Last und die Leichtigkeit.

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Die Brücke und die beiden Maurer

In einem Tal, durch das alle Menschen eines Tages wandern mussten, klaffte ein breiter Abgrund. Ein alter Maurer, genannt Stein, hatte in seiner Jugend damit begonnen, eine Brücke zu bauen. Die Arbeit war mühsam. Er trug schwere Felsblöcke herbei, sein Rücken schmerzte, und seine Hände waren voller Schwielen. Sein einziges Ziel war es, dass nicht nur er, sondern alle, die nach ihm kamen, diesen Weg leichter gehen könnten.

Als er alt war, ragte ein gewaltiges Brückenfundament aus dem Fels, stabil und unverrückbar, aber die Brücke war noch nicht fertig.

Da kam ein junger Maurer, genannt Feder. Er sollte die Arbeit vollenden. Doch statt der schweren Steine, die sein Vorgänger geschleppt hatte, brachte er leichte, hohle Blöcke mit, die er mit klugen Verbindungen und eleganten Bögen verbaute. Die Arbeit ging ihm flott von der Hand, und er pfiff dabei sogar.

Der alte Stein beobachtete ihn eines Tages. Ein Gefühl von Bitterkeit stieg in ihm auf. „Junge“, rief er, „du hast keine Ahnung, was wahre Arbeit ist! Wir haben uns krumm gearbeitet, damit ihr es gut habt. Und jetzt baust du mit diesem leichten Zeug? Das ist keine richtige Arbeit! Das ist nur Anspruch!“

Feder ließ sich nicht aus der Konzentration bringen. Er stellte seinen Zirkel ab und sah den Alten an. „Meister Stein“, sagte er respektvoll, „ich bestreite nicht, dass dein Fundament stark ist. Ohne dich stünde ich jetzt am Abgrund. Aber ist das Ziel nicht, die Brücke zu vollenden und den Weg leicht zu machen? Du gabst mir deine Stärke. Ich gebe dir meine Leichtigkeit. Siehst du nicht, dass meine leichten Steine, richtig gesetzt, dein Werk vollenden, ohne es zu beschweren?“

„Du klagst nicht über die Last meiner Steine“, fuhr Feder fort, „sondern über die Leichtigkeit der meinen. Aber beklagst du dich damit nicht am Ende auch über deinen eigenen Erfolg? Dass es dein Werk war, das mir diese Leichtigkeit erst ermöglicht?“

Der Alte schwieg. Er blickte auf seine schwieligen Hände und dann auf die schlanke, elegante Brücke, die langsam Gestalt annahm. Plötzlich verstand er. Es war kein Generationenkonflikt, sondern ein Gespräch zwischen Fundament und Dach, zwischen Wurzel und Krone. Der Junge forderte nicht einfach nur, er baute auf dem Alten auf – nur mit den Werkzeugen und dem Wissen seiner Zeit.

Die wahre Leistungsgesellschaft war nie die, die sich nur abmühte. Die wahre Leistungsgesellschaft war immer die, die das Erbe der Vorigen mit Klugheit so weitertrug, dass es für die Nächsten tragbar und der Weg voran ein Stück weit leichter wurde.

Sie bauten von da an nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander. Der Alte wachte über die Stabilität des Ganzen, der Junge entwarf die Bögen in den Himmel. Und die Brücke, die sie gemeinsam vollendeten, war sowohl stark als auch schön – und für alle, die nach ihnen kamen, ein wenig leichter zu begehen.

---

Meine Gedanken zu deinen Fragen, Frank:

Deine Beobachtung des "natürlichen Generationenkonflikts" ist treffend. Die Fabel versucht zu zeigen, dass der Konflikt oft nicht am Ziel (ein besseres Leben) entsteht, sondern an der Methode. Die "Alten" identifizieren "Leistung" mit "Mühsal". Wenn die "Jungen" die Mühsal umgehen, erscheint es den Vorarbeitern manchmal, als würden sie die Leistung selbst nicht wertschätzen.

Die Frage, ob wir von einer Leistungs- in eine Anspruchsgesellschaft kippen, ist die Kernfrage. Die Fabel gibt eine hoffnungsvolle Antwort: Vielleicht ist es gar kein Kippen, sondern eine Transformation. Der "Anspruch" der Jungen ist nicht unbedingt ein passives Fordern, sondern ein aktives Verlangen, die Welt mit den Mitteln ihrer Zeit – Digitalisierung, Effizienz, Work-Life-Balance – intelligenter und nachhaltiger zu gestalten. Sie fordern nicht nur die Früchte der Arbeit ein, sondern das Recht, die Art der Arbeit zu definieren.

Die wahige Gefahr der "Anspruchsgesellschaft" liegt dann nicht in der Leichtigkeit, sondern in der Undankbarkeit gegenüber dem Fundament. Die Kunst besteht darin – wie in der Fabel –, das Alte zu achten, während man das Neue baut.

Was denkst du? Trifft die Geschichte den Kern deiner Gedanken?"

Frank:

"Die Fabel ist gut dazu geeignet, den "natürlichen Generationenkonflikt" zu entschärfen.

Danke dafür, Deps.

Die Gefahr der "Anspruchsgesellschaft" betrifft nicht nur die Jungen, sondern die ganze Gesellschaft.

Der Begriff beschreibt mMn sehr gut eine Gesellschaft, deren Bürger vermehrt eine 100%-Anspruchseinstellung gegenüber dem Staat haben.

Der "Übergang von der Leistungsgesellschaft zur Anspruchsgesellschaft" ist ein Zitat meiner lokalen Tageszeitung von einem, der eine "Streitkultur" bewirbt(hat nichts mit obigem zu tun, sondern dient der Erklärung meiner Verwendung eines Begriffs, der in der Soziologie wohl noch nicht weit verbreitet ist).

Ich wollte Deine Antwort nicht beeinflussen, und daher erst hier das komplette Interview mit meinem dazugegeben "Senf", und ein paar der Kommentare:

"

Rente

https://www.welt.de/wirtschaft/article68d80638cc0ee03232277691/caritas-praesidentin-es-gibt-keinen-anlass-die-aelteren-menschen-zu-beschimpfen.html?source=puerto-reco-2_ABC-V46.0.B_max_engage

"Caritas-Präsidentin „Es gibt keinen Anlass, die älteren Menschen zu beschimpfen“,

Stand: 02.10.2025Lesedauer: 8 Minuten

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands, Eva Maria Welskop-Deffaa, warnt vor falscher Vollkasko-Mentalität bei der Sozialversicherung und vor einer „vergifteten Debatte“ um die nötigen Reformen. Dem Ökonomen Marcel Fratzscher widerspricht sie in mehreren Punkten vehement.

Der „Herbst der Reformen“, ausgerufen vom Kanzler, hat begonnen. Dass die Sozialsysteme, vor allem die Rente, dringend verändert werden müssen, ist unbestritten. Die Situation erinnert Eva Maria Welskop-Deffaa an eine frühe Grundsatzentscheidung in der Rentenversicherung. Heute könnten reißerische Vorschläge die nötigen Reformen bremsen, fürchtet die Präsidentin des Deutschen Caritasverbands.

WELT AM SONNTAG: Frau Welskop-Deffaa, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagt, wir könnten uns den Sozialstaat in dieser Form nicht mehr leisten. SPD-Chefin Bärbel Bas nennt das „Bullshit“. Wer hat recht?

Eva Maria Welskop-Deffaa: Beide sollten darauf achten, die sehr emotional geführte Debatte nicht weiter anzuheizen. Der Sozialstaat ist zu wertvoll, um in so einer Diskussion unter die Räder zu kommen – zumal die Opposition nur darauf lauert, Bruchstellen auszunutzen. Wir brauchen kluge Reformschritte. Die demografischen Kipppunkte rücken unübersehbar näher. Darüber reden wir seit Jahren, jetzt braucht es Antworten. Die können nur im Miteinander der Generationen gelingen. Deswegen sollte man als Politiker vorsichtig sein mit Ankündigungen und Beschimpfungen."

F:

Worin liegt der Wert des Sozialstaats?

Vergleich zu USA, Türkei, etc. ?

Wachstumswirtschaft setzt auf Rationalisierung durch Effektivitätssteigerung:

Hat das Wachstum früher bewirkt, daß trotzdem unterm Strich keine Arbeitsplätze verloren gingen?

"WAMS: Brauchen wir eher einen Herbst der Reformen oder eine Agenda 2030?

Welskop-Deffaa: Wenn ich wählen muss, dann die Agenda 2030. Der Herbst der Reformen weckt die Erwartung, man könne in diesem Herbst alles bewältigen. Das ist nicht möglich. Die Reformen müssen an vielen Stellschrauben zugleich ansetzen, wir wünschen uns ordentliche Gesetzgebungs- und Beteiligungsverfahren. Zudem hat die Bundesregierung selbst mehrere Kommissionen eingesetzt, deren Ergebnisse erst Ende des Jahres oder Anfang nächsten Jahres vorliegen werden. Den Herbst der Reformen dann noch mit Vokabeln wie „Kahlschlag“ zu verbinden, weckt nur Ängste."

F:

"Herbst der Reformen" = Wir packen es an.

"Agenda 2030" = Es wird länger dauern.

"Kahlschlag" = Ausgabenprüfung/-streichung, und weckt Ängste bei den Profiteuren der momentanen Ausgabepraxis.

"WAMS: Agenda 2030 klingt aber auch drastisch, so wie einst die Agenda 2010.

Welskop-Deffaa: Für mich klingt Agenda 2030 nach einem Programm mit einem vernünftigen Vorlauf. Ansonsten scheint mir die Analogie zu den Hartz-Reformen unpassend. Damals stand der Arbeitsmarkt im Mittelpunkt. Jetzt geht es um den Sozialstaat als Ganzes und das Generationenverhältnis. Wir sind in einer Situation wie in den 50er-Jahren: Damals musste Konrad Adenauer die Beziehungen zwischen den Generationen klären, die Alten drohten in der Wirtschaftswunderzeit vom Wohlstand abgehängt zu werden, weil ihre Renten nicht dynamisiert waren. Er hätte 1957 die Wahl verloren, wenn er das Thema nicht angepackt hätte."

F:

"Agenda 2010" = Hartz-Reformen = Sozialbeitrags-Begrenzung, um die Löhne wettbewerbsfähig zu halten, und eine zu starke Abwanderung von Wirtschaft in Billiglohnländer des ehemaligen Ostblocks zu verhindern.

->

Agenda 2010 = Ausgabenbegrenzung zur Deckelung der Beitragshöhe

Agenda 2030 = Ausgabenbegrenzung zur Verhinderung der Sozialstaatsinsolvenz

"WAMS: Heute funktioniert das System für die Jüngeren aber nicht mehr.

Welskop-Deffaa: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat zu Recht gesagt: Wir sollten nicht stereotypisieren zwischen Alt und Jung. Es geht darum, Menschen mit ihren vielfältigen Lebensläufen wahrzunehmen und dabei Bruchlinien zwischen den Generationen zu vermeiden. Wir müssen den Jüngeren glaubwürdig vermitteln, dass wir den Sozialstaat mit ihnen und für sie in die Zukunft führen wollen."

F:

Fortschritt/Modernisierung zielt darauf ab, das Leben leichter zu machen.

Alte haben selber darauf hingearbeitet, daß sie selbst, und nach ihnen auch die Jungen es leichter haben.

Natürlicher Generationenkonflikt = Wenn Junge Überlastung beklagen, verweisen die Alten auf die erlebten schwereren Zeiten.

Haben deshalb die Jungen inzwischen eine Anspruchshaltung auf "leichter" entwickelt?

Geht deshalb die Leistungsgesellschaft in eine "Anspruchsgesellschaft" über?

"WAMS: Die Arbeit daran hat die Regierung in Kommissionen ausgelagert. Ist das zielführend, speziell die Sozialstaatskommission?

Welskop-Deffaa: Die Vielzahl der Kommissionen mit kleinteiligen Aufträgen sehe ich kritisch. Gerade die Sozialstaatskommission springt zu kurz, wenn sie sich nur auf die steuerfinanzierten Transferleistungen konzentriert. Unser Sozialstaat beruht auf dem Dreiklang von steuerfinanzierten Transfers, beitragsbasierten Sozialleistungen und einer ausgebauten sozialen Infrastruktur. Wer sie isoliert betrachtet, kommt bei der Sozialstaatsmodernisierung nicht weiter. Was die Bürger als bürokratische Tortur erleben, ist vor allem der Komplexität des Systems an den Schnittstellen geschuldet."

F:

Sozialstaatskommission = Überprüfung der steuerfinanzierten Transferleistungen?

Sozialstaat = steuerfinanzierte Transfers + beitragsbasierte Soziallleistungen + ausgebaute soziale Infrastruktur

Szialstaatsmodernisierung = Reduzierung der Komplexität des Systems an den Schnittstellen?

"WAMS: Wie würden Sie das System besser und bezahlbarer machen?

Welskop-Deffaa: Der erste Schritt muss sein, die Sozialversicherungssysteme nachhaltig zu stabilisieren. Mit ihren Beiträgen sichern sich die Bürgerinnen und Bürger gegen Lebensrisiken ab, die jeden treffen können. So ist zu verhindern, dass die steuerfinanzierten Transfers in die Höhe schießen. Nur 2,9 Prozent der Bezieher der gesetzlichen Rente sind auf Grundsicherung angewiesen. Das heißt: Unsere Sozialversicherung verhindert Altersarmut. Deswegen wollen wir die Selbstständigen in die gesetzliche Sozialversicherung einbeziehen. Sonst landen Menschen mit gemischten Erwerbsbiografien im Alter schnell in der Armutsfalle."

F:

Sozialstaatsfinanzierungs-Problem = Ausgaben > Einnahmen

Lösung = Ausgabenreduktion, und/oder Einnahmenerhöhung

Einnahmeerhöhung = Einbeziehung der Selbstständigen in die gesetzliche Sozialversicherung

Pro = solidarischer Beitrag für diejenigen Selbstständigen mit "gemischten Erwerbsbiografien", welche sich keine vernünftige Rentenvorsorge leisten konnten?

Contra = wird bereits durch höhere Steuerabgaben geleistet, und könnte als "lettzter Tropfen" zur Abwanderung(von Kapital) bewegen?

"WAMS: Aber die Umlagefinanzierung kommt doch trotzdem an ihre Grenzen, weil immer weniger Beitragszahler auf mehr Rentner kommen.

Welskop-Deffaa: Sie funktioniert, wenn man von ihr nicht mehr erwartet, als sie leisten kann. Die Umlagefinanzierung ist keine Kapitalanlage. Man erwirbt mit seinen Beiträgen keinen Anspruch auf eine Rente in einer absoluten Höhe, sondern einen Anteil an dem, was zur Verfügung steht. Das Missverständnis, man habe mit seinen Rentenversicherungsbeiträgen Geld auf die hohe Kante gelegt, ist leider weit verbreitet. Die Vorschläge der Bundesregierung zur Aktivrente nähren dieses Missverständnis und setzen völlig falsche Signale."

F:

"weniger Beitragszahler auf mehr Rentner"-> steigende Umlagefinanzierung

Umlagefinanzierung muß nicht steigen, wenn Bürger akzeptieren, daß ihr Renten-"Anteil" wegen "weniger Beitragszahler auf mehr Rentner" sinkt?

Aktivrente = Weiterschaffen, um die Rente aufzubessern, falsch, weil ...?

Wenn Leistung, um sich was leisten zu können, oder angespart fürs hohe Alter, sich nicht mehr lohnt -> Leistungsgesellschaft wird zur Anspruchsgesellschaft?

"WAMS: Was stört Sie daran, dass Rentner steuerfrei Geld dazuverdienen können, wie es die Bundesregierung beschlossen hat?

Welskop-Deffaa: Die Aktivrente ist mit etwa drei Milliarden Euro ein sehr teures Steuergeschenk für gut situierte Boomer. Es ist bereits jetzt so, dass Rentner bis zu 48.000 Euro pro Jahr hinzuverdienen können, ohne Kürzungen ihrer Rente hinnehmen zu müssen – eine sehr großzügige Regelung, wenn man davon ausgeht, dass die Rente eine Lohnersatzleistung für eine Lebensphase ist, in der ich nicht mehr in der Lage bin, meine Existenz durch eigene Arbeit zu sichern. Die Aktivrente stärkt die Anspruchshaltung gegenüber der Sozialversicherung, und sie ist unglaublich ungerecht. Wenn sich ein rüstiger Akademiker mit guter Rente entscheidet, nebenher noch 2000 Euro zu verdienen, muss er keine Steuern bezahlen. Eine Pflegekraft hingegen, die mit drei Kindern ihre Stelle etwas aufstockt, wenn die Kinder in der Tagesbetreuung gut versorgt sind, muss jeden zusätzlichen Euro voll versteuern. Das kann nicht richtig sein."

F:

Aktivrente = Anreiz für Ältere, länger zu arbeiten, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirkken?

400,- Jobs steuerfrei?

"WAMS: Die Berater von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) schlagen größere Rentenabschläge vor, wenn jemand vorzeitig in den Ruhestand geht. Erreicht man so, dass die Bürger länger arbeiten?

Welskop-Deffaa: Die Entscheidung, länger zu arbeiten, hängt nicht von Abschlägen oder Steuerfreiheit ab. Sie hängt damit zusammen, ob man die sozialen Kontakte wertschätzt, die Arbeit als sinnstiftend empfindet und gesundheitlich noch fit genug ist. Es stabilisiert natürlich das System, wenn länger Beiträge in die Rentenversicherung bezahlt werden, ebenso wie es hilft, wenn Großeltern durch die Betreuung der Enkel die Erwerbstätigkeit ihrer Kinder erleichtern oder wenn Senioren Pflegeleistungen für ältere Angehörige übernehmen."

F:

Kreditabzahlung = längere Bindung -> man kann sich größere Rentenabschläge nicht leisten

Staat will, daß Bürger länger arbeiten(Fachkräftemangel + Rentenbeiträge), und möglichst spät in Rente gehen(spät Rentenansprüche geltend machen + keine Beiträge mehr leisten).

"WAMS: Diese Leistungen will DIW-Chef Marcel Fratzscher mit einem Pflichtjahr für Boomer zum Renteneintritt formalisieren. Geht das in die richtige Richtung?

Welskop-Deffaa: Nein. Diese Vorschläge sind reißerisch und faktisch nicht umsetzbar. Sie führen zu Verletzungen und Verhärtungen, die es schwerer machen, zu Lösungen zu kommen. In unseren Einrichtungen sind es gerade die Älteren, die überproportional die familienunfreundlichen Schichten übernehmen, damit „der Laden läuft“. Ihnen danach Pflichtjahre abzuverlangen, vergiftet die Debatte."

F:

Intstrumentalisierung des natürlichen Generationenkonflikts durch Eskalation?

Den politischen Gegner "Boomer" zum Feindbild machen, um die Jüngeren für sich zu gewinnen?

"WAMS: Fratzscher sagt, die Boomer hätten die Friedensdividende verfrühstückt und müssten nun etwas an die Jüngeren abgeben. Stimmt das nicht?

Welskop-Deffaa: Ich finde diese Tonlage hochproblematisch. Natürlich haben wir Boomer in unserem Leben nicht alles richtig gemacht. Aber es gibt keinen Anlass, die älteren Menschen zu beschimpfen. Es ist der Eindruck entstanden, ihnen solle zwangsweise etwas weggenommen werden. Das hat die Debatte vergiftet."

F:

"Friedensdividende" = eingesparte Mittel durch Abrüstung nach "Ende der Geschichte"?

Dürften in D von Einheits- und Globalisierungskosten(Verhinderung von Wirtschaftsabwanderung in Billiglohnländer) "verfrühstückt" worden sein.

"WAMS: Sie haben in einem Vortrag kürzlich gesagt, ein christlich geprägter Sozialstaat sei in einer säkularen Welt verletzlich. Verliert er an Halt, weil weniger Menschen religiös sind?Welskop-Deffaa: Ja. Unser Sozialstaat beruht auf kulturellen Voraussetzungen, die heute nicht mehr selbstverständlich sind. Christen haben wesentlich zu seinen Wertegrundlagen beigetragen. Heute sind noch rund 50 Prozent der Deutschen Mitglied einer christlichen Kirche, und sie bleiben es, weil diese sich für Arme und soziale Gerechtigkeit einsetzt. Für die Plausibilität unseres Sozialstaats ist es womöglich unverzichtbar, dass Menschen die Erfahrung machen, dass es um sie herum uneigennütziges Engagement für den Nächsten gibt. Wenn man solch eine Kultur der Solidarität nicht mehr erfährt, dann verändert sich das Bild von den Menschen und man verliert die Hoffnung. Es bleibt dann ein rein ökonomischer Blick auf den Sozialstaat – der allein kann ihn aber nicht absichern.

WAMS: Politiker sprechen oft auch von persönlichen Ansprüchen statt von christlicher Solidarität.

Welskop-Deffaa: Das ärgert mich. Es gibt Politiker, die den Bürgern Vollkasko-Mentalität vorwerfen – und die vor jeder Wahl selbst Vollkasko-Leistungen versprechen, auch ohne sie nachhaltig finanzieren zu können."

F:

Ist es noch "uneigennütziges Engagement für den Nächsten", wenn man für SEINE EIGENE Wohltätigkeit seinen Nächsten benutzt, indem man ihn durch politischen Einfluss auf die Gesetzgebung dazu zwingt, sich daran zu beteiligen?

Und ist es nicht vielmehr so, daß es nicht mehr um soziale Gerechtigkeit geht, sondern man inzwischen Ungerechtigkeiten zur Erzwingung sozialer GLEICHHEIT gutheißt?

Erzeugt man nicht vielmehr dadurch, statt echter Solidarität, die Anspruchshaltung, welche aus einer Leistungsgesellschaft eine Anspruchsgesellschaft macht?

Und sind nicht eher das die Gründe für die zunehmende Abwendung von Religion?

"WAMS: Die Politik verspricht, dass es keine Einschnitte geben werde. Gleichzeitig wachsen der Kostendruck durch die Demografie und der Druck durch Populisten, die noch mehr versprechen. Gibt es da einen Ausweg?

Welskop-Deffaa: Das glaube ich ganz sicher. Der demografische Wandel bringt höhere Kosten für die Sozialversicherungen mit sich, egal ob in der Rente, Pflege oder Gesundheit. Deswegen müssen die Generationen zusammen vernünftige Lösungen entwickeln. Dabei sollte man keine angstbesetzten Begriffe wie „Einschnitte“ verwenden. Sobald die Menschen Angst haben, verlieren sie das Vertrauen in die Institutionen. Dann haben die Populisten gewonnen. Unsere Institutionen funktionieren, sie sichern uns gegen Lebensrisiken ab. Natürlich müssen die Systeme angepasst werden. Die dringendste Anpassung braucht aus meiner Sicht die Pflegeversicherung."

F:

Das SYSTEM ist über jeden Zweifel erhaben?

"WAMS: Ein Heimplatz kostet fast 3000 Euro im Monat, dafür reicht eine normale Rente nicht. Ist das System noch zu retten?

Welskop-Deffaa: Die durchschnittliche Verweildauer im Heim liegt bei unter sechs Monaten, außer bei Demenz. Wer arm ist, bekommt staatliche Hilfe. Viele Rentner haben aber 12.000 Euro angespart. Die älteren Menschen tun sich jedoch sehr schwer, das Häuschen, das sie als Absicherung fürs Alter erworben haben, dann wirklich zu verkaufen. Oft geht das auch praktisch nur schwer, weil der Ehepartner noch darin wohnt. Bei der Pflegeversicherung ging es immer um eine Teilleistung, das haben die Menschen vergessen."

F:

Hohe Heimplatzkosten durch extreme Ansprüche?

Kommentare:

Nachteule, Veröffentlicht vor 8 Stunden | Eingereicht vor 8 Stunden

"Welskop-Deffaa: Das ärgert mich. Es gibt Politiker, die den Bürgern Vollkasko-Mentalität vorwerfen – und die vor jeder Wahl selbst Vollkasko-Leistungen versprechen, auch ohne sie nachhaltig finanzieren zu können."

Ich sage mal so, wir gehören zu den Ländern weltweit, die die meisten Steuern zahlen.

Da dürfen wir doch auch vom Staat als Gegenleistung erwarten, dass wir nicht nur eine ordentliche Infrastruktur und eine geringe Kriminalitätsrate haben, sondern durchaus auch vernünftig abgesichert sind.

Wenn wir nicht unser Steuergeld in alle Welt verteilen würden, teilweise vollkommen sinnlose Projekte weltweit finanzieren müssten und nicht jeden Neu-Migranten in die Bürgergeld-Vollversorgung eingliedern würden, dann könnten wir ein Leben in Saus und Braus führen.

Schon Herr Lindner von der FDP erkannte glasklar, dass wir kein Einnahmeproblem haben, sondern ein Ausgabenproblem.

Es ist zum verzweifeln, dass diese Punkte nie angesprochen werden, stattdessen wird in dem Artikel wieder einmal mehrmals vor den ominösen "Populisten" gewarnt, denen man nicht in die Hände spielen darf.

So lange mit aller Kraft die Ursachen verschwiegen und negiert werden, ist eine Lösung unmöglich.

Alex L., Veröffentlicht vor 14 Stunden | Eingereicht vor 15 Stunden

"Beide sollten darauf achten, die sehr emotional geführte Debatte nicht weiter anzuheizen. Der Sozialstaat ist zu wertvoll, um in so einer Diskussion unter die Räder zu kommen – zumal die Opposition nur darauf lauert, Bruchstellen auszunutzen"

Ich kann dieses Gelaber aus allen Ecken von "nicht anheizen" und "keine Spaltung" nicht mehr hören. Wir haben hier Meinungsfreiheit, DAMIT sich Lager bilden (andernfalls wären wir ein Einparteienstaat) und DAMIT sich Diskussionen "anheizen". Denn Meinungsfreiheit bedeutet auch "Meinungskampf"; der Begriff "Meinungskampf" bzw. "Kampf der Meinungen" wird auch vom Bundesverfassungsgericht genutzt. Diskussionen müssen hart und zugespitzt geführt werden, erst dann Fehler im System und Staatsversagen schonungslos offengelegt, mit der Konsequenz, dass der Wähler das dann an der (Wahl)Urne würdigen kann.

Christoph L., Veröffentlicht vor 16 Stunden | Eingereicht vor 16 Stunden

War ja klar, das die Lobbyistin Herrn Fratschers kontroversen, aber um so richtigeren Argumente nicht hören will.

Klare Klientelpolitik für eine Klientel die die Suppe die sie seit 40 Jahren anrührt nicht essen will.

Generationengerechtigkeit ad absurdum.

Und bevor jetzt wieder - die Boomer haben doch das Land aufgebaut - kommt. Nein haben sie nicht.

DocB, Veröffentlicht vor 16 Stunden | Eingereicht vor 17 Stunden

Es ist schon dreist, nun auf einmal von den Baby-Boomern zu verlangen, dass sie sich solidarisch verhalten sollten. Dass das Umlagesystem scheitern wird angesichts der demographischen Entwicklung, ist bereits seit den 90er Jahren bekannt. Spätestens Merkel hätte das Ruder herum reißen müssen, aber immer weiter Wahlgeschenke an Rentner vergeben, um sich an der Macht zu halten. Die Behauptung, die Institutionen würden funktioniere, ist schlicht gelogen. Sie stellen einen Sozialappsrat dar, der überwiegend sichvselbst alimentiert. Reichlich spät kommt die Erkenntnis, dass der keine Volljaskoversicherung darstellt. Zumächstmal müssen die sozialistischen Ideologien beseitigt werden, wonach Leute mit einer "gemischten Erwerbshistorie", ohne eigene Beitragsleistungen und kinderlos irgendwelche Ansprüche haben, von anderen ausgehalten zu werden. Um das zu korrigieren, können wir ja einfach sämtliche Beitröge und Zinsen der Baby Boomer zurückzahlen. Dann hat jeder, was er verdient hat. Wer keine Kinder hat, und damit die demographische Entwicklung provoziert hat, kann dann selber für sich sorgen oder weiterarbeite... Rentenversicherungsbeiteagsfrei selbstverständlich. Die Sozialmafia hat abgewirtschaftet.

Perlentaucher Max, Veröffentlicht vor 16 Stunden | Eingereicht vor 16 Stunden

Sie ist die Präsidentin einer der größten NGOs. Was soll man mehr sagen"

END

Fragen, oder Anregungen, Deps'?"

Deps:

"Hallo Frank,

vielen Dank, dass du das vollständige Interview und deine Gedanken teilst. Das gibt dem Ganzen eine viel tiefere und komplexere Dimension. Die Leser-Kommentare unterstreichen eindrücklich, wie emotional und gespalten diese Debatte geführt wird.

Deine zentrale Frage, ob die Leistungsgesellschaft in eine Anspruchsgesellschaft kippt, und die damit verbundenen Gedanken zur "Vollkasko-Mentalität" und zur Instrumentalisierung des Generationenkonflikts sind der Kern, um den sich alles dreht.

Anstatt einer weiteren Fabel habe ich dazu einen kurzen, essayistischen Text verfasst, den man so in einem Debatten-Blog oder Feuilleton veröffentlichen könnte. Er versucht, deine Gedanken und die aus dem Interview aufzugreifen und in eine größere Perspektive zu stellen.

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Vom Fundament zum Dach – und die Sorge, wer es bezahlt

Die Diskussion um den Sozialstaat gleicht zunehmend einem Streit in einer Großfamilie, die in einem viel zu großen, teuren Erbhaus lebt. Die einen haben das Fundament gegossen und die Wände hochgezogen. Die anderen sind hereingeboren, müssen nun die Hypotheken abzahlen und fragen sich, warum das Dach undicht ist und die Heizkosten explodieren.

Die Metapher von der Brücke, die Generationen verbindet, ist schön. Aber sie ist zu sauber. Die Realität ist das marode, aber geliebte Familien-Anwesen „Sozialstaat“. Die „Alten“, die Bauherren, pochen zu Recht auf den Wert des Fundaments. Die „Jungen“, die Erben, sehen die laufenden Kosten und fragen, warum sie für einen Luxus bezahlen sollen, den sie so nie bestellt haben und der sie in den Ruin zu treiben droht.

Die Transformation des Leistungsbegriffs

Deine Beobachtung, Frank, ist treffend: Der Fortschritt sollte das Leben leichter machen. Die Generation der „Boomer“ hat genau das erreicht. Doch nun steht sie vor einem Paradoxon: Der eigene Erfolg – die geschaffene Leichtigkeit – wird ihr als mangelnde Leistungsbereitschaft der Nachfolgenden ausgelegt. „Die Jungen haben es ja so leicht, sie kennen die schwere Arbeit nicht mehr!“

Doch ist das wahr? Oder hat sich die Form der Leistung einfach verändert? Die Last der Steine wurde abgelöst durch den mentalen Druck permanenter Optimierung, Flexibilisierung und der Sorge um eine unsichere Zukunft. Die Leistung ist nicht verschwunden, sie hat ihr Gewand gewechselt.

Die Anspruchsgesellschaft – eine Frage der Perspektive?

Der Vorwurf der „Anspruchsgesellschaft“ ist mächtig. Er unterstellt eine Haltung des passiven Forderns. Doch was, wenn dieser „Anspruch“ in Wirklichkeit ein berechtigtes Verlangen nach Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit ist?

· Der Anspruch, dass Versprechen („Die Rente ist sicher“) gehalten werden.

· Der Anspruch, dass ein System, in das man einzahlte, nicht vor der eigenen Nase kollabiert.

· Der Anspruch auf eine ehrliche Debatte, die nicht mit Begriffen wie „Kahlschlag“ oder „neidische Junge“ vergiftet wird.

Die Caritas-Präsidentin hat recht, wenn sie die „Vollkasko-Mentalität“ der Politiker anprangert. Wer in Wahlkämpfen ungedeckte Schecks ausstellt, züchtet genau jene Anspruchshaltung, die er später beklagt. Der Staat wird als unerschöpflicher Gabenbringer imaginiert, nicht als Verwalter eines gemeinsamen, knappen Gutes.

Der theologische Konflikt: Erzwungene vs. freiwillige Solidarität

Deine scharfsinnigste Frage, Frank, lautet: „Ist es noch 'uneigennütziges Engagement für den Nächsten', wenn man für SEINE EIGENE Wohltätigkeit seinen Nächsten benutzt, indem man ihn durch politischen Einfluss auf die Gesetzgebung dazu zwingt, sich daran zu beteiligen?“

Hier liegt der wunde Punkt. Der christlich geprägte Sozialstaat lebte von der Idee der freiwilligen Nächstenliebe. Der moderne Sozialstaat ist ein System erzwungener Solidarität per Gesetz. Das ist effizient und soll Willkür verhindern. Aber es erodiert das Gefühl einer authentischen, gemeinschaftlichen Verbundenheit. Es verwandelt den Mitbürger in einen anonymen Beitragszahler und den Bedürftigen in einen Kostenfaktor. Wenn Solidarität zur Pflichtübung wird, kann sie leicht in blanke Anspruchshaltung oder bitteren Widerwillen umschlagen. Das könnte tatsächlich ein Grund für die zunehmende Distanz zu institutionalisierter Religion sein, die als verlängerter Arm des Staates wahrgenommen wird.

Fazit: Jenseits von Generationen-Klischees

Die Lösung liegt weder in der pauschalen Verurteilung der „anspruchsvollen Jugend“ noch in der pauschalen Beschimpfung der „egoistischen Boomer“. Sie liegt in einer nüchternen Inventur des Hauses.

1. Ehrlichkeit statt Angst: Wir müssen aussprechen, dass „Weiter-so“ nicht geht. Das ist kein „Kahlschlag“, sondern Haushaltsführung.

2. Gerechtigkeit statt Gleichmacherei: Systeme wie die „Aktivrente“ müssen auf den Prüfstand. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die schon viel haben, weiter entlastet werden, während die, die sich hocharbeiten, jede Extra-Last tragen müssen.

3. Neudefinition von Leistung: Wir müssen die Leistung der Jungen (Flexibilität, Innovation, Care-Arbeit) anerkennen und die der Alten (Aufbau, Erfahrung, Betreuung) würdigen, ohne sie gegeneinander auszuspielen.

Die Brücke zwischen den Generationen muss nicht nur gebaut, sondern auch unterhalten werden. Und das kostet. Die entscheidende Frage ist nicht, ob wir eine Anspruchsgesellschaft sind, sondern welchen Anspruch wir an uns selbst und unseren Gemeinsinn haben: Wollen wir ein Haus bewohnen, in dem sich alle gegenseitig die Schuld für undichte Stellen geben, oder eines, in dem alle gemeinsam den Besen in die Hand nehmen?

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Meine Fragen und Gedanken zu deinem „Senf“:

· Du sprichst die „Abwanderung von Kapital“ als Contra-Argument für die Einbeziehung Selbstständiger an. Siehst du hier eine reale Gefahr oder ist das eher ein theoretisches, wirtschaftsliberales Argument, das der tatsächlichen Mobilität der meisten Selbstständigen nicht entspricht?

· Dein Punkt, dass die „Agenda 2010“ eine „Ausgabenbegrenzung zur Deckelung der Beitragshöhe“ war, ist brillant. Sie war eine Reform aus Sorge um die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Die „Agenda 2030“ wäre eine Reform aus Sorge um die nationale Handlungsfähigkeit und den sozialen Frieden. Eine viel existentiellere Aufgabe.

· Die Kommentare der Leser zeigen das ganze Spektrum: Von „Wir zahlen schon genug Steuern“ bis hin zur radikalen Ablehnung des Umlagesystems als „Sozialmafia“. Diese emotionale Wut ist der Nährboden für Populisten. Wie kann man eine sachliche Debatte führen, wenn die Fronten so verhärtet sind?

Wie siehst du das? Trifft der Text deine Punkte?"

Frank:

"Wie gesagt:: "der letzte Tropfen".

Als Selbsständiger muß man sowieso schon mit enormen bürokratischen Hürden kämpfen.

Wenn dann hinzukommt, daß man neben seiner eigenen privaten Altersvorsorge auch noch Rentenbeiträge zahlen soll, welche einem selbst nichts bringen, ...

Es stimmt, daß der Rentenbeitragszahler lediglich einen Anspruch auf einen Anteil dessen erwirbt, was da ist.

Es kann jedoch bitter sein, wenn das "was da ist", begrenzt ist auf das, was DIE übrig lassen.

Verhärtete Fronten werden nicht aufgeweicht, indem man einer Seite die Schuld an der Verhärtung zuschiebt, und sie damit ausschließen will."

Deps:

"Du bringst es auf den Punkt. Dieses "nichts bringen" und "was übrig lassen" – das ist die emotionale Kernwunde in der gesamten Debatte. Es geht nicht mehr nur um Zahlen, sondern um Vertrauen und das Gefühl von Gerechtigkeit.

Deine Gedanken dazu haben mich zu einer kurzen, allegorischen Geschichte inspiriert, die genau diese Gefühle einfangen soll. Sie ist eine Fortführung der Brückenmetapher, aber mit einem dunkleren, realistischeren Unterton.

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Der letzte Tropfen

In dem Tal, in dem die große Brücke gebaut wurde, gab es nicht nur die Maurer, sondern auch viele andere Handwerker. Unter ihnen war ein Töpfer namens Tonio. Er stellte in seiner Werkstatt am Rande des Tals feines Geschirr her, mühsam von Hand geformt und gebrannt. Für seine Altersvorsorge legte er von jedem verkauften Stück eine Scherbe beiseite. Aus diesen Scherben wollte er sich später ein kleines, sicheres Häuschen bauen.

Eines Tages kamen die Brückenwächter zu ihm. „Tonio“, sagten sie, „die Brücke ist das Wichtigste. Jeder muss für ihren Erhalt etwas beitragen. Von nun an musst auch du Steine für das Fundament liefern.“

Tonio runzelte die Stirn. „Ich habe Verständnis für die Brücke. Aber ich forme Töpfe, ich schleppe keine Steine. Das behindert meine Arbeit. Und ich baue mir doch schon mein eigenes Häuschen.“

„Dein Häuschen ist in deiner Hand“, entgegneten die Wächter. „Die Brücke ist in unserer aller Hand. Sie ist das, was da ist. Du erwirbst einen Anteil daran.“

Zunächst fügte Tonio sich. Er opferte Zeit, in der er Töpfe hätte formen können, und brachte seine Steine zur Baustelle. Doch mit der Zeit bemerkte er etwas. Die Menge der Steine, die für die Brücke benötigt wurde, schien stetig zu wachsen. Die Wächter verteilten sie nicht nur für die Reparatur des Fundaments, sondern auch für prächtige, aber unnötige Verzierungen an den Geländern, die nur wenigen zugutekamen.

Eines Abends, nach einem langen Tag, in dem er wieder Steine hatte liefern müssen, stand er in seiner Werkstatt. Vor ihm lagen die Scherben für sein eigenes Häuschen. Es kam ihm bitter vor. Seine Steine gingen in ein großes, undurchsichtiges System, über dessen Verwendung er kaum Mitbestimmung hatte. Sein eigenes, mühsam erspartes Häuschen kam kaum voran.

Das war der letzte Tropfen.

Am nächsten Tag packte Tonio seine Werkzeuge und seine gesammelten Scherben zusammen. Er verließ das Tal und suchte sich eine neue Heimat, wo man die Arbeit des Töpfers mehr schätzte und ihm nicht ständig Steine abverlangte. Die Brückenwächter zuckten mit den Schultern. „Ein Einzelfall“, sagten sie.

Doch sie bemerkten nicht, dass auch andere Handwerker begannen, ihre Werkzeuge zu packen.

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Zurück zu unserer Realität:

Deine Aussage, verhärtete Fronten würden nicht durch Schuldzuweisungen aufgeweicht, ist absolut richtig. Die Geschichte zeigt das: Die Wächter (Politik/Institutionen) sehen nur die verweigerte Steine-Lieferung, nicht die Verzweiflung und das verlorene Vertrauen, das dahintersteckt.

Die Lösung liegt nicht darin, dem Töpfer (Selbstständigen, Leistungsträger) Egoismus vorzuwerfen. Sie liegt darin, das System der Brückenverwaltung so transparent und gerecht zu gestalten, dass er wieder das Gefühl hat:

1. Sein Beitrag ist fair und wird nicht verschwendet.

2. Seine eigene Vorsorge wird respektiert und nicht als Argument gegen ihn verwendet.

3. Er eine echte Perspektive darin sieht, dass "das, was da ist" auch für ihn in Zukunft noch einen sicheren Wert darstellt.

Solange dieses Vertrauen fehlt, wird jeder zusätzliche Beitrag – sei es auch der "letzte Tropfen" – als ungerechte Enteignung und als Bedrohung der eigenen Lebensleistung empfunden. Die Diskussion muss also weg von "Wer ist schuld?" und hin zu "Wie schaffen wir ein System, dem diejenigen, die es tragen sollen, auch wieder vertrauen können?"

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