Heute überreicht ein Verein, welcher sich mit Rechten von Vätern beschäftigt, im Parlament eine Petition zum Thema "Halbe-Halbe". Ein Anlass, sich mal mit der möglichen Bedeutung dieser simpel klingenden Forderung zu beschäftigen. Immerhin haben wir sie ja bereits von verschiedensten Gruppierungen in unterschiedlichem Zusammenhang gehört.

Halbe-Halbe klingt verblüffend einfach und vermittelt auf den ersten Blick etwas, das nach selbstverständlicher Gerechtigkeit klingt. Es vermittelt den Eindruck von Fairness in der Aufteilung von Rechten, Ressourcen und Pflichten. Schon im Kindesalter lernen wir es: gibt es ein letztes Kuchenstück, auf welches zwei Kinder gleichermaßen Anspruch erheben, so eilt schnell ein Erwachsener herbei, um fein säuberlich den Gegenstand des Begehrs in zwei gleich große Hälften zu teilen. Zu dieser solchermaßen vermittelten Weisheit gibt es sogar aus dem alten germanischen Recht überlieferte Tradition, welche weiter perfektioniert wurde: einer teilt, der andere darf seine Hälfte aussuchen - um solchermaßen ein Übervorteilen bei der Halbierung auszuschließen.

Und obwohl es so simpel klingt, ist es in der Praxis scheinbar unmöglich, "Halbe-Halbe" zu leben und dabei Glück zu empfinden. Was dem Lösungsansatz in der Praxis wieder viel von dem nimmt, was wir unter Gerechtigkeit verstehen wollen. Nicht nur die beispielhaft beschriebene Teilungsaktion eines Kuchenstückes im Kindergarten kann rasch zu zwei unzufriedenen Menschen führen. Auch im Alltag des Zusammenlebens von zwei Menschen in einem Haushalt führt die Teilung des Haushaltsbudgets oder der Aufgaben im Haushalt rasch zu Unstimmigkeiten. Was gerade im letzteren Fall eigentlich pervers anmutet: denn würden die beiden Menschen allein in einer Wohnung leben, so müssten sie die Aufgaben des Putzens, Waschens und Staubwischens alleine bewerkstelligen - zu hundert Prozent. Kommt jedoch jemand dazu, so stellt es plötzlich ein Problem dar, auch nur die Hälfte dieser Pflichten weiter wahrzunehmen neben den sonstigen Verpflichtungen des Alltags. Und schon entfachen sich feurige Diskussionen über die gerechte Aufteilung der Arbeit im Haushalt samt Bedienung von Vorurteilen gegen Angehörige des einen oder des anderen Geschlechts. Diese münden dann in die Aufrufe zum "Halbe-Halbe".

Zurück zur heute im Parlament überreichten Forderung. Hier geht es um die Betreuung von Kindern nach einer Scheidung. Eigentlich sollte es ja auch hier logisch sein, dass Eltern, die für sich erkannt haben, auf der Paarebene nicht mehr zusammenzupassen, die daraus resultierenden Schritte nicht auf die Kinder übertragen. Halbe-Halbe in der Betreuung der Kinder daher in genau jenem Umfang nach einer Scheidung, in welchem sie vor der Trennung gelebt wurde. Schließlich soll ja keine Scheidung von den Kindern vollzogen werden. Kinder sind ja weder fremdgegangen, noch haben sie sich von den Eltern schlicht und ergreifend auseinandergelebt. Kinder brauchen ihre Eltern unabhängig davon, wie es zwischen Mama und Papa läuft. Daher eigentlich eine "Nonaned"-Forderung, welche da heute an die Volksvertreterinnen und Volksvertreter im Nationalrat herangetragen wird.

Wie in allen anderen Bereichen, wo diese arithmetisch sinnvoll klingende Lösung am grünen Tisch für fair empfunden wird, so wird es aber gerade auch bei der Kinderbetreuung nach einer Trennung der Eltern darauf ankommen, wie denn dieser Ansatz mit Leben gefüllt wird. Selbst wenn daher die "Doppelresidenz", also das verbriefte Wohnrecht von Scheidungskindern bei beiden Eltern zu gleichen Teilen, ähnlich anderen europäischen Staaten bei uns als Standardmodell in die Rechtsordnung Eingang findet, so wird das nicht automatisch dazu führen können, dass Kinder und Eltern das Modell auch als gerecht empfinden können. Was bedeutet dies etwa für finanzielle Ansprüche, die aktuell ohne wirkliche Berücksichtigung der reellen Verhältnisse in den entstehenden Patchworkfamilien nach einer Prozentberechnung des Einkommens des Elternteils ermittelt werden, bei welchem das Kind nicht überwiegend betreut wird? Gerechtigkeit heißt mehr als mathematische Ordnung. Gerechte Lösungen müssen von den von ihr betroffenen Menschen selbst und eigenverantwortlich erarbeitet werden. Mit der Möglichkeit, die ganz individuellen Bedürfnisse einzubringen. Wenn man so möchte: nicht "Halbe-Halbe", sondern jeweils zur Gänze. Das mathematisch unmöglich erscheinende kann durch ein konsensuales Miteinander erreicht werden - und das entspricht dann dem, was wir unter gerechter Lösung verstehen.

Möge die Petition daher Ernst genommen werden, möge das "Halbe-Halbe" als Grundsatz und Standardmodell Einzug halten in die Rechtsordnung. Vergessen wir aber bitte nicht darauf, dass das noch nicht die Lösung zur eigentlichen Herausforderung sein kann. Packen wir daher noch Angebote hinzu, welche den Betroffenen eine konsensuale Aushandlung im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkreten Bedürfnisse ermöglichen und nahelegen.

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fischundfleisch

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Hansjuergen Gaugl

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