Immer wieder taucht das Thema des gläsernen Menschen auf. Alles soll transparent, alles belegbar, kontrollierbar und nachprüfbar sein. Die Ideen eines George Orwell „1984“ sind ja schon längst übertroffen, auch die Jahreszahl ist ja schon lange überholt.

Stellt sich die Frage, was man sich als Negativum beim Überwachungsstaat so vorstellt.

Das Erste wäre ja der Verlust der Freiheit, oder besser gesagt, des individuellen Freiraums des Einzelnen. Genau da aber wird die sensible Seite unseres Mensch-Seins angesprochen. Was es heißt, hier beschnitten zu werden, sich nicht mehr frei bewegen zu können, sich der ständigen Beobachtung ausgesetzt zu fühlen, das wissen diejenigen am Besten, die hinter dem Eisernen Vorhang gelebt haben. Egal, obs in der DDR oder in Rumänien war.

Was wir danach im Wirtschaftswunder praktiziert haben, war die totale Abschottung zu unseren Mitmenschen, - wobei wir nur einige wenige Privilegierte an uns herangelassen haben. Man konnte in einem größeren Wohnblock ein ganzes Leben lang wohnen, wenn man z.B. im letzten Stock oben eine Wohnung hat, und wird dabei niemals wissen, wie der Mieter in der Parterrewohnung ganz hinten aussieht. So geschah es öfters, dass wochenlang verstorbene Personen in einer Wohnung liegen blieben, bis man durch den Verwesungsgeruch auf sie aufmerksam wurde, der nach außen drang.

Im Kommunismus gabs in den größeren Städten z.B. in Rumänien, in den Wohnblocks, den sog. Blockwart. Der kannte jeden, und der war auch verpflichtet, jede Beobachtung zu melden. Dem fiel natürlich auf, wenn der Herr XY schon ein paar Tage nicht gesehen wurde. Allerdings ist das ein zweischneidiges Schwert, auch in der heutigen Zeit. Viele ältere Mitbürger leben alleine; sofern überhaupt Familienmitglieder noch existent sind, so wohnen sie weit weg.

Gerade war ich mit so einem Fall konfrontiert. Die Vermieterin unseres Büros, die im hinteren Teil des Gebäudes wohnte, war auch noch im hohen Alter rüstig und bewahrte sich ihre Eigenständigkeit. Trotzdem hatten wir vorne im Büro ein Auge auf sie. Ob sie was braucht, wurde sie gefragt, ob alles in Ordnung ist, ob man den Mülleimer heraustragen soll, usw. Die Linie, ab wann ein Mensch das dankbar als Interesse und Hilfe für seine Person empfindet, und ab wann das als lästige Bevormundung verstanden werden kann, - diese Linie ist sehr schwer zu zeichnen.

Als ich am vorletzten Sonntag abend entgegen ihrer Gewohnheit kein Licht im Zimmer brennen sah, machte ich mir schon Gedanken, - tat es aber damit ab, dass sie vielleicht mit jemanden fortgegangen sei. Als ich am nächsten Morgen wieder nichts bemerkte, wollte ich der Sache auf den Grund gehen und rief denjenigen, von dem ich wußte, dass er einen Schlüssel hatte. Leider zu spät. Der Schlaganfall war schon am Sonntag abend, - und die wichtigen Fristen danach kennt man ja, wann noch die größten Chancen auf Heilung bestehen. Sie kam nicht mehr auf die Beine, vor ein paar Tagen hatten wir sie beerdigt.

Auch das gehört in die Rubrik Überwachung, - ist es doch ein Teil unseres sozialen Zusammenlebens. Nun schreiben wir das Jahr 2017. Die Zeiten sind anders geworden, - auch die Gesetze und die Probleme zwischen den Bewohnern eines Landes. Kriegt man das noch unter einen Hut, die beiden prinzipiell gegensätzlichen Begriffe „Freiheit“ und „Sicherheit“?

Mehrere Gründe haben mich zur Jahrtausendwende bewogen, von Deutschland wegzugehen und unsern Sohn in Siebenbürgen aufwachsen zu lassen. Einer davon war die Sicherheit. Gut, wir leben in keiner Großstadt, wir haben nur ca. 50 T E. Trotzdem konnte ich ohne Bedenken das Kind im Alter von 9 Jahren noch um 10 Uhr abends zum Kiosk schicken, um irgendwas zu holen. Kein Gedanke daran, dass das Kind nicht mehr zurückkommen, oder gar einem Pädophilen in die Hände fallen könnte.

Klar gibts auch hier Eigentumsdelikte, - aber bei uns in der Provinz, - Bankraub oder Überfall auf einen Supermarkt, - ich kann mich an nichts dergleichen erinnern. Viele Frauen sind hier im Schichtbetrieb in Fabriken beschäftigt. Die zweite Schicht hört um 23 Uhr auf. Die Frauen gehen nach Hause, oft alleine, manchmal auf befahrenen Straßen, manchmal auch auf menschenleeren Seitenstraßen. Da gehen sie dann meistens in der Mitte der Straße, wenn kein Auto kommt, wo es halt am hellsten ist.

O.k., das sind wir hier so gewöhnt. Die „Neuen“, - also die Leute, die aus Deutschland und Österreich nach Siebenbürgen übersiedeln, die erzählen noch von ganz anderen Ängsten, weswegen sie von ihrer gewohnten Umgebung wegziehen. Dass man bei uns friedlicher un vor allem sicherer lebt, - sollte es wirklich nur daran liegen, dass es bei uns keine Moscheen gibt? Oder spielt da noch was anderes mit? Klar haben wir auch eine bestimmte ethnische Minderheit, die sich mit dem Begriff des persönlichen Eigentums immer schwer tut. Aber wenn man ein paar Spielregeln beachtet, dann bekommt man auch als „Zugereister“ dadurch keine Probleme. Meinen Lagerplatz habe ich z.B. mit guten Hunden gesichert.

Nun stellt sich die Frage nach mehr Überwachung, nach mehr Sicherheit. Allerdings sollten wir da unterscheiden:

Wir selbst sind es, die unsere Individualität freiwillig selbst aufgeben. Die meisten haben gar keine Ahnung, wer da ziemlich interessiert diese sog. sozialen Netzwerke durchforstet. Manche geben ja in facebook Dinge preis, die sie früher nicht einmal ihrer besten Freundin erzählt hätten. Dazu noch die Kontokarte, mit der man alles bezahlt. Natürlich nützt das der Staat dann in der Form aus, indem er versucht, das Bargeld überhaupt abzuschaffen, . was der Wunschtraum einer Totalüberwachung sein würde.

Der Banker, der einem einen Kredit bewilligen soll, weiß dadurch viel besser über den Antragsteller Bescheid, als er selbst. Dann hat man noch die Einkaufskarte von diesem oder jenem Konzern, den PC läßt man sowieso immer an, er hängt Tag und Nacht an der Stromzufuhr und am Internetkabel dran, und meint, wenn man ihn ausgeschaltet hat, dass man dann vor Neugierigen von außerhalb geschützt sei.

Hab das noch gut in Erinnerung, als da eine junge Frau in ein Experiment einwilligte, als man mal transparent machen wollte, was man mit so einem modernen Telefon, wo man immer mit dem Finger drüberstreicht und nicht mehr Tasten tippt, alles als Hacker anstellen kann. Die Spezialisten haben sich da, - ohne dass die Frau einen Einfluß drauf hatte – reingeklinkt, am Schluss haben sie dann Bericht abgeliefert. Da waren sogar Aufnahmen zu sehen, als die Frau im Badezimmer bei ausgeschaltetem Handy war......

Hier geben wir selbst aus Unkenntis, Unvernunft, Mitteilungsbedürfnis und was weiß ich noch, unsere Individualität, unsern persönlichen Freiraum selbst auf und blättern uns auf wie ein offenes Buch. Dem gegenüber steht der Teil der Überwachung, den man mit der Sicherheit begründet. Vor allem die Videokameras an öffentlichen Orten. Da gibts immer wieder heftige Diskussionen. Pro und contra.

Mich hat eine aktuelle Reportage nachdenklich gemacht, gerade aus dem Land, wo viele sog. Sextouristen Urlaub machen, aus Thailand.

http://thailandtip.info/2017/02/15/touristenpolizei-klaert-einen-brieftaschendiebstahl-innerhalb-von-20-minuten/

Vergleichen wir das mal mit der Handhabung in Deutschland oder Österreich. Da wird man höchstens noch gefragt, ob man wirklich eine Anzeige machen will, weil doch nichts dabei herauskommt. Das Ganze verschwindet dann in einem Ordner und modert vor sich hin. Würde mich mal interessieren, wie hoch die Aufklärungsquote von Diebstählen überhaupt bei uns ist. Grade noch bei Überfällen wird reagiert, - bei Einbrüchen wird allenfalls noch registriert, mehr nicht.

Klar waren auch hier die Überwachungskameras die Helfer. Nun stelle ich mir die Frage, ob ich da was dagegen haben soll. Die Aufnahmen werden automatisch alle 30 Tage gelöscht, und ich könnte mir gut vorstellen, dass es viele Punkte gibt, wo ich überhaupt nichts dagegen einzuwenden hätte. Öffentliche Plätze, Bahnhöfe, Flugplätze, auch Parks. Allerdings würde ich das dann auf die Eingänge der Parks beschränken, in den Grünanlagen sollten die Parkbänke noch für diejenigen ungefilmt bleiben, die im Mai Frühlingsgefühle entwickeln. Auch bei den Friedhöfen könnten die Eingänge gefilmt werden. Banken und Geldautomaten sowieso.

So viel wird im Straßenverkehr gefilmt und fotografiert, - weniger, um ein höheres Maß an Sicherheit zu gewährleisten, sondern hauptsächlich, um dem Staat höhere Einnahmen zu verschaffen. Bei anderen Anlässen, wie bei Demos, wird ja auch von staatlicher Seite her gefilmt, aus den unterschiedlichsten Gründen. Vielleicht wäre es doch zu überlegen, wie weit man mehr Kameras einsetzen sollte, um die Sicherheit für den Bürger zu gewährleisten. Und zwar dann, wenns nicht ums Überholen oder um Demos geht, sondern einfach nur um die alltägliche Sicherheit der Einwohner eines Landes. Ich wüßte keinen Grund, wo mich das in meiner persönlichen Freiheit, auf die ich persönlich schon großen Wert lege, einschränken sollte.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 20.02.2017 23:43:17

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