Feiertag also. Was wird heute eigentlich gefeiert? Ah ja, Pfingsten. Was ist Pfingsten eigentlich? Als bekennende Atheistin erschließen sich mir so manche Feiertage nicht wirklich. Aber zum Glück wurde man ja in den vergangenen Tagen in Radio und Zeitung zur Genüge gebrieft. Das Pfingst-Fest findet am fünfzigsten Tag nach Ostern statt, und die gläubigen Christen feiern zu dieser Zeit die Entsendung des Heiligen Geistes. Nur wer ein böser Schelm ist, sieht hier einen Zusammenhang zwischen dem Sinn des Pfingstfestes und der Ernennung von Christian Kern zum neuen Wunderwuzzi der SPÖ…

Aber genug politisiert. Viel wichtiger für mich ist die Frage, wie ich selber diesen Feiertag verbringe. Noch dazu, wo mein Schatz arbeiten darf/muss. Aber, Frau weiß sich ja zum Glück auch selbst zu beschäftigen. Nach einem einsamen, aber ausgiebigen Frühstück, bei dem ich mich durch sämtliche verfügbaren Online-Zeitungen geschmökert habe, beschließe ich, einen auf Kaffeehaus-Literatin zu machen. Und zwar in meinem Lieblings-Kaffee, dem Korb. Das Korb befindet sich im ersten Bezirk, Brandstätte 9. Obwohl es sich beim Korb um ein klassisches, altes Wiener Kaffeehaus handelt, ist es einigermaßen alternativ angehaucht. Dafür hat wohl in erster Linie die Besitzerin, Susanne Widl, gesorgt. Sie war das erste IT-Girl der Welt. Naja, zumindest das erste von Wien. Als Schauspielerin, Model, Fotografin und angeblich auch langjährige Geliebte von „Columbo“ Peter Falk hat sie in den 70er und 80er Jahren Furore gemacht. Und eben auch als Besitzerin des Korbs. Im Untergeschoß des Lokals befindet sich die „Korb Art Lounge“, in welcher sich regelmäßig Künstler bei Lesungen oder beim Musizieren verwirklichen, und kreative Köpfe beim Philosophen Kaffee diskutieren. Allerdings kann man die Künstler auch im Kaffee beim „gewöhnlichen“ Kaffee trinken treffen.

Das Personal ist stets freundlich und bemüht. Der grantelnde Wiener Kaffeehaus-Kellner ist hier eher eine Legende. Aber die Kellner beherrschen den Wiener Schmäh auf eine sehr charmante Art und Weise. Allen voran Herr Otto, der wohl schon zum Inventar gehört. Aber genug der Lobeshymnen. Sonst wirft man mir wieder vor, ich würde hier bezahlte Werbung machen, was natürlich nicht der Fall ist.

Ich begebe mich also, bewaffnet mit meinem Laptop, ins Korb. Drinnen ist noch genau ein Tisch unbesetzt. Nämlich genau der in der Mitte. Na toll. Kennste? Ich gehören nämlich auch zu jenen Menschen, die sich in einem Lokal wohler fühlen, wenn sie mit dem Rücken zur Wand sitzen und somit alles unter Kontrolle, also im Blick, haben. Wahr wohl nix. Noch dazu möchte ich nicht auf diesem Platz, der von allen Seiten eingesehen werden kann, meinen Laptop auspacken und zu schreiben beginnen. Da ich aber sogleich von Herrn Otto auf gewohnt charmante Weise begrüßt werde, verfliegt meine kurz aufgeflammte schlechte Laune gleich wieder. Herr Otto lässt mich sogar stolz an seinem Fotobuch teilhaben, das er anlässlich seines mehrwöchigen Sri-Lanka-Aufenthaltes erstellt hat. Ich fühle mich privilegiert, denn das bekommt so schnell kein Gast zu sehen. Und beim Anblick der Fotos werde ich gleich mal heftig vom Fernweh gepackt. Also beschließe ich, erstmal etwas nahrhaftes, in Form eines Aperols, zu bestellen. Keine Sorge, es war inzwischen ohnehin schon Nachmittag. Gleich beim Ausgang steht ein Tisch mit einem grünen Tuch, und um ihn herum sitzen vier ältere Herrschaften und lassen sich bei ihrem Kartenspiel nicht aus der Ruhe bringen.

Inzwischen kommen immer mehr Menschen, in erster Linie Touristen, ins Kaffee. Und die Kellner platzieren sie auf die letzten freien Einzelplätze bei den bereits besetzten Tischen. Nur an meinem Tisch sind noch drei Plätze frei. Offenbar will wirklich niemand so recht am Exhibitionisten-Tisch Platz nehmen. Verständlich. An einem Tisch schräg gegenüber sitzt ein ca 12jähriges Mädl, mit seinen Eltern. Sie findet offenbar Gefallen an der seltsamen Type in der Mitte des Lokals und grinst unentwegt zu mir herüber. Freundlich, wie ich bin, grinse ich natürlich zurück. Und hoffe, dass die Eltern keinen falschen Eindruck bekommen. Die vier Kartenspieler beeindruckt das gar nicht, sie spielen unbeirrt weiter.

Mir wird das Trinken und Leute beobachten zu langweilig, und so beschließe ich, auch etwas zu essen. Und kurz, nachdem ich mich ans Verdrücken meines Schnitzerls gemacht habe, passiert es. Zwei Männer betreten das Lokal und erspähen die freien Plätze an meinem Tisch. Der Kellner bespricht sich mit ihnen, und startet sogleich auf mich zu. Ob es mich stören würde, wenn sich die Herrschaften zu mir setzen. Was soll ich sagen? Natürlich nicht. Also hab ich ab sofort zwei Tischkumpanen. Nachdem sie mich begrüßt haben, beachten sie mich jedoch nicht weiter. Ich bilde mir ein, zu erkennen, dass sie Hebräisch sprechen. Jedenfalls verschüttet der eine seinen Kaffee, worüber sich beide, für mich nicht nachvollziehbar, köstlichst amüsieren. Sogleich versuchen sie, das Geschehene für ein Handyfoto nochmals nachzustellen. Das Ergebnis steigert ihre Belustigung nochmals. Ich esse weiter, und die vier Herrschaften am Kartenspiel-Tisch lassen sich ebenfalls nicht aus der Ruhe bringen.

Nach ca einer halben Stunde haben die Hebräisch sprechenden Männer das Lokal wieder verlassen. Und endlich wird auch ein Tisch an der Wand frei. Yippie! Schnell packe ich meine Sachen zusammen und übersiedle. Und hole meinen Laptop raus und beginne zu schreiben. So vertieft, dass ich gar nicht mitbekomme, dass meine Tischkumpanen mehrmals wechseln. Ein zweiter Aperol Spritzer muss her, und dann… eine falsche Taste gedrückt, und alles war - WEG!! Echt jetzt? Die Arbeit von einer Stunde hat sich einfach verflüchtigt! Ich suche und suche, aber der Text ist verschwunden. Ich überlege, ob ich mich selbst mit dem Aperol-Glas erschlagen, oder den Laptop am Tisch zerschlagen soll. Die Kartenspieler am grünen Tisch bringt nicht einmal dieser Fauxpas aus der Ruhe.

Vom Kaffehaus-Literaten-Dasein hab ich vorerst genug, ich zahle und fahre nach Hause. Wo ich versuche, den verlorenen Text wieder einigermaßen zu rekonstruieren. Und einmal mehr mit der Feststellung leben muss, dass die Technik und ich zwei Größen sind, die ganz und gar keine Kompatibilität aufweisen. Naja, inzwischen ist mein Schatz nach Hause gekommen, und die Welt ist wieder in Ordnung. Schönen Abend allerseits.

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liberty

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fischundfleisch

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